Die Achse der Ahnungslosen

Wozu Ahnung, wenn man stattdessen auch einfach eine Meinung haben kann? Die Frage stellt man sich zwangsweise, wenn man die Reaktionen von Jan Fleischhauer und Henryk M. Broder auf die aktuelle Broschüre zum Klimawandel des Umweltbundesamtes liest. Lesen ist in dem Zusammenhang auch ein gutes Stichwort, denn schon an dieser einfachen Disziplin scheinen beide gescheitert zu sein.

Die Broschüre fasst im ersten Teil den Stand der Forschung zusammen. In Kürze heißt das, dass man zwar die genauen Details von Klima und Klimawandel immer noch nicht verstanden hat, die Belege dafür, dass der Mensch einen erheblichen Einfluss auf den Klimawandel hat und die Folgen der durch uns verursachten Erwärmung katastrophal sein werden, aber erdrückend sind. Was im Ergebnis dazu führt, dass innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde im Großen und Ganzen Einigkeit über den Klimawandel herrscht und eben keine Kontroverse. Selbige wird in erster Linie von selbst ernannten Klimaskeptikern herbeigeredet, von denen die meisten nicht mal selber Wissenschaftler sind, sondern Laien mit ideologischen und politischen Interessen. Im zweiten Teil werden einige Vertreter dieser Skeptiker inklusive ihrer Behauptungen aufgelistet und ihre Verbindungen zu Lobbygruppe aus Wirtschaft und Politik genannt (alles mit Quellen belegt). So weit, so unspektakulär.

Bei Fleischhauer und Broder wird daraus einmal mehr der Versuch, „Kritiker“ mundtot zu machen, an den Pranger zu stellen, den Kontakt zu ihnen zu untersagen oder ihnen Berufsverbote aufzuerlegen. Es bleibt unklar, worauf basierend sie sich das alles zusammenfantasieren, im Text des Umweltbundesamts findet sich jedenfalls nichts davon.

Wenn Fleischhauer davon schreibt, dass es „ziemlich lange her [sei], dass eine staatliche Institution in Deutschland erklärte, welche Meinungen in diesem Land haltbar sind und welche nicht“, dann zeigt das, dass er von Wissenschaft und ihrer Methodik nicht die geringste Ahnung hat. Wissenschaft arbeitet nicht mit Meinungen und erlaubt oder verbietet diese auch nicht. Wissenschaft beschäftigt sich mit Theorien. Diese müssen überprüfbar sein und werden in Experimenten (oder zumindest rechnerisch) entweder bestätigt oder nicht (oder gar widerlegt). Der zweite Fall ist nicht schlimm, im Gegenteil. Es ist gut, eine Theorie aufzustellen und diese dann zu in einer Überprüfung zu falsifizieren und durch eine bessere zu ersetzen. So lernen wir, die Welt besser zu verstehen. Schlimm ist es nur, wenn man trotz fehlender Bestätigung oder gar Falsifikation an einer Theorie festhält. Wenn man meint, die Erde wäre flach, die Sterne an einer Kuppel aufgehängte Lichter, der Mensch aus vier Elementen zusammengesetzt statt aus Atomen oder dass Homöopathie über Simile-Prinzip und Potenzierung eine Heilkraft besitzen würde, die über den Placeboeffekt hinausgeht, so sind das aus wissenschaftlicher Sicht keine Meinungen, sondern widerlegte und damit einfach falsche Theorien. Wer daran festhält, der verlässt die Wissenschaft und begibt sich in den Bereich von Religion, Esoterik und Aberglaube. Das kann man tun, aber dann muss man auch damit rechnen, von allen anderen nicht mehr ernst genommen zu werden.

Mit Meinungsdiktat oder einer absolutistischen Entscheidung darüber hat das aber rein gar nichts zu tun.

Broder geht noch einen Schritt weiter als Fleischhauer. Er kann es natürlich nicht lassen, die Nazis ins Spiel zu bringen und vergleicht das Umweltbundesamt mit der Reichskulturkammer, die im Dritten Reich dafür zuständig war, eine gleichgeschaltete Kultur im Sinne des Nationalsozialismus zu schaffen und zu bewahren. Die Nazis reichen aber nicht, auch die andere deutsche Diktatur muss für irrsinnige Vergleiche herhalten. Seine Abschlussfrage lautet dann folglich auch, ob wir auf dem Weg „in eine zweite DDR [sind], in der die Regierung auch für den Wetterbericht von heute und das Klima von übermorgen zuständig ist“. Spätestens an der Stelle stellt sich unweigerlich die Frage, ob Broder von Geschichte noch weniger Ahnung hat als von Wissenschaft. Man will es eigentlich gar nicht so genau wissen.

Man könnte das Ganze einfach als weitere Lächerlichkeit aus der „Achse des Guten“ abtun, würde diesem Unsinn nicht auf SPON und welt.de eine breite Plattform geboten. Aber natürlich muss man das ja noch sagen dürfen in der Diktatur der linken Meinungsmafia.

PS: In einem etwas wirren Sprung findet sich bei Fleischhauer dann noch folgender Absatz:

„Die eigentliche Frage sei eh, sagte der Kollege, was eigentlich so schlimm daran ist, wenn es wärmer wird. Wenn die Klimaforscher recht behalten, wird die Temperatur auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa drei Grad steigen. Für mich klang das viel, bis ich von ihm hörte, dass drei Grad dem Temperaturunterschied zwischen Hamburg und Freiburg entspricht. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist demnach also, dass aus Hamburg wettermäßig Freiburg wird und aus Freiburg Marseille.“

Wo genau die Grenze zwischen unsäglicher Dummheit und zynischer Menschenverachtung verläuft, weiß wohl nur Fleischhauer selber.


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