Ein paar allgemeine Anmerkungen zum Dharma
Von Khenchen Könchog Gyaltsen
Es gibt acht Welten, in denen Menschen und nicht-menschliche Wesen in verschiedenen Formen existieren. Lebewesen wie Menschen und Tiere haben einen Geist und wünschen sich, glücklich zu sein. Gleichzeitig versuchen sie Leiden zu vermeiden. Der Geist (sems), der die Materie transzendiert, wird Bewusstsein (shes pa) genannt und wird auch als Kraft oder Energie (nus pa) bezeichnet. Dieser Geist hat viele Wünsche. Aber Glück kann nicht durch bloßes Wünschen erlangt werden. Das gleiche gilt für Leiden. Wir wünschen uns, nicht zu leiden. Aber allein durchs Wünschen können wir Leiden nicht vermeiden. Um also Glück zu erlangen und Leiden zu vermeiden, müssen wir uns anstrengen. Sowohl Glück als auch Leiden sind Auswirkungen. Sie hängen von Ursachen ab. Um Glück zu erlangen und Leiden zu vermeiden müssen wir auf die Ursachen achten. Obwohl Tiere auch Bewusstsein haben, verfügen sie nicht über die Unterscheidungsfähigkeit des Geistes. Aber Menschen besitzen sie. Wir Menschen haben die Fähigkeit, vorübergehendes Glück zu erlangen und Leiden zeitweilig durch materielle Güter zu überwinden. Auf dieselbe Weise können wird dieses Ziel durch unseren Geist erlangen.
Wir haben durch die moderne Wissenschaft ein hohes Maß an Wissen über die materielle Welt erreicht. Dadurch versuchen wir Glück zu erlangen und Leiden zu vermeiden. Es gibt verschiedene Methoden für unseren Geist, einen Weg zum Glück zu finden und deshalb gibt es verschiedene Religionen. Religionen haben ihren eigenen Glauben und ihre eigenen Praktiken, ihre eigene Vorstellung von diesem und dem nächsten Leben und verschiedene Methoden, um Glück zu erlangen und Leiden zu überwinden.
Unter diesen verschiedenen Religionen wurde der Buddhismus vor 2550 Jahren von Buddha Shakyamuni gegründet. Er wurde als Prinz geboren und hatte in seiner Jugend die Möglichkeit, verschiedene religiöse Systeme kennenzulernen und verschiedene Wissensgebiete zu studieren. Wegen seines hohen Lerngrades wurde er von gelehrten Gelehrten gelobt. Ebenso wurde er wegen seiner Macht und seines Reichtums als fähig und mutig angesehen. Er war stark dem Glück der Menschen verpflichtet, für die er verantwortlich war. Er wusste, wie man materielle Probleme lösen konnte, aber er erkannte die verschiedenen Arten von Leiden wie Geburt, Altern, Krankheit und Tod und er dachte, was mit ihm passieren würde, wenn er sich selbst diese Leiden erfahren würde. Daher entwickelte er eine starke Motivation, diese Art von Leiden zu lösen. Es war seine Überzeugung, dass er die Antwort nicht finden würde, wenn er in seinem Palast bleiben würde. Daher verzichtete er auf sein häusliches Leben, begab sich in die Obdachlosigkeit und entsagte. Er traf viele tugendhafte Freunde, meditierte, praktizierte und erreichte ein hohes Maß an meditativer Stabilität (ting nge ‚dzin) und verbrachte sechs Jahre damit, Askese zu üben. Im Alter von 35 Jahren erlangte er Erleuchtung. Er erkannte das Geheimnis des Bewusstseins, das jenseits des Denkens liegt.
Wie bereits erwähnt, sind wir als Menschen in dem Gefühl gefangen, nie genug materielle Mittel zu haben. Der Buddha erkannte dieses Problem und wollte es lösen. Er fand die Lösung, um das Problem unseres Geistes zu lösen. Alle Probleme unseres Geistes werden durch Unwissenheit verursacht. Durch Unwissenheit werden die belastenden Emotionen verursacht. Der Verstand ist der Hauptgrund für all unsere Probleme in der heutigen Gesellschaft. Deshalb hat der Buddha intensiv das Dharma gepredigt und das Rad des Dharma dreimal gedreht.
Im ersten Drehen des Rades des Dharma lehrte er die vier Edlen Wahrheiten und dies wird als die Wurzel des Buddhadharma betrachtet: Leiden, Ursache, Aufhören, Pfad. Es ist notwendig, Leiden zu verstehen. Es gibt drei Arten von Leiden. Das Leiden des Leidens, das Leiden der Veränderung und das allgegenwärtige Leiden der Konditionierung. Das Leiden des Leidens ist allen bekannt. Das Leiden der Veränderung resultiert aus der Bindung an das sogenannte Glück in unserer Gesellschaft. Der Grund für dieses Leiden ist, weil das Glück in unserer Gesellschaft unbeständig ist. Das vorhandene Glück ist nicht stabil und verwandelt sich deshalb in Leiden. Das allgegenwärtige Leiden der Konditionierung ist sehr subtil. Niemand ist frei von Leiden, egal ob er reich oder arm, gut ausgebildet oder ungebildet, mächtig oder ohne Macht ist. Dies ist das Leiden der Neigungen oder das allgegenwärtige Leiden der Bedingtheit.
Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere haben Methoden, sich vom Leid des Leidens zu befreien. Viele Religionen bieten Methoden an, um das Leid der Veränderung zu überwinden. Im Allgemeinen haben sich die Methoden zur Behebung von Veränderung aufgrund des hohen wissenschaftlichen Kenntnisstandes verbessert. Zum Beispiel, wenn man gesundes Essen isst, ist es gut für den Körper; wenn etwas für den Körper schlecht ist, isst man es nicht. Dies ist eine Methode, um eine Art von Leiden der Veränderung zu vermeiden. Stabilität in der Meditation des ruhigen Verweilens (zhi gnas) zu erlangen, ist die Methode, das Leid der Veränderung vollständig loszuwerden. Die Methode, um das durchdringende Leiden der Bedingtheit zu beseitigen, ist die Einheit von ruhigem Verweilen und meditativer Einsicht (lhag mthong). Der Grund dafür ist, dass dies die Methode ist, um die Ursache von belastenden Emotionen unseres Geistes zu beseitigen. Die Ursache dieses Leidens ist der Ursprung (die zweite Edle Wahrheit). Es gibt zwei Ursprünge: den karmischen Ursprung und den Ursprung von belastenden Emotionen. Der karmische Ursprung umfasst jenes Karma, das durch unseren Körper erschaffen wurden (wie Töten, Stehlen usw.), unsere Sprache (wie Lügen) und unseren Geist (wie Anhaftung, Hass und Unwissenheit). Das Ergebnis dieser Aktivitäten ist das Leiden von Samsara.
Wenn man den karmischen Ursprung und den Ursprung von belastenden Emotionen beseitigt, hat man die Beendigung (die dritte edle Wahrheit) erreicht. Es wird Beendigung genannt, weil die Ursache des Leidens von der Wurzel beseitigt wurde. Es gibt zwei Arten der Beendigung: Die sogenannte Shravaka-Einstellung und die Mahayana-Einstellung. Um eines dieser Ziele zu erreichen, muss der Weg geübt werden (die vierte Edle Wahrheit). Die Praxis des Pfades besteht aus den siebenunddreißig Faktoren der Erleuchtung (byang chub kyi phyogs sum cu rtsa bdun). Diese sind:
die vier Anwendungen von Achtsamkeit (dran pa nye bar bzhag pa bzhi)
die vier Aspekte wahrer Entsagung (yang dag par spong ba bzhi)
die vier Glieder der Wunderkräfte (rdzu ‚phrul gyi rkang pa bzhi)
die fünf Sinnesfähigkeiten (dbang po lnga)
die fünf Kräfte (stobs lnga)
die sieben Faktoren der Erleuchtung (byang chub kyi yan lag bdun)
die acht Glieder des edlen Pfades (‚phags lam gyi yan lag brgyad)
Durch die Praxis der siebenunddreißig Faktoren der Erleuchtung werden die Wirrnisse unseres Geistes gelöst werden. Die Fahrzeuge, die zu den beiden Arten der Beendigung führen, werden durch die unterschiedliche Motivationsstärke in ein niedrigeres und ein höheres Fahrzeug eingeteilt. Diejenigen mit weniger Motivation waren die Gründer des Shravakayana. Diejenigen, die mit dem Geist der Erleuchtung (Bodhicitta) umarmt sind, haben die starke Motivation, alle Lebewesen von Samsara zu befreien; Sie waren die Gründer des Mahayana.
Die Grundlage des Buddhismus ist das wechselseitig bedingte Entstehen, das im Gongchig von Kyobpa Jigten Sumgön ausführlich erklärt wird. Diese Ansicht ist kompatibel mit der modernen Wissenschaft. Im Allgemeinen kann das System des Buddhismus mit der Wissenschaft verglichen werden, da sie die ungekünstelte Natur der Phänomene behandelt. Die beständige Natur der Materie und die beständige Natur des Geistes werden im Buddhismus deutlich gezeigt. Es ist unmöglich, Leiden nur durch Analyse zu beseitigen. Um die Ursache des Leidens zu beseitigen, muss man üben. Es gibt zwei Arten von Schleier: Die grobe Verdunkelung und die subtile Verdunkelung. Durch die Beseitigung dieser zwei Verdunkelungen wird man vom Leiden befreit. Daher sind die Shedra (bshad grwa, philosophische Schule) und die Drubdra (sgrub grwa, Klausurzentrum) zwei sehr wichtige Institutionen in unserer Dharma-Aktivität. In der philosophischen Schule analysiert man und ermittelt, im Klausurzentrum übt man. Kyobpa Jigten Sumgön hat die Wichtigkeit dieser beiden Methoden tief und deutlich erklärt. Zu Lebzeiten befreite er 300.000 seiner Schüler vom Leiden und sie erlangten Nirwana. Heutzutage verschwindet diese Tradition langsam. Lamas können nicht richtig unterrichten und Schüler können nicht richtig üben. Es ist sehr wichtig, diese Tradition zu bewahren und zu fördern. Jeder Verantwortliche sollte wissen, dass dies ein entscheidender Punkt ist. Nur wenn wir diese Aufgabe erfolgreich erfüllen, können wir den Dharma an zukünftige Generationen weitergeben.
Von Khenchen Könchog Gyaltsen (2009). Übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2018). Möge es nützlich sein!