Der wahrscheinlich grösste Bankenskandal zieht seine Kreis: Zwischen 2006 und 2008 sollen diverse, globale Banken den wichtigsten Referenzzinssatz, den sogenannten LIBOR, systematisch manipuliert haben. So sollen absichtlich zu tiefe Zinssätze gemeldet haben, damit der Schein von einem unbeschädigten Bankensystem gewahrt werden konnte. Durch eine Selbstanzeige der UBS und weiteren Verdachtsfällen, kam die ganze Sache ins Rollen und hat bis heute bereits mehrere prominente Opfer gefordert, darunter den Verwaltungsratspräsidenten und den CEO von Barclays.
Schon als ich die Schlagzeile zur Selbstanzeige der UBS vor ein paar Monaten las, wurde ich recht stutzig. Falls dies wirklich stimmen sollte, also wenn die Banken den LIBOR systematisch manipuliert hatten, wäre das ja eine abartige Geschichte. Komischerweise war das Interesse der Presse damals gering (klar, man hatte andere Prioritäten wie die hohen Boni zu bashen, welche definitiv mehr Leserzahlen bringen) und so verschwand die Geschichte etwas aus dem Blickfeld. Nun wurde die britische Barclays Bank aber zu einer Geldstrafe von einer halben Milliarde Franken verurteilt und deren CEO musste heuer vor dem britischen Parlamentsausschuss aussagen. Dabei zeigte er keine Reue und soll nichts davon gewusst haben. Nur die 14 internen Trader, welche für die Ermittlung des LIBORs zuständig seien, sollen schuld an der ganzen Geschichte sein.
Mit Verlaub, Herr Diamond, dies scheint doch etwas an den Haaren herbeigezogen. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass ein kleiner Kreis von nur 14 Leuten während zwei Jahren (!) den wichtigsten Referenzzinssatz der Welt manipuliert haben soll, ohne dass die Chefetage auch nur ein paar Gerüchte darüber gehört haben soll. Am LIBOR hängen schliesslich Interbankenkredite, Firmenkredite, Hypotheken und viele weitere Finanzgeschäfte im Ausmass von ca. 360 Billionen Franken pro Jahr!
Natürlich gilt für Herrn Diamond (der Name ist ja praktisch prädestiniert für einen Bank-Job) die Unschuldsvermutung. Sollte er tatsächlich von nichts gewusst haben, so muss man sich aber erstens mal fragen, was für eine Firma er da führt. Das Compliance System der Barclays müsste bei solchen Absprachen doch mehr als aufschreien. Es ist ja schon bedenklich, dass Fälle à la Adoboli bei der UBS nicht auffliegen, aber einen Betrugsfall in diesem Ausmass kaschieren zu können, dazu reicht nicht nur kriminelle Energie und ein paar kluge Köpfe. Da müssen Leute aus dem Riskmanagement Bereich involviert gewesen sein und spätestens hier beginnt die Verantwortung von Herrn Diamond und seinen Vorgesetzten im Verwaltungsrat der Barclays.
Der Verwaltungsrat ist per Definition die oberste Kontrollinstanz in einer Bank. Er legt die Risiken fest, welche die Bank eingehen möchte und kann. Dafür verlässt er sich auf die Aussagen des CRO und auch vor allem auf diejenigen des CEO, an welchen er ja das operative Tagesgeschäft delegiert hat. Daher können die Entlassenen in diesem Fall noch lange beteuern, sie hätten nichts von all dem gewusst. Auch wenn das stimmt, sie sind schlussendlich für die obersten Risikohüter in der gesamten Bank und haben hier mehr als versagt. Daher sind die Entlassungen schon jetzt gerechtfertigt und ob eine zivilrechtliche Klage Sinn machen würde, müsste man zumindest ausgiebig prüfen.
Die Lehren aus dieser und anderen Geschichten sind klar: Die Rechte der Aktionäre (welche schlussendlich die Inhaber der Firmen sind) müssen gestärkt werden! Hierzu bietet die Abzockerinitiative von Thomas Minder, trotz etwas reisserischem Titel, Abhilfe. Die Initiative, welche nun endlich vor das Volk kommen wird, beinhaltet viele wichtige Elemente, wie zum Beispiel:
• Die Abschaffung des Depotstimmrechts
• Die Ermöglichung einer elektronischen Fernwahl
• Das Verbot von Antritts- oder Abgangsentschädigungen
• Stimmzwang von Pensionskassen (und zwar im Sinne ihrer Versicherten)
• Jährliche Abstimmungen der Generalversammlung über die Vergütungen des Top Managements und des Verwaltungsrats
• Jährliche Wahl des Verwaltungsrats und dessen Präsidenten
Vor allem die Abschaffung des Depotstimmrechts ist ein wichtiger Bestandteil der Initiative. Bis jetzt kann das Stimmrecht an eine Bank delegiert werden, welche zwar auch im Sinne des Aktionärs stimmen kann, ohne Anweisungen dies aber im Sinne des Verwaltungsrates tut. Da an der Generalversammlung von Grosskonzernen oft nur ein kleiner Teil der Aktionäre vorhanden ist, war es praktisch unmöglich eine Abstimmung gegen den Verwaltungsrat zu gewinnen. So glich es beinahe einem Wunder, als die UBS GV die Décharge für die Geschäftsleitung für das Jahr 2007 abwies, dies war aber auch nicht mehr als eine unverbindliche Geste.
Der Gegenvorschlag des Parlaments hat gewisse Punkte der Initiative verwässert und sieht an vielen Orten eine (freiwillige) statuarische Änderung der Wahlen und Abstimmungen vor. Dies wäre aber nur wieder im Sinne des Verwaltungsrats und der Manager, welche somit ein paar Jahre mehr Zeit hätten, walten und schalten zu können, ohne Rechenschaft vor den Inhabern der Firma abzuliefern.
Schlussendlich haben die Aktionäre als Inhaber über den Status ihrer Firma zu entscheiden. Falls sie hohen Vergütungen zustimmen, ist dass ihr Problem, da somit weniger Geld für ihre Dividende und das Eigenkapital der Firma übrig bleibt. Es ist aber ganz sicherlich nicht das Problem der Bevölkerung, welche dann das Gefühl haben muss, gross bei diesen Vergütungen mitreden zu wollen. Wenn man mit den hohen Vergütungen nicht einverstanden ist, dann soll man diese Firma nicht unterstützen und auch keine Dienstleistungen davon beziehen.
Deshalb gilt es nun die Abzockerinitiative voll und ganz zu unterstützen und den weichen Gegenvorschlag des Parlaments zu bodigen. Nur mit der Initiative können die Aktionärsrechte richtig und dauerhaft gestärkt werden. Vielleicht führt das später auch zu einem Einsehen auf den Teppichetagen der Konzerne, sodass sich solche Geschichten wie der LIBOR-Gate nicht allzu schnell wiederholen.