Diane Kruger brilliert in AUS DEM NICHTS von Fatih Akin

Nach der Jugendbuchverfilmung Tschick brauchte Regisseur Fatih Akin offenbar wieder eine etwas härtere Gangart. “Etwas” ist dabei allerdings ein wenig untertrieben, wenn man erst einmal am Ende von Aus dem Nichts angekommen ist. In seiner bildstarken Inszenierung hat Diane Kruger die Hauptrolle einer Frau übernommen, deren kurdischer Ehemann mitsamt gemeinsamen Sohn durch einen Bombenanschlag ums Leben kommt. In Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet, zeigt Kruger hier wirklich, wie sie einen ganzen Film recht alleine zu einem weiteren sehenswerten Eintrag in Akins Filmografie werden lässt.

Aus dem Nichts ist nach einem Song der amerikanischen Rockband Queens of the Stone Age benannt (In the Fade), dessen Sänger Josh Homme dann auch direkt den Score zum Film beigetragen hat, der mal hämmernd, mal aggressiv-melancholisch wirkt, nie aber wirklich traurig-zurückgezogen wirken möchte.

Kruger spielt Katja, die ihren fünf Jahre jungen Sohn Rocco (Rafael Santana) im Büro ihres Mannes Nuri (Numan Acar) abliefert, nur um am Abend die Trümmer vorzufinden, die von der Polizei abgesperrt worden sind. Ihr Mann und Sohn wurden durch eine Nagelbombe getötet. Während Katja in ein tiefes Loch aus Depressionen, Hass und Verzweiflung stürzt, erinnert sie sich an eine junge, blonde Frau, die ihr nagelneues Fahrrad vor dem Büro abgestellt hat ohne es abzuschließen. Mit dieser Information geht sie zur Polizei.

Katja (Diane Kruger) mit ihrem Freund und Anwalt Danilo (Denis Moschitto)

Die nehmen zwei Verdächtige fest. André und Edda Möller (Ulrich Brandhoff und Hanna Hilsdorf) sind junge Neo-Nazis, die über internationale Verbindungen in der Szene verfügen. Ihnen wird doppelter Mord vorgeworfen und sie landen vor Gericht, wo Katja auf Gerechtigkeit hofft – wie auch ein Zwischentitel des Films lautet, der diese Szenerie vor Gericht zum Hauptteil von Aus dem Nichts macht, eingebettet in einen ebenso starken Anfang und ein Ende, das Katja nach Griechenland führt.

Es könnte eine Filmszene sein, die sich auf ewig einbrennen wird. Nachdem Katja erfahren hat dass ihre Familie nicht mehr ist, schwebt die Kamera langsam durch ihre Wohnung, hin zur Badewanne, wo sie sich langsam über dessen Rand erhebt, ein Kinderspielzeug zeigt und dann auf die zerstörte Frau blickt, aus deren Armen das Blut strömt, was das Wasser langsam rot färbt. Fatih Akin hat diese Moment mit solcher Intensität gefilmt, dass es uns unweigerlich auf den Magen schlägt, die Kehle zusammenschnürt und jedwedes Gefühl des Unwohlseins aufkommen lässt.

Wir begleiten Diane Kruger durch die emotionale Hölle die ihre Figur durchlebt. Am Ende bekommt sie ihre Gerechtigkeit und man muss unweigerlich zustimmen, dass sie den einzigen Weg nimmt, der ihr zusteht und der ihrer Situation gerecht wird. So hart Fatih Akins Aus dem Nichts sein mag, so ehrlich geht er auch mit seiner Problematik um.

Neben Diane Kruger spielt Denis Moschitto ihren guten Freund und Anwalt Danilo. Moschitto ist – ebenso wie Kruger – ein Glanzlicht des deutschen Kinos, der viel zu wenig Beachtung erhält aber jede Rolle geradezu großartig absolviert. Außerdem ist er eine Konstante im deutschen Film: von Schule und Nichts bereuen über Verschwende deine Jugend, Kebab Connection bis hin zur Integrationskomödie Almanya – Willkommen in Deutschland.

Er verkörpert den guten Freund, der sich natürlich Sorgen machen muss, aber auch den Anwalt, der sich vor Gericht nicht in eine Ecke drängen lassen möchte. Er wirkt aufgebracht aber strukturiert und auf Argumente vorbereitet. Er darf eine Rede schwingen, die im Gerichtssaal Applaus erntet und ein gutes deutsches Pendant zu jeder patriotisch-triefenden Ansprache im US-Film sein könnte – nur eben in gut, so dass man selbst aufstehen und klatschen möchte.

Ulrich Tukur zeigt sich in einem kleinen Auftritt als Vater des Angeklagten und spätestens hier merkt man eines der wenigen Problemchen, das Aus dem Nichts plagt. Der Film hat sein großes Dreiergespann Kruger, Moschitto und Tukur, die vorführen, dass sie von kleineren Laien umspielt werden, die manchen Momenten nicht die notwendigen Emotionen zuführen können.

Diane Kruger brilliert in AUS DEM NICHTS von Fatih Akin

Aus dem Nichts

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Diane Kruger mit Schauspieler Ulrich Tukur, der den Vater des verdächtigten Täters spielt

Es sind Momente, in denen Schauspieler ihre Texte aufsagen, als befänden sie sich bei den Proben eines Theaterstücks, sie wirken steif und konzentriert beim auswendig Aufsagen ihrer Zeilen. In anderen Szenen wirkt die Mimik dann so theatralisch, dass man sich in einer spanischen Soap Opera befinden könnte.

Aber das sind Nebenrollen, die kommen und auch wieder gehen – wenn auch ein wenig zu oft. Das ändert nichts daran, dass Diane Kruger das Spiel ihrer bisherigen Karriere zeigt, die bisher weder klein noch unbeeindruckend verlaufen wäre.

Und Fatih Akin gibt uns mit Aus dem Nichts eigentlich drei Filme. Das Drama um die trauernde Mutter, der Gerichtskrimi und der letzte Akt, den man am besten als Revenge-Thriller bezeichnen könnte. Und alle drei Parts zusammen ergeben einen tiefen Einblick in die Seele einer Frau und die schockierende Arbeit des deutschen Gesetzes.


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