Manchmal ist es schon lustig, was uns mit schlichten Werbeslogans eingetrichtert wird. Wenn man jetzt ganz unverbindlich fragt, wer denn einer der berühmtesten Comichelden der Welt ist, kommt man wahrscheinlich auf Superman, oder Batman. Vielleicht sogar Spider-Man, oder neuerdings auch Captain America. Doch die amerikanischen Superhelden sind nicht der Anfang der Comicgeschichte. Bereits 1929 erblickte der vom belgischen Zeichner Herge erfundene Reporter Tim und sein verdammt smarter kleiner Knuddelhund Struppi das Licht der Comicwelt und entwickelte sich tatsächlich zu einem der beliebtesten und bedeutendsten Figuren der europäischen Comickultur. Nun hat sich Steven Spielberg dieses Monstrum aus Superlativen geschnappt und verfilmt. Und das Ergebnis ist – gelinde gesagt – beeindruckend.
Tim ist ein aufgeweckter junger Reporter, der stets neugierig auf der Suche nach einer packenden Story durch die Weltgeschichte wandert. Eines Tages findet er auf einem Flohmarkt das Modell eines alten Schiffes – der Einhorn. Zunächst ist er nur von dessen Detailreichtum und Schönheit verzaubert. Doch als er es kaufen will, tauchen gleich zwei fremde Männer auf, die das Modell um jeden Preis haben wollen. Tim bleibt hart und behält das Schiff. Kaum zu Hause angekommen, erwacht bereits die Neugier und Tim versucht, heraus zu bekommen, was es mit dem Schiff auf sich hat. Als dann noch eingebrochen wird und das Model verschwindet, weiß er, es muss sich um ein großes Geheimnis handeln. Die Spur führt zu den Haddocks, einem altehrwürdigen Geschlecht echter Seebären, doch der einzige noch lebende Vertreter der Familie ist verschwunden und der merkwürdige Herr Sakharine hat irgendwas mit der ganzen Geschichte zu tun. Ehe es sich Tim versieht, ist er in ein aufregendes und gefährliches Abenteuer verstrickt.
Bei all den Comicverfilmungen, die am laufenden Band erscheinen, kann man schnell den Überblick verlieren, ganz zu schweigen vom Interesse. Für viele ist der neue Spielberg also wahrscheinlich lediglich nur ein weiterer Comicfilm unter vielen. Doch gibt es einen Unterschied. Spielberg hat nicht umsonst die Finger von all den Superhelden gelassen, die derzeit im Expressverfahren und nach Schema F auf die Leinwand flattern. Spielberg hat sich eine ganz besondere Vorlage ausgesucht und sie auch in etwas ganz besonderes verwandelt. Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat er keine neue Story für den Film erfunden, sondern hält sich eins zu eins an die papierne Vorlage. Die Rechnung dahinter ist ganz einfach. Die Dramaturgie und Spannungskurve, die schon in Comicform funktioniert hat, funktioniert auch auf der Leinwand. Hier wird nichts hinzu gedichtet und es werden auch keine krampfhaften Storykapriolen vollführt, nur um etwa möglichst viele Figuren zu zeigen, obwohl diese in der Vorlage noch lange nicht auftauchen. Im Gegenteil; man lässt sich sogar relativ viel Zeit, die Figuren dieser Geschichte zu etablieren und auszubauen. Die Charaktere sind natürlich recht einfach gestrickt und behalten ihre comichafte Natur. Das ist natürlich auch dem Look des Films geschuldet. Die ersten Trailer ließen vermuten, es handele sich um eine Realverfilmung. Allerdings ist alles – also wirklich alles am Computer entstanden. Die zahlreichen, nicht unbekannten Schauspieler mimen die Figuren mit Hilfe der immer besser entwickelten Motion-Capturing-Technik, die man seinerzeit sehr eindrucksvoll bereits an Gollum bestaunen durfte. Kein Wunder also, dass Andy Serkis auch wieder mit von der Partie ist und den bärbeißigen, aber herzensguten Kapitän Haddock spielt. Das ganze Verfahren wurde soweit perfektioniert, dass man vor Staunen den Mund nicht zu bekommt. Es sieht wirklich alles unglaublich toll aus. An vielen Stellen fühlt man sich sogar genötigt, Vergleiche zu Camerons „Avatar“ zu ziehen. Tricktechnisch liegen Tim und Struppi in diesem Vergleich sogar eine Nasenlänge vorn.
„Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn“ macht großen Spaß und Spielberg und Jackson haben es nicht nur vollbracht, eine schöne Adaption einer bekannten Comicgeschichte zu basteln, sie haben ihren ganz typischen Stil mit eingebracht und mehr als einmal kommt – sagen wir mal – Indy-Feeling auf. Die Bilder sehen geil aus. Also wirklich geil. So geil, dass man sich fragt, ob es mit echten Schauspielern und echten Kulissen nicht noch geiler ausgesehen hätte. Mal sehen, was der zweite Teil bringt. Der kommt irgendwann in den nächsten Jahren, müsste konsequenter Weise „Der Schatz Rackhams des Roten“ heißen und diesmal unter Regie von Peter Jackson entstehen.
The Adventures Of Tintin – The Secret Of The Unicorn (USA, 2011): R.: Steven Spielberg; D.: Jamie Bell, Andy Serkis, Daniel Craig, u.a.; M.: John Williams; Offizielle Homepage
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