“Deutschland-Plan”: 87 Mrd. Euro verdeckte Subventionen für die Immobilienwirtschaft

“Deutschland-Plan”:  87 Mrd. Euro verdeckte Subventionen für die Immobilienwirtschaft

Einladung zum Wohnungsbau-Tag 2014

Bundespressekonferenz, eine Videobotschaft der Ministerin und Spitzenvertreter der Immobilienwirtschaft und Bauindustrie: Die ganz großen Geschütze wurden aufgefahren, um nichts weniger zu verkünden als den “Deutschland-Plan für bezahlbares Wohnen“. Im Schulterschluss mit der Gewerkschaft (IG BAU) und dem Deutschen Mietbund (DMB) und gestützt auf eine Untersuchung des Pestel-Instituts, wurde gestern ein Forderungskatalog zur Lösung der Wohnungsfrage vorgelegt. Vor allem die Ausweitung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten soll den Wohnungsbau ankurbeln und bezahlbare Mieten garantieren. Im Kern jedoch ist der “Deutschland-Plan” ein Programm für eine steuersubventionierte Rendite im Umfang von 87 Mrd. Euro.  

Von der FAZ bis zum ND haben die Zeitungen den Auftritt des Verbändebündnisses aufgegriffen und waren voll des Lobes über die breit zusammengesetzte Initaitive. Tatsächlich klingt die Argumentation der Verbände zunächst überzeugend: Wer bezahlbare Wohnungen will, muss billiger bauen und billiger gebaut werden kann nur, wenn die Kosten für die Investitionen reduziert werden. Vor allem in drei Bereichen sollen die Bedingungen für den bezahlbaren Neubau geschaffen werden: 

  • Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten verbessern: Statt der zur Zeit festgesetzten 2-Prozent-Abschreibung sollen künftig im Rahmen einer linearen Abschreibung (AfA) 4 Prozent der Investitionssumme pro Jahr abgeschrieben werden können.
  • Bauland billiger machen: Um die Ausgangskosten für Investitionen in den Wohungsbau zu senken, soll eine “Baulandpreissenkung” die Grundstückskosten um 25 Prozent absenken.
  • Günstige Finanzierungsbedingungen schaffen: Ein Zinsverbilligung um 1 Prozent soll die Kosten in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Neubau-Investoren zusätzlich reduzieren.

Im Ergebnis, so verkündet es das Verbändebündnis, sollen Mietpreise von 7,50 Euro/qm im Neubau möglich werden. In der Presseerklärung zum “Deutschland-Plan” heißt es Lösungen versprechend:

“Im Idealfall könnten die Kaltmieten in Neubauten um bis zu 4,14 Euro proQuadratmeter gesenkt werden, rechnen die Wissenschaftler des Pestel-Instituts in ihrer Studie vor. Notwendig hierfür wäre in dem Paket kombinierter Maßnahmen insbesondere die Einführung einer linearen Abschreibung (AfA) in Höhe von 4 Prozent jährlich.”

Eine Mietsenkung um über 4 Euro/qm klingt natürlich verlockend. Aber wie so oft steckt der Teufel nicht nur im Detail, sondern in falschen oder zumindest nicht zu Ende gedachten Ausgangsüberlegungen.

Soziale Blindheit des Durchschnitts:  So hilfreich der Verweis auf Durchschnittswerte auch sein mag, um zeitliche Veränderungen zu verdeutlichen oder größere statistische Einheiten miteinander zu vergleichen, so ungeeignet sind Durchschnittsannahmen für die Berechnung von differenzierten Bedarfen. Die Studie des Pestel-Instituts verweist zwar selbst auf die große Spannweite der regionalen Unterschiede bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft (also die Höchstgrenze der Wohnkosten, die von den Jobcentern für Hartz-IV-Haushalte) von 3,50 Euro/qm bis 9,00 Euro/qm – scheut sich aber nicht, die angestrebten 7,50 Euro/qm als angemessene Zielgröße für die “Kernzielgruppen” der gewünschten Wohnungsneubauten zu definieren. Der Anteil der Haushalte, die von den Beglückungen des Neubauprogramms ausgeschlossen bleiben, werden so in der Studie kleingerechnet. Wie schon die Mietpreisbremse stellt sich auch der “Deutschland-Plan” als Programm für die Mittelschichten dar und ist gerade kein Beitrag für die dringend benötigten Wohnungen zur Versorgung ärmerer Haushalte.

Ignorierte Ertragserwartung: Die Argumentation des Pestel-Instituites und auch des Verbändebündnisses verschleiert die offensichtlichen Logiken des Immobiliengeschäftes und suggeriert einen Zusammenhang von Kosten und Preis. Doch den gibt es in marktförmig organisierten Versorgungssystemen so nicht. Allein die regionalen Unterschiede von Mietpreisen in Deutschland zeigen schon, dass der Preis einer Wohnung viel stärker von der Nachfragesituation und den Ertragserwartungen der Immobilienverwerter bestimmt wird, als von den realen Kosten. Wie die im “Deutschland-Plan” vorgestellte Kostenersparnis der Investitionen an die Mieter/innen weitergegeben werden soll, wird gar nicht thematisiert. Ob mit oder ohne 4-Prozent-Abschreibung – es bleibt völlig unklar, wie ein leistbarer Mietpreis durchgesetzt werden soll. Eine kalkuliierte Kostenmiete von 7,50 Euro/qm bedeutet ja nicht automatisch, dass Eigentümer/innen auf höhere Erträge verzichten.

Verschleierte Subventionskosten in der Höhe von 87 Mrd. Euro: Ganz sicher bezieht der “Deutschland-Plan” für die Politik seinen Reiz aus dem Versprechen, ohne zusätzliche Haushaltsmittel einen sichtbaren Wohnungsbaueffekt zu generieren. Dabei wird schnell deutlich, dass höhere Abschreibungen (also: Steuererspranisse für die Investoren) und eine Absenkung der Bodenpreise letztendlich nichts anderes sind, als indirekte Subventionen. In der Beispielrechnung der Studie wird bei Anwendung der 4-Prozent-AfA (im Vergleich zur bislang geltenden 2-Prozent-AfA) für den Zeitraum von 30 Jahren von einer steuerlichen Mindereinnhame  von 540.000 Euro ausgegangen (Pestel-Institut 2014: 19). Bezogen auf die Muster-Wohnung der Studie (73 qm) entspricht das einem Steuereinnahmeverlust von 45.000 Euro. Greifen wir die Prognosen der Studie auf, denn sollen diese Abschreibungsvorteile künftig für alle Mietwohnungen gelten, die neu gebaut werden. Ausgegangen wird neben den bereits jetzt jährlich fertiggestellten 90.000 Mietwohnungen von einer zusätzlichen Bauaktivität im Umfang 30.000 bis 50.000 Mietwohnungen pro Jahr. Selbst in der zurückhaltenden Prognose von jährlich 120.000 neu erbauten Wohnungen würden sich die verdeckten Subventionen für den 30-Jahres-Zeitraum auf 5,4 Mrd. Euro summieren. Da die vorgeschlagene Regelung sicher nicht nur ein Jahr gelten soll, kommen auch im nächsten, übernächsten und  überübernächsten Jahr jeweils weiter Steuersubventionen hinzu. In der 30 Jahres-Perspektive (wie sie in der Studie vorgeschlagen wird) sind das nicht weniger als 87,3 Mrd. Euro verdeckte Subventionen, die mit dem “Deutschland-Plan” aufgerufen werden. Da sind die vorgeschlagenen “Bodenpreissenkungen” in der Höhe von etwa 10.000 pro Wohnung noch gar nicht mit eingepreist. 

Für ein Programm mit nur schwer zu prognostizierenden Effekten für die soziale Wohnungsversorgung sind 87 Mrd. Euro ein stolzer Preis. Doch der Vorschlag ist die konsequente Fortschreibung der westdeutschen Wohnungspolitik der Nachkriegszeit und versucht selbst unter den Bedingungen der Hochsubvention die Illusion des Marktes aufrechtzuerhalten. Die hier von Bauwirtschaft, Gewerkschaft und Mieterbund geforderten Steuergeschenke für Investoren haben letztendlich die Aufgabe, trotz schwieriger Marktlage die Renditeerwartungen privater Investoren zu sichern. Mit dem Wissen um das regelmäßige Versagen des Marktes bei allen sozialen Aspekten der Wohnungsversorgung wäre es angesichts der offensichtlich bestehenden Subventionsbereitschaft angesagt, über die Ausweitung eines marktfernen und auch dauerhaft sozialen Wohnungsbestandes nachzudenken.



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