Deutschland, deine Großen Gewächse oder die ewige Mär vom Terroir

Von Peterladinig @PeterLadinig

Ein Gastbeitrag von Thommy Witteck von VICAMPO.de zum Thema Terroir

Dieser Tage las man im Internet viel Begeisterndes über die Großen Gewächse des Jahrgangs 2012 in Deutschland. Markus Vahlefeld an Bord von Deutschlands wohl tiefgründigster Online­Weinberichterstattung, dem Captain Cork Blog, meldet jedoch seine Zweifel an, was den Lagencharakter so mancher deutscher Premier Cru Weine anbetrifft. Und ich persönlich bin da ganz bei ihm. Aber sowas von! Er spricht sich aus für eine Zusammenfassung dieser trockenen Speerspitze deutscher Winzerkunst in folgende Kategorien: Fruchtweine, Konzeptweine und tatsächliche Lagenweine. Also nicht mehr, wie bislang üblich, in Kategorien gemäß ihrer Lagen und Herkünfte.

Hintergrund ist seine Beobachtung bei Verkostungen, dass zu viele Winzer mit Aromahefen und einigen anderen erlaubten Methoden aus der Trickkiste des Winzers Weine entweder als vordergründige Fruchtbomben dastehen lassen, oder als Weine, die sich einem Konzept unterwerfen, siehe die Barrique­Rieslinge von Starweingut Von Winning aus der Pfalz. Es gebe zwar noch Weine, wo der Winzer dem Wein den Freiraum lasse, mit natürlichen Hefen ohne großes Zutun ein Abbild seiner Herkunft und des Klimas in einem Weinjahr zu sein. Jedoch seien diese Weine keine guten Performer in ihrer Jugend, und zeigten ihre wahre Stärke oft erst Jahre später, und erhielten so von den Verkostern nur durchschnittliche Punktewertungen. Als Liebhaber von echtem Terroirwein müsse ein solcher Winzer durchaus ein dickes Fell haben.

Auch sei durch den Verschnitt von überaus reifen Partien mit früh geernteten Partien aus demselben Weinberg ein gemachter Wein die Folge, der zwar alles habe, die Frische einer prägnanten Säure und den reifen und cremigen, viskosen Botrytiseinschlag, der aber erst spät oder gar nie zueinander finde. Meine Meinung: Das ist wie ein Equalizer, bei dem man alle Regler maximal aufdreht. Das Resultat ist ein fetter, lauter Sound, der jedoch die feinen Nuancen einer Musikaufnahme vollkommen überdeckt. Nichts anderes passiert derzeit mit den Weinen, welche den deutschen Weinbau an der Spitze repräsentieren sollen. Und feinsinnig arbeitende Idealisten und ihre natürlichen, naturnahen Weine mit leiser Harmonie und Tiefe werden verkannt.

Für mich ein weiterer Schritt in Richtung der Coca­Cola Weine, wie sie aus Übersee den deutschen Markt überschwemmen. Kurzweiliger Weingenuss ohne Nachhaltigkeit. Weine, die schon auseinanderfallen, wenn man sie nur anguckt. Und wehe, wenn man sein Glas mal fünf Minuten stehen lässt. Die Frucht verfliegt, und müde Tristesse bleibt zurück. Was soll der Weinliebhaber mit öligen, phenolbitteren, süßsauersalzigen Fruchtbomben, die noch nicht mal gut reifen – bei denen man vergebens darauf wartet, dass sich die Feinheit einstellt, die Kritiker ihnen andichten. Die Firn werden, bevor sie gut werden – und exitus! Die passen zu keinem Essen, widerstreben jeder Speise­-Wein­-Kombination, drängen sich in den Vordergrund, ohne solo überhaupt Trinkfreude zu bieten. Das Ergebnis sind Monsterweine mit vielen Parkerpunkten oder sonst welchen Punkten im Gepäck, die als Flaggschiff für die Wertigkeit eines ganzen Winzer­Sortiments stehen sollen.

Dabei haben diese sich ständig wandelnden, oft übel gelaunten Diven selten etwas mit dem Stil der übrigen Range eines Weinguts gemein. Nur gut, dass alle Welt auf diese Weine starrt, von denen viele gar nie jemals auf den freien Markt gelangen. Grund: Es gibt zu wenig Flaschen von diesen Weinen. Es sind Weine von Winemakern für Weinkritiker, die sich in dieser elitären Luftblase selbst feiern. Langeweile pur und für den Weinliebhaber vollkommen uninteressant.

Mein Tipp: Kabinett – oder neuerdings Ortsweine kaufen. Diese kosten selten mehr als 10 Euro je Flasche und bieten unverfälschten Weingenuss jenseits von Megalomanie oder Anmaßung.

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