Diagnose: Autoreaktive cholinergische Urtikaria

Von Luca

Letzte Woche war ich in der Klinik und ließ eine Serie an Tests über mich ergehen.

Vorgeschichte

Ich konnte Hitze noch nie gut ab und verbrachte die meisten Sommer meiner Kindheit im kühlen Wohnzimmer. Vor zwei Jahren begann mein Körper auf Wärme mit leichtem Jucken zu reagieren. Ich weiß nicht, ob es im Sommer oder im Winter begann. Aber im Sommer nahm ich es stärker wahr. Zu Beginn war es nur selten und lediglich ein jucken. Etwa wenn ich in der Sonne saß. Mit der Zeit trat es öfter auf. Heiß duschen, Sport und bei Stress. Jede Situation bei der sich mein Körper erwärmte. Sonne und Sport meiden, lauwarm duschen und öfter mal kühle Räume aufsuchen klappte noch recht gut. Aber bei Stress machte es mir immer größere Probleme. Vor einem wichtigen Gespräch begannen erst meine Unterarme zu jucken und über die Oberarme bald der gesamte Oberkörper. Das machte mich noch nervöser und das jucken dadurch stärker. Zum Jucken kamen irgendwann noch rote Pustel/Quaddel hinzu. Schon Stiegen steigen löste einen Anfall aus. Oder wenn das Kind auf dem Arm schrie. Scharfes Essen. Sex. Wut. Stickige Luft.

Anfang dieses Jahres entschied ich mich endlich meine Hausärztin aufzusuchen. Ich hatte über die vorherigen Monaten immer wieder Fotos vom Ausschlag gemacht und vermutete nach eigener Recherche eine Urtikaria. Welche Form, war mir aber nicht klar. Die Ärztin bestätigte meine Vermutung, schickte mich weiter zu einem Hautarzt zur weiteren Abklärung und verschrieb mir täglich Abends eine Cetirizin Tablette. Das Jucken trat weiterhin auf, aber nicht mehr so intensiv. Für die weitere Diagnose entschied ich mich für Dr. Wandel in Paderborn und war mit der Wahl sehr zufrieden. Ich brauchte keinen Termin, sondern konnte direkt vorbeikommen und kam nach wenigen Minuten schon dran. Scheint aber keine Website zu haben. Dort wurden kurz meine Fotos angeschaut, die Diagnose cholinergische Urtikaria bestätigt und eine Überweisung in eine Hautklinik ausgestellt. Mir wurde die Dermatologie des Klinikum Lippe empfohlen und ich bekam einen Termin ein paar Wochen später. Beim ersten Termin musste ich eine Stunde warten, um in fünf Minuten zu erfahren, dass es sich um eine cholinergische Urtikaria handle, aber alles weitere nur stationär untersucht werden könne. Da fiel mir erst auf, dass der Hautarzt mir bereits eine Einweisung ausgestellt hat. Also dafür einen Termin ausgemacht. Soll etwa eine Woche dauern. Am Dienstag den 9. Juli 2013 war es dann soweit.

Diagnostik im Krankenhaus

Erst eine Nummer ziehen. Dafür muss man nicht unnötig herumstehen. Ging dann auch schnell über die Bühne. Weiter auf die Station. Dermatologie ist 5b. Dort war es schon etwas chaotischer. Mein Zimmer war noch nicht frei und so musste ich etwas warten. Zwischendurch einem Krankenpfleger einige Fragen zum Gesundheitszustand, Vertrauensperson und Medikamenten beantworten. Später noch einer Servicekraft die Essenswünsche mitteilen. Zwei Stunden später war ich in meinem Bett und kurz darauf stellte sich meine Ärztin vor.

Erstuntersuchung

Wieder ein paar Fragen, seit wann der Ausschlag kommt, wann, ob ich Allergien habe, irgendwelche Medikamente nehme, nahm als der Ausschlag das erste Mal kam, sonstige Veränderungen. Und noch ein paar Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Mein Allgemeinzustand wurde untersucht. Gewicht, Größe, Herztöne, Atemgeräusche. Bauch abtasten, Darmgeräusche, Lymphknoten und so weiter. 5 Ampullen Blut fürs Labor.

Weiter ging es mit der Haut. Erst eine Sichtkontrolle auf Auffälligkeiten und dann noch der Kratztest, der bereits beim ersten Termin gemacht wurde. Mit einem spitzen Gegenstand über die Haut kratzen und nach einigen Minuten schauen, wie die Haut reagiert hat.

Die Ärztin, Frau S. Yayla, erklärte mir dann den weiteren Ablauf. Bei etwa der Hälfte aller Urtikaria Fälle ist die Ursache eine Infektion und diese wird man mit einer Durchuntersuchung versuchen zu finden. Dabei wird der Patient mit mehreren Untersuchung komplett durchgecheckt. Losgehen wird es mit Röntgen. Man holt mich dann ab. Dann wurden noch die restlichen Dinge durchgegangen. Unter anderem auch ein Belastungstest, der voraussichtlich aus Stiegen steigen bestehen wird, weil die Urtikaria bei mir vor allem unter Anstrengung auftritt.

Röntgen

Krankenpfleger kam rein, sagte mir wo ich hin muss und drückte mir meine Akte in die Hand. Also machte ich mich auf den Weg ins Untergeschoss, meldete mich dort an und kam keine drei Minuten später dran. Rein in den Raum, mir wurde gesagt wie ich mich hinstellen muss, zwischendurch die Geräte angepasst und fünf Minuten später war ich wieder draußen.

Röntgen Thorax: Glatt kontruiertes Zwerchfell in regelrechter Lage und Wölbung. Costophrenische Sinus bds. frei. Die Lunge liegt allseits der Thoraxwand an. Regelrechte Belüftung aller Lungenabschnitte. Lungenstruktur- und gefäßzeichnung sind unauffällig. Das Mediastinum ist normal breit und nicht verlagert. Die Trachea ist mittelständig und glatt begrenzt. Herz- und Gefäßschatten sind regelrecht konfiguriert. Keine intrapulmonale Rundherde. Symmetrisches, altersentsprechendes Thoraxskelett.
Beurteilung: Unauffälliger Herz- und Lungenbefund

Röntgen NNH: Basale Transparentminderung des Sinus maxillaris sinister, vereinbar mit einer Sinusitis. Ansonsten unauffälliger Befund.

Röntgen Thorax in 2 Ebenen: Glatt konturiertes Zwerchfell in regelrechter Lage und Wölbung. Costrophrenische Sinus bds. frei. Die Lunge liegt allseits an der Thoraxwand an. Regelrechte Belüftung aller Lungenabschnitte. Lungenstruktur- und -gefäßzeichnung sind unauffällig. Das Mediastinum ist normal breit und nicht verlagert. Die Trachea ist mittelständig und glatt begrenzt. Herz- und Gefäßschatten sind regelrecht konfiguriert. Keine intrapulmonalen Rundenherde. Symmetrische, altersentsprechendes Thoraxskelett.
Beurteiltung: Unauffälliger Herz- und Lungenbefund.

Blut-, Harn- und Stuhlproben

Am Abend bekam ich Becher und Röhrchen, um die Proben am nächsten morgen abzugeben.

Neutrophile: 49.4%; Eos: 7.1%
Alle weiteren erhobenen Routinelaborparameter, einschließlich BB, Gerinnung, CRP, BSG, ASL, Leber- und Nierenwerte lagen im Normbereich. Schilddrüsenwerte sowie Schilddrüsen-Antikörper lagen ebenfalls im Normbereich. Die Infektions-Serologie auf Hepatitis A, B, C und TPPA war negativ, ebenso die ANA-Diagnostik.
Urikult: Kein Keinwachstum.

Atemtest

Frühstücken durfte ich nicht, Zähneputzen wurde mir auch untersagt. Stattdessen ging es in der Früh zum Atemtest. Da gab es, vermutlich von mir, ein Missverständnis und so war ich eine Stunde zu früh dort. Da ich aber da wie dort wartete und las, blieb ich direkt dort. Als die Station besetzt wurde bekam ich zuerst eine Mundspülung, schmeckte wie Mundwasser, anschließend musste ich tief einatmen, die Luft kurz anhalten und in einen Plastik/Aluminiumbeutel pusten. Dann gab es einen Becher Nährlösung für die Bakterien, welcher wohl die gleichen Geschmacksstoffe enthält wie die Vitamin C Brausetabletten. Danach wurde nochmals in einen Beutel gepustet. Das war es dann schon.

C13-Atemtest (HP): Die Messung ergab einen DOB von 6,9% (Normwert <5%).
Beurteilung: Positiver Befund, spricht für eine Helicobacter-pylori-Infektion.

Das Ergebnis bekam ich erst am nächsten Tag nach den übrigen Tests, war aber das entscheidende, wie mir gesagt wurde. Eine solche Infektion ist sehr häufig und kann Ursache für eine Urtikaria sein.

Ultraschall

Nachdem mir noch eine Ampulle Blut abgenommen wurde (und mir leicht übel wurde) ging es mit dem Ultraschall weiter. Kontaktgel auftragen und dem Patienten herumgleiten. Der Arzt war einer der wenigen, der während der Untersuchung mit mir plauderte. Brauche ich nicht, aber in dem Fall war es nett. Auch musste er die Zeit überbrücken bis das Ultraschallgerät wieder hochgefahren war nachdem der Stecker beim verschieben rausgerutscht war.

Sono-Abdomen
Leber: Gut beurteilbar, normal groß, glatte Organkontur, Unterrand spitzwinkelig, homogenes echonormales Binnenreflexmuster, unauffällige Gefäßarchitektur, keine fokalen Läsionen.
Gallenwege: Gut beurteilbar, kein Nachweis einer intra- oder extraphepatischen Gallenwegserweiterung, kein Steinnachweis, kein Hinweis auf intraluminale Raumforderung.
Gallenblase: Eingeschränkt beurteilbar, soweit erkennbar orthotop gelegen, unauffällige Wandverhältnisse, intraluminal keine pathologischen Echostrukturen, normale Organgröße.
Milz: Gut beurteilbar, Abbildungsqualität gut. Lage: normal, geringgradig vergrößert, plumpe Form, Echomuster: inhomogen. Metrik: Organgröße: 130mm.
1 akkesorische Milz: Lokalisation hilusnah, Max. Durchmesser 11mm. Form/Kontur: rundlich, Echomuster: wie das der Hauptmilz.
Rechte Niere: Gut beurteilbar, orthotope Lage, normale Organgröße, normale Form, Parenchysaum altersentsprechend, glatte Organkontur, kein Harnstau, keine Konkremente.
Linke Niere: Gut beurteilbar, orthotope Lage, normale Organgröße, normale Form, Parenchysaum altersentsprechend, glatte Organkontur, kein Harnstau, keine Konkremente.
Abdom. Lymphknoten: Soweit einsehbar, kein Nachweis vergrößerter Lymphknoten.
Magen-Darmtrakt: Keine pathologische Kokarde, sonomorphologisch keine pathologische Wandverdickung erkennbar, normale Peristaltik.
Peritoneum: Keine Aszitis.
Nicht beurteilbar: Pankreas.

Endlich duschen (war zuvor besetzt), Zähne putzen und das Mittagessen war auch schon bald da.

Urtikaria Tests

Am Nachmittag wurde getestet wie meine Haut auf unterschiedliche Umwelteinflüsse reagiert. Ich saß auf einem Stuhl. Auf den linken Oberschenkel kam eine kleine Maschine, die vibrierte und rüttelte. Auf den rechten Oberschenkel wurde ein kleiner Würfel gelegt, der mit einem Stoff, der an beiden Seiten Taschen mit Gewichten hatte, beschwert wurde. Auf den linken Unterarm kam ein Kupferrohr, welches mit heißem Wasser gefüllt war. Der rechte Unterarm bekam ein Kühlpack. Wieder einmal wurde über mein rechtes Schulterblatt gekratzt. Dann musste ich zwanzig Minuten warten. Ich nutzte die Zeit wieder zum lesen.

Der linke Oberschenkel fühlte sich eigenartig an, aber die Urtikaria trat an keiner Teststelle auf. Da es schon etwas später war, wurde der Belastungstest auf den nächsten Tag gelegt. Bis dahin solle ich die vier für mich einsehbaren Stellen beobachten und berichten, falls es noch Auffälligkeiten gab. War jedoch nichts.

Am Donnerstag Vormittag ging es mit dem Eigenserumtest weiter. Dafür wurde aus meinem Blut das Serum zentrifugiert und mir unter die Haut gespritzt, um zu sehen, wie der Körper darauf reagiert. Als Negativtest wurde die gleiche Menge Kochsalzlösung und als Positivtest Histamin gespritzt.

Die Kochsalzlösung dient als Kontrolle, wie schnell der Körper die Flüssigkeit absorbiert und das Histamin, wie eine allergische Reaktion aussieht und ob sie überhaupt stattfindet. Mein Körper reagiert leicht auf das Eigenserum, weshalb man fortan von einer autoraktiven cholinergischen Urtikaria sprach.

Hautbefund: Bei der Ganzköperuntersuchung findet sich ein Hauttyp 2 nach Fitzpatrick, Dermographismus urtikariell.

Ich glaube, dass dieser Befund zur Aufnahmeuntersuchung gehört, bin mir aber nicht sicher.

Am Nachmittag, während mich meine Frau mit Kind besuchte, musste ich 15 Minuten die Treppen hoch und runter laufen. Mein Körper begann zwar leicht zu jucken, aber kein Ausschlag trat auf. Zu meiner Überraschung. Ich zeigte der Ärztin deshalb die Fotos von vergangenen Ausbrüchen und sie meinte, dass die kleinen Pusteln typisch für die cholinergische Urtikaria seien.

HNO

Am Freitag wurde ich noch zum HNO Arzt geschickt, welcher von extern in die Klinik kam. Die wahrscheinlich schnellste Untersuchung, die ich je erlebt habe. Diese gehört nicht zur Durchuntersuchung, sondern wurde aufgrund eines Schatten beim Röntgen im Nasenbereich verordnet.

Befund: schleimige Rhinitis rechts mehr als links, sonst ohne pathologischen Befund.

Diagnose und Medikamente

Freitag mittags habe ich mein Bett vorzeitig einem neuen Patienten überlassen, weil die Station überfüllt war. Die restliche Zeit verbrachte ich im Aufenthaltsraum. Und las. Dort fand dann auch das Abschlussgespräch statt.

Diagnosen
Autoreaktive cholinergische Urtikaria L50.5
Urtikaria factitia L50.3
Helicobacter-pylori-(HP)-Infektion mit Gastritis B98.0
+ L29.7
Geringgradige Splenomegalie R16.1
Nebenmilz Q89.0
V.a. Sinusitis maxillaris J32.0
Rhinitis J30.1
Bienen- und Wespengiftallergie T63.4
Hypothyreose E03.9
Verlauf
Fokussuche bei cholinergischer Urtikaria.
Der C13-Atemtest fiel positiv aus, woraufhin wie eine Helicobacter pylori Eradikationstherapie mit Pantozol 40mg, Clarithromycin 500mg und Amoxicillin 1000mg einleiteten. Bei der physikalischen Testung zeigte sich eine Urtikaria factitia, der autologe Serumtest war positiv. Wir leiteten eine Therapie mit Cetirizin 1-1-1 ein. Im Sono-Abdomen fiel eine geringgradige Splenomegalie sowie eine Nebenmilz auf. Im Röntgen der NNH fiel eine basale Transparenzminderung des Sinus maxillaris sinister auf. In der HNO-ärztlichen zeigten sich außer der bereits bekannten Rhinitis keine Auffälligkeiten.
Sämtliche weitere Untersuchungen wie Rö-Thorax, Urinstatus und Urikult waren ohne pathologischen Befund. Die Befunde der Stuhlprobe stehen noch aus.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass folgende Foci für die Urtikaria in Frage kommen:
die Helicobacter pylori Infektion, die Rhinitis, V.a. Sinusitis maxillaris.
Wir konnten den Patienten am 12.7.2013 beschwerdefrei in die ambulante Behandlung entlassen.

Anschließend bekam ich die Medikamente für das Wochenende und am Montag ging es zum Hausarzt, um die Medikamente für die restliche Zeit verschrieben zu bekommen, da dies die Krankenhausärzt_innen nicht dürfen. Nach vier bis sechs Wochen soll ich zu einer Kontrollgastroskopie sowie eine Kontrolle bei einer HNO Ärzt_in.

Ich bin froh, dass ich das ganze endlich hinter mich gebracht habe und es einen starken Verdacht gibt sowie eine konkrete Behandlung.


CC-BY Luca Hammer (Digital Fingerprint: l0ulc6a7h6aom468m67m69eor4ka (209.85.238.24) )