Deutschland – Ein RÜCKständiges Land?

 

„Wir sind Papst!“ jubelte Deutschlands meistverkauftes Satireblatt am 116. Geburtstag des bis dato bekanntesten Exportschlagers europäischer Geschichte. An jenem 20. April 2005 wurde aus Joseph Ratzinger plötzlich Benedikt XVI. Der gängige Bildleser war interessiert, auch wenn er bisher nur Rocky IV. und Terminator II. in seinem Kulturschatz wusste. Mancher erinnerte sich auch noch zurück an Pate III., womit eine Verbindung in den Hirnwindungen zum Vatikan erschaffen werden konnte. „Benedikt XVI? Ich hab Teil 1 bis 15 noch nicht gesehen! Oder ist das so wie bei Ocean’s XI?“ Viele römische Zahlen, die den Springerkonsumenten überforderten. Doch die Bild rief auf zur Euphorie und an dieser nahm man teil.
Heute dann der große Schock: Der Papst gab seinen Rücktritt bekannt und möchte am 28. Februar offiziell das letzte mal im Vatikan pünktlich ausstempeln. Ist auch nicht unklug, bekommt er so immerhin noch den ganzen Monat bezahlt. Wir haben also nun gelernt, dass bei Päpsten anscheinend eine Kündigungsfrist von zwei Wochen gegeben ist.
Benedikt Ratzinger erklärte auf Latein, dass er eine erhebliche Belastung des Amtes verspüre, die ihn zu dieser Entscheidung bewegte. Doch im Grunde genommen ist es nur ein Symptom für die neue deutsche Geschichtsepoche, in der wir uns befinden: Der großen Zurücktreter.
Als Repräsentant für Deutschland wurde er wegen des „D“ auf seinem Personalausweis anerkannt, wohl mehr bei uns als im Ausland. Amt- und Würdenträger der Gegenwart neigen vor den Augen der Welt seit geraumer Zeit zu gleichwertigen Entscheidungen. So zum Beispiel unsere letzten beiden Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff, welche beide sang- und klanglos zurücktraten: Bei Köhler im eigentlichen Bezug der Umschreibung und bei Wulff sang und klang eine Bundeswehrkapelle beim großen Zapfenstreich los, also im wörtlichen Sinne.
Und zog sich nicht auch Ex-Verteidigungeminister Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg zurück, als ans Tageslicht kam, dass er abgeschrieben hatte? Bei seinem Namen doch wohl kein Wunder, werden 75 % des Denkvermögens allein dafür genutzt, um sich den eigenen Namen merken zu können.
Jetzt jedoch kann sich auch ein Guttenberg nicht mehr fortbilden, um eigene Schlüsse ziehen zu können und vor seinen vielen feiertagsbasierenden Namen das Wort „Doktor“ stehen zu haben. Bundesbildungsministerin Annette Schavan selbst schrieb nämlich fleißig ab und repräsentiert somit ein Bildungssystem, welches auf Spicken basiert. So wird das nichts mit der Bildung und dahingehend bedient sich der gemeine Pöbel weiterhin an den ersten vier Buchstaben Wortes „Bildungslücke“. „Wir sind Weltmeister!“ wird wohl auch so schnell nicht mehr auf das Boulevard-Revolverblatt gedruckt werden, ist die deutsche Nationalmannschaft seit Jahren dafür bekannt, kurz vor dem Finale von der Offensive in die Defensive zurückzutreten.
Das Ganze sollte man jedoch nicht negativ betrachten, immerhin kann das permanente Zurücktreten auch zu etwas guten führen: Rücktritt aus der Versorgung durch Atomenergie! Rücktritt aus der Nato! Rücktritt im Gleichschritt von international agi(ti)erenden Bundeswehrtruppen! Rücktritt aus der Währungsunion! Rücktritt aus der EU! Rücktritt vom Eurovision Song Contest! Also für die allgemein vorgekauten Meinungen neoliberaler Denkmaschinen heißt die Parole: „Fortschritt durch Rücktritt“.

 


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