Mehr Einigkeit und Recht und Einstimmigkeit war nie als nach dem mühevollen Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Spiel um Platz 3 bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Verzaubert habe die Löw-Truppe, die nur noch "Jungemannschaft" genannt werden darf, nicht nur die Heimatfront, sondern den ganzen Globus, multikulturell wie nie und ausgestattet mit völlig undeutschen Tugenden wie Spielwitz und Fußballfröhlichkeit, lobt die Fachpresse, eine "Wahnsinns-WM" (SZ) habe die Jungemannschaft gespielt, der nun "die Zukunft gehört" (Netzer, Delling, Merkel), geschlagen habe sie sich nur den Spaniern geben müssen, die noch mehr Spielwitz und Ballsicherheit und Teamspiel verkörpere, weshalb sie bekanntlich "die beste Mannschaft der Welt" sei, wie die FAZ nach Spielschluß entdeckte, und deshalb einfach nicht habe geschlagen werden können wie das die Schweizer zuvor geschafft hatten.
Der Bundespräsident Christian Wulff zögerte denn auch nicht lange: Jogi Löw, der das Team zusammengestellt und Ausfälle ausgeglichen habe, werde mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, die Spieler der Mannschaft bekommen zur Medaille für den dritten Platz das Silberne Lorbeerblatt, auf dass sie mit neuer Kraft ausziehen, in zwei Jahren bei der EM und in vier Jahren bei der nächsten WM alles noch besser machen können.
Legendenbildung bei der Arbeit, Deutschland, ein Lügenmärchen, wie Albert Ostermaier schon zur Halbzeit des Turniers prophezeite. Obwohl die Fehler und Verfehlungen, die Mannschaftsleitung und Spieler in Südafrika lustig aneinanderreihten, offen zutage liegen, findet eine öffentliche Fehlerdiskussion nicht statt. Niemals zuvor war eine deutsche Nationalmannschaft so lange titellos geblieben wie zwischen 1996, als Deutschland zum letzten Mal Europameister wurde, niemals war eine deutsche Elf so oft hintereinander so nah am ganz großen Erfolg - um ihn am Ende doch immer wieder zu verpassen.
Der Trend zeigt dabei, entgegen allem, was aus den Schlagzeilen dagegen spricht, nicht etwa steil nach oben, sondern langsam nach unten. 2002 noch holten die Rumpelfüßler des später vom Hof gejagten Rudi Völler noch den Titel des Vizeweltmeisters, 2006 reichte es nur noch zu Platz 3, das Finale der EM 2008 ging verloren, auch 2010 sprang nach drei begeisternden, zwei durchschnittlichen und zwei schlechten Spielen nur Rang 3 heraus.
Das mediale Echo daheim aber klingt dennoch geradezu euphorisch: „Unsere Leistung entspricht einem Titel“, lobt sich Joachim Löw selbst, längst ist der Mann, der noch nichts gewann, "Mehr als ein Bundestrainer" (Die Zeit), Deutschland spiele "auf dem besten Niveau der Welt", jubelt der "Focus", was dem Team fehle, sei nur noch ein bisschen Spanien mehr, flunkert der
"Stern".
Die Iberer nämlich seien einfach "jahrelang eingespielt", lautet ein wie gemeißelt im Raum stehender Satz, der sich um Wahrhaftigkeit kümmert wie ein Schlangeölverkäufer im Soukh von Timbuktu. Denn die deutsche Mannschaft, die sich im WM-Halbfinale apathisch von den Spaniern abschlachten ließ, ist das nicht weniger: Sechs Spieler, die 2010 auf dem Platz standen, waren auch schon Stammspieler bei der WM 2006 - genausoviele wie bei Spanien. Auch im Vergleich mit dem EM-Endspiel sind beide Teams auf Augenhöhe: Neun Spanier, die 2010 gegen Deutschland siegten, siegten auch schon 2008 gegen eine deutsche Mannschaft, in der acht Spieler standen, die 2010 wieder verloren. Wäre der deutsche Kapitän Michael Ballack nicht verletzungsbedingt ausgefallen, hätten beide Trainer neun Spieler aus der Begegnung von vor zwei Jahren erneut aufgeboten. Sieben Spieler des FC Barcelona, fabuliert der "Stern" unter phantasiereicher Einbeziehung des Stürmers David Villa, der erst nach dem Turnier zu den Katalonen wechseln wird, hätten gegen Deutschland in der spanischen Startformation gestanden. "Jeder kennt den Laufweg des anderen", beschreiben die Experten der Qualitätsillustrierten, "man weiß, wie der Mitspieler in bestimmten Situationen reagiert." Das wussten die sechs Spieler des FC Bayern, die an diesem Tag auf deutscher Seite eingesetzt wurden, in keinem Moment.
Doch das Gerücht vom Spanier, der einfach eingespielter sei und deshalb habe gewinnen müssen, hält sich. Wie auch die Behauptung, dass die "Jungedeutschemannschaft" Müller-Hohenstein) allein aufgrund ihres niedrigen Durchschnittsalters einen Blankoscheck für die Zukunft besitzt. Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wird das Durchschnittsalter des deutschen Aufgebots mit 25 angegeben, lag es für die Stammelf schon bei 25,47 Jahren. Kein großer Unterschied zur WM-Elf von 2006, die 26,45 Jahre alt war - ein Jahr jünger als das Team der Niederlande, die mit 27,7 Jahren ins Finale einzieht. Und ein halbes Jahr älter als das Finalaufgebot der Spanier anno 2010.
Alter entscheidet im Fußball gar nichts, wie ein Blick auf die Altersstatistik der Endrunde in Südafrika zeigt. Paraguay und Japan kamen mit eher alten Mannschaften weit, Nordkorea und Kamerun schieden mit jungen Spielern früh aus.
Die mediale WM-Bilanz der Leitmedien hält dennoch an der Imagination fest, Jugendlichkeit und gemischte Herkunft seien eine Art Garantie für die automatische Erfüllung der wieder und wieder beschworenen Sommermärchen-Träume in zwei oder vier Jahren.
Dabei ist Schmuh erlaubt und Analyse nicht gestattet. Dass vor Khedira, Özil und Boateng schon anno 2002 etwa Asamoah und Neuville in der Nationalmannschaft spielten und 2006 mit Odonkor, Klose, Neuville und Podolski nur zwei Integranten weniger auf dem Feld standen als 2010 im Auftaktspiel gegen Australien (Auswechslungen inklusive), tut der Multikulti-Mär ebensowenig Abbruch wie die Tatsache, dass seit der WM 1994 nie weniger ostdeutsche Spieler im DFB-Aufgebot standen als diesmal.
Nur keine Fehlerdiskussion im fröhlichen Spiel um die größtmögliche Verklärung des mit Millionenaufwand organisierten Ausfluges zum Kap. Galt früher bedingungslos, dass andere schön spielen, aber am Ende eben doch die Deutschen gewinnen, berauscht sich der Erklärungsmainstream damit, die Großauftritte gegen ein überfordertes Australien, ein angeschlagenes England und ein ohne Trainer auflaufendes Argentinien pars pro toto für die neue Weltmachtstellung der DFB-Elf zu nehmen. Dass da kein Spieler war, der gegen Spanien das Signal zum Gegenhalten gab, dass da über vier Wochen keine Einwechslung Erfolg brachte, dass Löw nach langer Beobachtung erst auf Badstuber setzte und nach einem Fehler auf Boateng umschwenkte, dass Gomez gesetzt blieb und Marin früh aussortiert wurde, dass Scout Urs Siegenthaler noch vor dem Spanienspiel genau wusste, wie es werden würde, dann aber kein Rezept gefunden wurde - was nicht ins Lügenmärchen passt, das von diesem Ausritt nach Afrika bleiben wird, verschwindet, als ob es nie gewesen wäre. „Wir Holländer spielen jetzt wie früher die Deutschen“, beschreibt der niederländische Schriftsteller Leon de Winter sein Leid mit dem neuen Ergebnis-Fußball der Elftal. Mag sein, dass sein Leid nach dem Finale gelindert ist.Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen. Meinen aber etwas völlig anderes.
Der Bundespräsident Christian Wulff zögerte denn auch nicht lange: Jogi Löw, der das Team zusammengestellt und Ausfälle ausgeglichen habe, werde mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt, die Spieler der Mannschaft bekommen zur Medaille für den dritten Platz das Silberne Lorbeerblatt, auf dass sie mit neuer Kraft ausziehen, in zwei Jahren bei der EM und in vier Jahren bei der nächsten WM alles noch besser machen können.
Legendenbildung bei der Arbeit, Deutschland, ein Lügenmärchen, wie Albert Ostermaier schon zur Halbzeit des Turniers prophezeite. Obwohl die Fehler und Verfehlungen, die Mannschaftsleitung und Spieler in Südafrika lustig aneinanderreihten, offen zutage liegen, findet eine öffentliche Fehlerdiskussion nicht statt. Niemals zuvor war eine deutsche Nationalmannschaft so lange titellos geblieben wie zwischen 1996, als Deutschland zum letzten Mal Europameister wurde, niemals war eine deutsche Elf so oft hintereinander so nah am ganz großen Erfolg - um ihn am Ende doch immer wieder zu verpassen.
Der Trend zeigt dabei, entgegen allem, was aus den Schlagzeilen dagegen spricht, nicht etwa steil nach oben, sondern langsam nach unten. 2002 noch holten die Rumpelfüßler des später vom Hof gejagten Rudi Völler noch den Titel des Vizeweltmeisters, 2006 reichte es nur noch zu Platz 3, das Finale der EM 2008 ging verloren, auch 2010 sprang nach drei begeisternden, zwei durchschnittlichen und zwei schlechten Spielen nur Rang 3 heraus.
Das mediale Echo daheim aber klingt dennoch geradezu euphorisch: „Unsere Leistung entspricht einem Titel“, lobt sich Joachim Löw selbst, längst ist der Mann, der noch nichts gewann, "Mehr als ein Bundestrainer" (Die Zeit), Deutschland spiele "auf dem besten Niveau der Welt", jubelt der "Focus", was dem Team fehle, sei nur noch ein bisschen Spanien mehr, flunkert der
"Stern".
Die Iberer nämlich seien einfach "jahrelang eingespielt", lautet ein wie gemeißelt im Raum stehender Satz, der sich um Wahrhaftigkeit kümmert wie ein Schlangeölverkäufer im Soukh von Timbuktu. Denn die deutsche Mannschaft, die sich im WM-Halbfinale apathisch von den Spaniern abschlachten ließ, ist das nicht weniger: Sechs Spieler, die 2010 auf dem Platz standen, waren auch schon Stammspieler bei der WM 2006 - genausoviele wie bei Spanien. Auch im Vergleich mit dem EM-Endspiel sind beide Teams auf Augenhöhe: Neun Spanier, die 2010 gegen Deutschland siegten, siegten auch schon 2008 gegen eine deutsche Mannschaft, in der acht Spieler standen, die 2010 wieder verloren. Wäre der deutsche Kapitän Michael Ballack nicht verletzungsbedingt ausgefallen, hätten beide Trainer neun Spieler aus der Begegnung von vor zwei Jahren erneut aufgeboten. Sieben Spieler des FC Barcelona, fabuliert der "Stern" unter phantasiereicher Einbeziehung des Stürmers David Villa, der erst nach dem Turnier zu den Katalonen wechseln wird, hätten gegen Deutschland in der spanischen Startformation gestanden. "Jeder kennt den Laufweg des anderen", beschreiben die Experten der Qualitätsillustrierten, "man weiß, wie der Mitspieler in bestimmten Situationen reagiert." Das wussten die sechs Spieler des FC Bayern, die an diesem Tag auf deutscher Seite eingesetzt wurden, in keinem Moment.
Doch das Gerücht vom Spanier, der einfach eingespielter sei und deshalb habe gewinnen müssen, hält sich. Wie auch die Behauptung, dass die "Jungedeutschemannschaft" Müller-Hohenstein) allein aufgrund ihres niedrigen Durchschnittsalters einen Blankoscheck für die Zukunft besitzt. Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wird das Durchschnittsalter des deutschen Aufgebots mit 25 angegeben, lag es für die Stammelf schon bei 25,47 Jahren. Kein großer Unterschied zur WM-Elf von 2006, die 26,45 Jahre alt war - ein Jahr jünger als das Team der Niederlande, die mit 27,7 Jahren ins Finale einzieht. Und ein halbes Jahr älter als das Finalaufgebot der Spanier anno 2010.
Alter entscheidet im Fußball gar nichts, wie ein Blick auf die Altersstatistik der Endrunde in Südafrika zeigt. Paraguay und Japan kamen mit eher alten Mannschaften weit, Nordkorea und Kamerun schieden mit jungen Spielern früh aus.
Die mediale WM-Bilanz der Leitmedien hält dennoch an der Imagination fest, Jugendlichkeit und gemischte Herkunft seien eine Art Garantie für die automatische Erfüllung der wieder und wieder beschworenen Sommermärchen-Träume in zwei oder vier Jahren.
Dabei ist Schmuh erlaubt und Analyse nicht gestattet. Dass vor Khedira, Özil und Boateng schon anno 2002 etwa Asamoah und Neuville in der Nationalmannschaft spielten und 2006 mit Odonkor, Klose, Neuville und Podolski nur zwei Integranten weniger auf dem Feld standen als 2010 im Auftaktspiel gegen Australien (Auswechslungen inklusive), tut der Multikulti-Mär ebensowenig Abbruch wie die Tatsache, dass seit der WM 1994 nie weniger ostdeutsche Spieler im DFB-Aufgebot standen als diesmal.
Nur keine Fehlerdiskussion im fröhlichen Spiel um die größtmögliche Verklärung des mit Millionenaufwand organisierten Ausfluges zum Kap. Galt früher bedingungslos, dass andere schön spielen, aber am Ende eben doch die Deutschen gewinnen, berauscht sich der Erklärungsmainstream damit, die Großauftritte gegen ein überfordertes Australien, ein angeschlagenes England und ein ohne Trainer auflaufendes Argentinien pars pro toto für die neue Weltmachtstellung der DFB-Elf zu nehmen. Dass da kein Spieler war, der gegen Spanien das Signal zum Gegenhalten gab, dass da über vier Wochen keine Einwechslung Erfolg brachte, dass Löw nach langer Beobachtung erst auf Badstuber setzte und nach einem Fehler auf Boateng umschwenkte, dass Gomez gesetzt blieb und Marin früh aussortiert wurde, dass Scout Urs Siegenthaler noch vor dem Spanienspiel genau wusste, wie es werden würde, dann aber kein Rezept gefunden wurde - was nicht ins Lügenmärchen passt, das von diesem Ausritt nach Afrika bleiben wird, verschwindet, als ob es nie gewesen wäre. „Wir Holländer spielen jetzt wie früher die Deutschen“, beschreibt der niederländische Schriftsteller Leon de Winter sein Leid mit dem neuen Ergebnis-Fußball der Elftal. Mag sein, dass sein Leid nach dem Finale gelindert ist.Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen. Meinen aber etwas völlig anderes.