Ich habe das Buch vorzeitig beendet, weil ich, ganz ehrlich, nicht weiß, was es mir bringen soll.
Das Thema – ich sage bewusst Thema – ist nach dem mexikanischen Krieg angesiedelt. Indianer massakrieren Weiße und Mexikaner auf unglaublich grausame Weise, wobei wir das zum Glück nicht mitbekommen (zumindest nicht in dem von mir gelesenen Teil), sondern erst anhand der aufgefundenen modernden oder skelettierten Leichen erfahren, zu welchen entsetzlichen Abgründen die Menschen fähig sind. Desgleichen andersherum, Freischärler und Skalpjäger aller Couleur massakrieren die Indianer und tragen getrocknete Ohren, Skalps und anderes als Schmuck mit sich herum, verzieren die Sättel mit Menschenhaut und knüpfen Zaumzeug aus Menschenhaar.
Alles klar, ich weiß es. Ich weiß es ab Seite 1, welche wilde Zeit das war, es vergeht keine Zeile ohne Gewalt; auf dem Weg zum Klo, im Saloon, egal wo. Und so setzt es sich fort und fort, wir verfolgen die Reise eines namenlosen jungen Mannes (so um die 17 oder 19, so genau habe ich das dann nicht mehr mitbekommen), und es bleibt immer nur bei dem Thema. Ich weiß, wie es anfängt, ich weiß, wie es endet, ohne vorblättern zu müssen, und ich weiß demnach auch, was in der Mitte passiert. Eine Handlung gibt es nicht, auch keine Geschichte, der Junge treibt so dahin, ohne sich Gedanken zu machen, ohne ein Ziel zu haben.
So ist das Thema ganz gewiss historisch interessant für eine Kurzgeschichte, meinetwegen sogar bis 60 Seiten, aber man ist eigentlich schon weit vorher durch damit. Ich erfahre angeblich, wie die Welt im amerikanischen und mexikanischen Westen damals war, und glaube es trotzdem nicht. Ich glaube nicht, dass da kein einziger Mensch ein Leben oder Gefühle hat, dass alles nur aus brutaler Gewalt, Hunger und Armut besteht. Und wenn es so war, muss ich das nicht wieder und wieder auf fast 400 Seiten durchkauen, ich habe irgendwann alle verstümmelten Leichen gesehen. Ich bin auf jeder Seite genauso weit wie vorher, die extreme Distanz – und die extreme Situation – schafft es nicht, irgendetwas bei dem beschriebenen Schrecken zu empfinden. Das ist eine Millionen Lichtjahre weit entfernte fremde, noch dazu in der Übersetzung unverständlich beschriebene Welt und betrifft mich nicht.
Der Autor schafft es schlichtweg nicht, mir etwas zu erzählen. Denn der Junge, aus dessen Perspektive wir alles erleben, reflektiert nichts, er ist emotional komplett abgestumpft und vegetiert nur dahin, er bringt schon mit jungen Jahren jemanden auf brutale Weise um (ohne sein Leben zu verteidigen, wohlgemerkt), ohne mit der Wimper zu zucken oder danach noch eine Sekunde Gedanken daran zu verschwenden, dass er ein Leben genommen hat. Es ist ihm egal, wie alles andere auch. Eine Entwicklung daraus gibt es nicht.
Hinzu kommt das literarische Stilmittel.
Was bei dem großartigen “The Road” hervorragend funktioniert mit spröden Dialogen ohne Anführungszeichen und Namen, da es ein Zwei-Personen-Stück ist, passt hier einfach nicht. Mal haben hier die Männer Namen, mal nicht. Auseinanderhalten kann ich keinen, sind alle gleich. Ist sehr anstrengend, zwischen Dialog und Erzählfluss zu unterscheiden, und wer grad mit wem redet.
Dazu auch noch die Übersetzung mit einer überfrachteten Masse an Fremdwörtern (die überhaupt nicht zum Inhalt passen), deren Bedeutung ich nicht nur nicht kenne, sondern die ich auch noch nie gehört bzw. gelesen habe, mit Namedropping von örtlichen Pflanzen, Tieren und Wasweißichalles, was ich nicht kenne, weil ich noch nie in Mexiko war, ohne dass jemals irgendetwas erklärt wird. Ich habe keine Ahnung, wie es dort aussieht, keinerlei Bild vor Augen.
Das ist mir zu anstrengend. Nicht dass das Buch schlecht wäre, McCarthy ist ein großer Dichter. Aber wie gesagt, diese unendliche Monotonie bringt mich nicht weiter, weder vom Philosophischen, noch vom Bildungsmäßigen, noch von der Unterhaltung her (falls man bei so einem Thema von Unterhaltung reden kann). Ich habe mich zwar bis auf Seite 80 durchgekämpft, aber nun habe ich das Gefühl, alle Details zu kennen und schließe hiermit ab, jede weitere Seite wäre ein Zeitverlust.