Albrecht Dürer: Kopftuch (gemeinfrei)
Es sind eigentlich nur zwei kurze Meldungen. Doch beide betreffen Gerichtsurteile, die den Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit dem Islam in Deutschland betreffen.
So schrieb ich heute für die externe Presse des hpd:
“Ein zehnjähriges Mädchen musste das Gymnasium verlassen, weil ihre Eltern der Auffassung waren, dass es gegen den Islam verstoße, wenn das Kind am vorgeschrieben Schwimmunterricht teilnehmen würde. Das Angebot, einen sog. “Burkini” zu tragen genügte den Eltern nicht: “Weil in dem Unterricht auch Jungen sind, die in Badehose zu sehen wären.”
So also wird das Mädchen von seinen Eltern um die Möglichkeit einer guten Ausbildung gebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Es stellte in seinem Urteil fest, dass Integration auch bedeute, dass Minderheiten sich nicht ausgrenzen.1”
Ich meine, es ist deutlich, dass ich der Meinung bin, dass hier das Elternrecht eingeschränkt werden sollte (eben so, wie es das Kasseler Gericht beschloss). Denn der Staat und die Gesellschaft dürfen nicht zulassen, dass die Möglichkeiten eines jungen Menschen deshalb beschnitten werden, weil deren Eltern der Meinung sind, dem Mädchen den Anblick von Jungen verbieten zu müssen.
Die zweite Meldung, die ich für den hpd schrieb2, behandelt den jetzt erst bekanntgewordenen Fall einer jungen Muslima, der eine Ausbildung deshalb verwehrt wurde, weil sie ein Kopftuch trägt:
“Eine junge Abiturientin aus Berlin bewarb sich bei einem Zahnarzt als Auszubildende. Der stimmt dem auch zu, fordert die junge Frau jedoch auf, das Kopftuch abzulegen. Diese weigert sich und wird daher nicht eingestellt.
Gegen diese Diskriminierung wehrt sich die Deutsch-Irakerin gerichtlich und bekam – wie erst jetzt bekannt wurde – im März diesen Jahres Recht.
“Der Zahnarzt habe gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), auch bekannt als Antidiskriminierungsgesetz, verstoßen und muss eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1470 Euro an die junge Frau zahlen.”
Interessant und ganz sicher auch diskussionswürdig ist die Begründung des Gerichtes für das Urteil: “Das Tragen des Kopftuchs sei keine ‘Marotte’, die nicht unter den Schutz der Religionsausübung fiele, sondern es handle sich um die unmittelbare Ausübung der Religionsfreiheit selbst. Das Tragen des Kopftuchs und die Religiosität der Klägerin seien eine untrennbare Einheit.”
Das Urteil wird für die deutsche Rechtsprechung eine Signalwirkung haben. Es ist das erste Mal, dass ein Gericht in dieser Angelegenheit unter Zuhilfenahme des Gleichbehandlungsgesetzes zu Gunsten einer Kopftuchträgerin entscheidet.”
Hier liegt der Fall ein wenig anders; denn die junge Frau ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits volljährig und kann und darf allein entscheiden, ob sie ein Kopftuch trägt. Hier hat das Gericht meiner Meinung nach korrekt entschieden. So wenig wie es statthaft sein sollte, dass christliche Einrichtungen die Einstellung und Beschäftigung von Mitarbeitern von deren Konfession abhängig machen sollten (und dagegen kämpfen wir via GerDiA an) sollte es im umgekehrten Falle möglich sein, dass jemand wegen seines Glaubens nicht eingestellt wird – selbst, wenn es sich um den Glauben einer Minderheit handelt.
Zum Kopftuchtragen habe ich allerdings eine etwas andere Meinung als andere, die darin grundsätzlich ein Symbol des politischen Islam sehen. Hier differenziere ich – soweit mir das möglich ist – etwas. Ich bin der Auffassung, dass erwachsene Menschen sehr wohl entscheiden dürfen, ob sie Kopftuch tragen wollen (anders ist es, wenn 10-jährige Mädchen unter das Tuch gezwungen werden).
Anhand dieser beiden Beispiele zeigt sich, dass die Gesellschaft in Deutschland noch dabei ist, ihren Weg zum pluralistischen Staat zu finden. Das geht nie ganz ohne extreme Meinungen und Ungerechtigkeiten. Aber dass dieses Thema diskutiert wird, ist ein positives Zeichen. Denn Vernunft ist immer der bessere Weg als Versuche, Abgrenzungen oder Gleichmacherei brutal durchzusetzen.
Nic
- hpd ↩
- hpd ↩