Frankfurter Rundschau: Juraprofessor Payam Akhavan über Terror und Folter in seiner früheren Heimat Iran – und was der Westen dagegen tun kann. Im Fall der drohenden Hinrichtung Sakineh Aschtiani soll der iranische Menschenrechtsrat angeblich über eine Begnadigung nachdenken.
Herr Akhavan, Sie werfen der internationalen Gemeinschaft schwere Fehler gegenüber dem Iran vor. Warum?
Seit der Grünen Revolution im Sommer 2009 hat sich die Menschenrechtslage im Iran dramatisch verschlechtert. Der Aufstand war ein demokratischer Tsunami, der das Regime verwundbarer gemacht hat. Und jetzt reagiert es mit Terror und Folter. Die internationale Gemeinschaft müsste darauf mit gezielten Sanktionen gegen Verantwortliche antworten.
Sanktionen gibt es doch bereits.
Aber nur wegen des Atomkonflikts. Die UN haben das Einfrieren von Konten und Reisebeschränkungen für Personen beschlossen, die in Irans Nuklearindustrie verstrickt sind. Aber es gibt faktisch keine Sanktionen gegen die, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Wer muss aktiv werden?
Vor allem Deutschland und die EU, die wegen ökonomischer Interessen zögern. Deutschland ist der größte Handelspartner des Iran nach den Vereinigten Arabischen Emiraten, die EU als ganze ist der größte Handelspartner Teherans. Da gäbe es immense Möglichkeiten, Iran unter Druck zu setzen. Aber leider ist noch nichts passiert. US-Präsident Barack Obama hat kürzlich Sanktionen gegen acht iranische Offizielle verfügt, darunter Kontensperrungen. Das wäre der richtige Weg.
Was macht Sie so sicher, dass Sanktionen helfen würden?
Nehmen Sie die Mykonos-Affäre, bei der 1992 in Berlin vier iranische Aktivisten ermordet wurden. Bis dahin waren schon 300 iranische Dissidenten in Europa ermordet worden, fast nie gab es Prozesse. Die Mykonos-Täter aber wurden 1997 verurteilt, erstmals wies der Richter auf die Verstrickung der iranischen Führung hin. Und plötzlich stoppte das Morden.
Sie haben ein Projekt mitgegründet, das den Druck erhöhen will: das Iran Human Rights Documentation Center. Wie arbeitet es?
Inspiriert wurde ich dazu durch meine Arbeit als Ankläger des Den Haager Jugoslawien-Tribunals. In Jugoslawien hat man gelernt, dass Stabilität in der Region nicht möglich ist, solange die Verantwortlichen für den Genozid an der Macht sind. Dasselbe gilt für den Iran. Das Documentation Center hat da eine ähnliche Funktion wie das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal oder die Wahrheitskommission in Südafrika: Es soll dem Volk offenlegen, welche Grausamkeiten geschehen sind. Daraus wächst der Ruf nach Gerechtigkeit.