Did Not Finish

Von Wonseong

Wie ich an anderer Stelle schon ausführlich beschrieben habe, habe ich einen sehr klaren Standpunkt zum Thema DNF (did not finish – hat das Rennen aufgegeben). Übrigens ist hier die deutsche Sprache einmal mehr sehr offenbarend – wir haben das Rennen nicht einfach „nicht beendet“ (wie im Englischen), sondern AUFGEGEBEN! Und genau das ist die nackte Wahrheit: Ich GEBE AUF, ich gebe all meine Träume und Hoffnungen, die ich vielleicht an das Rennen hatte, auf. Peng. Weg. Unwiederbringlich.

Warum schreibe ich diesen Artikel? Naja, wie immer gibt es einen Anlass. In diesem Fall sogar gleich zwei. Der erste Anlass war bei einem der zurückliegenden Rennen, wo ein paar Missgeschicke zusammenkamen, sich ein Trassierband löste und einige Athleten wohl falsch fuhren. Ärgerlich – gewiss. Aber zwei harte Wahrheiten von mir:

  1. Schonmal was von Strecke abfahren gehört? Echt sinnvoll, lasst es Euch gesagt sein! Was macht der Deutsche Meister? Na klar, fährt die Radstrecke vor dem Rennen ab.
  2. Es sind immer die gleichen Typen. Schon in den Anfangsjahren des Triathlon – damals beim TV Überlingen – gab es immer wieder Athleten die sich verfuhren (oder sogar verliefen!). Und schon damals lernte ich, dass gewisse Menschen beim Wettkampf große Teile ihre Großhirns einfach ausschalten. Die Strecke war mehr oder weniger klar markiert…und prompt verfuhren sie sich.

Ergo: Wenn Dein präfontaler Cortex mal wieder unter Unterspannung leidet (#2), unbedingt immer immer sofort an #1 denken und die verdammte Strecke anschauen!

Wir nehmen so viel Aufwand in Kauf, bereiten uns monatelang auf ein wichtiges Rennen vor, reisen hunderte oder gar tausende Kilometer zum Rennen, übernachten, essen & trinken, sind vielleicht manchmal unausstehlich für unser Umfeld, etc. … um dann wegen eines fehlenden Trassierbands auszusteigen? Echt jetzt? Dem Ökonomen in mir rollt es die Fußnägel auf bei dem Gedanken.

Und der zweite Anlass? Na klar: Sebi in Kona. Nur mit dem Unterschied, dass ich vielleicht von einem Profi, der so lange im Geschäft ist und ansonsten so durchaus professionell, einfach mehr erwartet hätte. Und er auch mehr von sich (siehe Video-Ausschnitt unten). Er hat mich und sich selbst (und sicher viele andere Fans und Sponsoren) enttäuscht. Es ist eine Sache weit unter den Erwartungen zu bleiben wie Lionel Sanders (und andere). Aber es ist eine ganz andere Sache, sich wegen eines technischen Defekts so vollkommen aus der Ruhe bringen zu lassen. Einfach unvorstellbar für mich – auf DEM Niveau!

Und als hätten es die Inselgötter besonders böse gemeint mit Sebi, müssen sie auch noch am selben Tag einer Daniela Ryf von einer Feuerqualle Höllenschmerzen zufügen, die diese durch ihre überragende mentale Einstellung überwindet und so statt GANZ UNTEN am Ende GANZ OBEN (nicht nur podiums-technisch) zu stehen. Wie im Vorjahr bei Frodo, ist – gerade in Kona – es einfach Ehrensache, das Ding zu finishen. Aber – gut für Sebi – er hat es ja selbst am Tag darauf schon selbst erkannt. Er wird sicher noch ein paar Wochen brauchen, um das Trauma sauber zu verarbeiten. Ich wünsche ihm auf jeden Fall, dass er daran arbeitet. Diese zeit wird auf jeden Fall besser investiert sein, als noch mal ein paar Stunden mehr auf dem Bike rumzuballern…

Und auch wenn Lionel Sanders ganz sicher auch ein anderes Rennen erlebt hat, als er sich vorgestellt hat, so hat er dennoch gefinisht. Auf seinem vielgesehenen YouTube-Kanal bietet er jedenfalls jede Menge Einblicke in seine Psyche. Und ja, ich verstehe, wie einfach es ist, sich von „der dunklen Seite“ des Geistes beeindrucken zu lassen und einfach stehen zu bleiben. I’ve been there…

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