Atomkatastrophe in Japan, Krieg in Libyen, Wahlen in Sachsen-Anhalt, der plötzliche Kindstod des Eisbären Knut - am Ende einer desaströsen Woche für deutsche Kernenergie, Weltfrieden, mitteldeutsche Liberale und SPD-Chef Sigmar Gabriel brennen die Redereaktoren auch bei Anne Will wieder verlässlich durch. Sieben Tage nach dem Gau, der nicht stattfand, obwohl er schon in der vorigen Folge der Schwätzer-Soap als geschehen vorausgesetzt wurde, stellt die diesmal langbestiefelte Gastgeberin dem "letzten Konservativen" (Will) Arnulf Baring eine Phalanx an ehemaligen Kanzlergattinnen, ehemaligen VW-Vorständen, ehemaligen ARD-Korrespondenten und ehemaligen Zeitungsherausgebern entgegen. Sie alle eint das Ziel, schnell auszusteigen, gern auch unter Inkaufnahme des einen oder anderen Euro Mehrkosten. Strom darf gut sein, wenn er nur sauber ist, da sind sich alle einig, denn Kanzlergattin sein, für die ARD Nachrichten vorlesen, im VW-Vorstand sitzen und eine Zeitung herauszugeben ernährt seinen Mann, dass er sich Biostrom leisten kann.
China dagegen zeigt kein Einlenken. "Um jeden Preis", so wettert der ehemalige VW-Vorstand, setzten die dort - ebenso wie die verfluchten Inder und Amerikaner - auf Fortschritt und Wachstum. Nun sind sich alle einig, dass Deutschland ein Modell sein muss dafür, dass es auch anders geht: Man kann doch seine iPads aus China importieren, seine langen Lederstiefel aus Übersee kommen lassen und ansonsten noch ein bisschen was an der Dämmung des Sommerhauses am Meer machen.
Baring ist die Rolle des Hofnarren in dieser Runde aus konsequenten Wirklichkeitsverweigerern wie auf den Leib geschrieben. "Wir sollten uns abgewöhnen, immer die ganze belehren zu wollen", sagt er. Wollen wir doch gar nicht, schallt es zurück, wir wollen sie umerziehen! Die ehemalige Kanzlergattin war schon in Tschernobyl, sie interessiert sich nicht für Einzelheiten. Der ehemalige Korrespondent ist wankelmütig. Er wäre für den sofortigen Ausstieg, aber gegen sofortige Stromsperren. Der Franzose, der früher im VW-Vorstand saß, will mit Aussteigen in deutschland anfangen. Hier gibt es einfach weniger Kernkraftwerke als zu Hause. Und die Leute sind dagegener. "Es wäre ja schön, wenn die Welt so wäre, wie ihr sie euch denkt", ruft Baring fröhlich, "aber sie ist es nicht."
So schwenkt die Suche nach dem Super-Gau dann programmgemäß um in eine Manöverkritik der Taktik der Kanzlerin im Umgang mit japanischer Medienkrise und Nato-Angriff auf Libyen. Nun, bei den wirklichen Menscheitsproblemen, sind alle ganz nah bei sich. Nun weiß auch jeder wieder eine Lösung für die ganz großen Fragen: Profitieren die Grünen von Fukushima? Wollen die Deutschen Bodentruppen in Tripolis? Wie hält Merkel die Koalition zusammen? Wie schließt sie die Reihen vor der nächsten Landtagswahl? Schicksalswochen im Staatstheater, jetzt werden Weichen gestellt für das ganz große Immerweiterso.
Beinahe schon erster Geburtstag: Deutschlands große Suche nach dem Aschemonster