Die Ereignisse überschlagen sich. Jeden Tag liest der Blogger neue Nachrichten zur
"Bundeswehr light". Noch ist nicht alles fixiert, was Guttenberg will, aber da seine Militärreform ein kleines politisches Lehrstück ist, will sich der Blogger einer ersten kleinen Zwischenbilanz nicht verweigern.
Angestossen wurde ich durch die bemerkenswerte Feststellung der rheinland-pfälzischen CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Christian Baldauf: "Guttenberg hat uns allen plausibel geschildert, das die Bundeswehr in ihrer jetzigen Form nicht nur am Abgrund, sondern schon im Abgrund steht".
Wow! Wer hätte so was gedacht, wo das deutsche Militär doch jahrzehntelang das absolute Hätschelkind dieser Partei war, das noch jede Haushaltssparrunde ohne angetastet zu werden, überstanden hat. Haben denn die Goldbetressten auf der
Hardthöhe und die gutbezahlten MdBs im Verteidigungsausschuss jahrelang geschlafen und ohne unser Wissen unsere Armee vor die Wand gefahren?
So oder so: Fakt ist, dass unser Land es erst der CDU+FDP und später auch der SPD zu verdanken hat, dass wir den Dinosaurier Bundeswehr über zig Jahre mit uns rumschleppen mussten. Diese große Koalition hat das Thema Soldatenreduzierungen und Abrüstung zu den letzten großen Tabutthemen unserer Republik erklärt.
Und nun kommt ein solcher Kommentar gerade aus Rheinland-Pfalz, wo der frühere Innenminister Rudi Geil vor 20 Jahren von der Opposition Monat für Monat als "Rudi Ratlos" verspottet wurde, weil sich gegenüber den amerikanischen Militärplanungen in seinem Land als völlig ignorant erwies und erst durch Militäranalytiker (wie den Blogger) mittels öffentlicher US-Dokumente auf den Teppich gebracht werden musste.
In der Tat, es hat sich allerhand geändert in der jetzigen Diskussion.
Hier ein paar Meilensteine:
Der Generalinspekteur muss offiziell und öffentlich eingestehen, dass das meiste Geld für die grossen Rüstungsprojekte in der Vergangenheit zum Fenster rausgeworfen wurde ("Zu teuer, zu spät, zu uneffizient" so die Beurteilung des Rüstungsbeschaffungswesens durch GI Wieker in seinem Bericht an das Bundeskabinett).
Sicherheit für Deutschland ist - entgegen was uns die große Pro-Bundeswehr-Lobby in der Politik immer eintrichtern wollte - sehr viel billiger, mit sehr viel weniger Soldaten und mit sehr viel weniger Rüstung zu erreichen: Ein Drittel weniger U-Boote, keine Eurofighter in der Luft mehr - kein finsterer Feind Deuschlands irgendwo in der Welt reagiert mehr auf so was. Die Bundeswehr kann also ruhig noch viel kleiner und abgespeckter werden.
Interessant wie sich nun die Diskussionsfronten verschieben. Die SPD, früher ja mal als Friedenspartei angetreten, versucht Guttenberg militärisch zu überholen und kritisiert dessen Bundeswehr-light Modell, wo sie sich doch früher - allerdings vor vielen vielen Jahren, Brandt lässt grüssen - gerade für Entmilitarisierung in Deutschland stark gemacht hatte. Die Gewerkschaften wollen da nicht hinten anstehen und malen schon den Untergang Deutschlands an die Wand, nur weil so ein aberwitziges Rüstungsprojekt wie das
Talarion (unbemanntes Militärflugzeug) endlich und mit gutem Grund vom Tableau der Bundeswehrplanung verschwindet.
Und dann noch der Aufschrei in den Garnisonsstädten und die Forderung nach Kompensationen für die - natürlich kommenden - Kasernenschließungen. Ja, was war es so bequem, die in den Militärstandorten vorhandenen Liegenschaften und Soldaten als unverrückbare Größe zu betrachten. Aber all die, die jetzt nach Berlin pilgern, um doch ja "ihren" eigenen Standort als völlig unverzichtbar zu deklarieren, haben offenbar vom Abzug der ausländischen Truppen im Rahmen der Wiedervereinigung nullkommanix gelernt.
Auch damals sprach man von lokalen "Katastrophen", mit Tränen verschwanden die
Militär-Patenschaftsbanner der örtlichen Standortfanclubs in die Heimatmuseen. "Unser liebes Panzerbataillon", so "innig verbunden mit dieser Stadt", und ach so "fest verankert in der Bevölkerung" - mit einem Federstrich in Paris, London und Washington ging die nette Ära der militärisch-zivilen Kumpanei ganz plötzlich zu Ende.
Aber das keinesfalls zum Schaden der jeweiligen Städte und Gemeinden! Klug planende Bürgermeister nutzen die damalige Gunst der Stunde: Neue Gewerbeflächen, oft durch die vorherige militärische Nutzung schon optimal infrastrukturiert, wurde den Kommunen oft von zivilen neuen Nutzern regelrecht unter der Hand weggerissen.
Große, nun überflüssige militärische Trainingsflächen in Wäldern und in der offenen Natur wurden endlich für die zivile Bevölkerung zur Erholung und Tourismus frei. Kein unerträglicher Lärm mehr durch Schießübungen und in der Stadt rumknatternden Panzern. Keine Staus durch
Militärkonvois, die zugunsten irgendwelcher undurchsichtiger Manöver mit längst überflüssigen Szenarien ("Starke Kräfte von Land Rot haben im Morgengrauen die deutsche Grenze bei Bebra überschritten"...) von irgendwelchen Komandanten von einem Ort zum anderen (und wieder zurück...) dirigiert wurden.
Also, den jetzt zeternden Garnisons-Stadtverwaltungen, die sich vor der Abrüstung so fürchten, sei ins Stammbuch geschrieben:
Das konntet ihr doch alles schon lange lange vorher wissen, dass es mit dieser verfetteten, überbezahlten, überpersonalisierten und rüstungsüberdimensionierten deutschen Armee nicht ewig so weiter gehen kann. Warum habt ihr denn nicht die
reichhaltige Literatur zur Konversion mal aufmerksam gelesen, um euch für den Abrüstungstag X vorzubereiten?
Jetzt ist es reichlich spät für Konversionpläne zu euren Liegenschaften und auch etwaige Duz-Freundschaften zu Guttenberg, vielleicht im Münchner Bierzelt irgendwann mal aufgebaut, werden dafür nicht hilfreich sein.
Der Ex-Generalinspekteur selber rechnet mit rund 150 Standortschließungen. Bei zur Zeit rund 400 Standorten heisst das: jede dritte Garnison wird geschlossen werden - mindestens. Mitte nächsten Jahres werden Guttenbergs Pläne Wirklichkeit werden: "Abrüstung in Deutschland - jetzt!"