Dezember. Gedichte

Von Buchwolf

Mit folgendem Gedicht aus der Reclam-Anthologie „Dezember“ wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern ein Gutes Neues Jahr!

Erich Kästner

Spruch für die Silvesternacht

Man soll das Jahr nicht mit Programmen

beladen wie ein krankes Pferd.

Wenn man es allzu sehr beschwert,

bricht es zu guter Letzt zusammen.

Je üppiger die Pläne blühen,

um so verzwickter wird die Tat.

Man nimmt sich vor, sich zu bemühen,

und schließlich hat man den Salat!

Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen.

Es nützt nichts, und es schadet bloß,

sich tausend Dinge vorzunehmen.

Laßt das Programm! Und bessert euch drauflos!

(S. 73)

Der kleine, mit schönem Einband von Nikolaus Heidelbach gestaltete Gedichtband ist einer von zwölf, die je einem Monat gewidmet sind, und dich ich in einer putzigen Kassette zu Weihnachten geschenkt bekommen habe. Als erstes nahm ich mir den Dezember vor. Das ist ja ein besonders „gedicht-trächtiger“ Monat, mit Nikolaus, Weihnachten, Silvester, Schnee, Rauhreif und vielem mehr, was sich poetisch auswerten lässt.

Allerdings mag es für eine Herausgeberin schwer sein, hier noch Neues bieten zu können, gibt es doch vor allem Weihnachts-Anthologien wie Sand am…, nein, Schneeflocken im Gestöber. Den Herausgeberinnen dieses Bändchens, Eveline Polt-Heinzl und Christine Schmidjell, ist es gelungen, dennoch originelle und interessante Gedichte zu finden.

Besonders angesprochen haben mich Peter Huchels „Dezember“ (S. 27) oder Theodor Fontanes „Weihnachtsbrief“ (S. 36f), den er am 19. Dezember um halb vier Uhr morgens in einem Londoner Café dichtete, als er 1855 fern von der Familie weilte. Eugen Roth kommt mehrmals zu Wort, u. a. mit dem schönen Gedicht „Vor Weihnachten“ (S. 39), wo der Dichter die als Weihnachtsgeschenke gekauften Bücher bei Pfeife, Tabak und nicht wenig Kaffee schnell mal anblättert und bald in einem Gedichtband versinkt…

Weihnachten wird natürlich in zustimmenden bis ablehnenden, in hymnischen bis kritischen Gedichten besungen.

Schließlich kommt Silvester, wo mich z. B. die düstere Feen-Ballade von Annette von Droste-Hülshoff „Silvesterfei“ überrascht hat – durch ihre treffende Sprache:

Der morsche Tag ist eingesunken;

Sein Auge, gläsern, kalt und leer […].

Wie’s draußen schauert! – längs der Wand

Ruschelt das Mäuslein unterm Halme, 

Und langsam sprießt des Eises Palme

Am Scheibenrand.

(S.64)

Das letzte Gedicht ist dann das anfangs zitierte von Erich Kästner. Soll ich mir nun vornehmen, die restlichen elf Bände brav Monat für Monat zu lesen?

Dezember. Gedichte. Ausgewählt von Eveline Polt-Heinzl und Christine Schmidjell. Reclam, Stuttgart, 2013. RUB 19122. 80 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Baum im winterlichen Schlosspark Laxenburg. Ölkreide.