Wenn ich mir die Situation im Profiboxen in Deutschland so ansehe, dann müsste ich eigentlich so anfangen: In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, bedeutete der Titel des Deutschen Meisters etwas, so wie heute noch beim Fußball. Wenn ich an Deutsche Meister jener Zeit dann denke, so fallen mir Boxer ein wie der tapfere Kämpfer Lothar Abend (Federgewicht), der von mir so geschätzte Willy Quator (Leichtgewicht), der Serienmeister Gustav Eder (Weltergewicht), Dieter Hucks mit seinem Tigersprung, der spätere Weltmeister Eckhard Dagge, mein Liebling Peter Müller, die Legende Gustav Scholz, der später verarmte und vergessene Hans Stretz (alle Mittelgewicht), der Nachkriegsboxer schlechthin – Gerhard Hecht, der unglückliche Adolf Heuser, der früh verstorbene Willi Hoepner, der unvergessene Erich Schöppner, unser Größter – Max Schmeling (alle sechs im Halbschwergewicht), der große Jürgen Blin, der legendäre Franz Diener, der spektakulär kämpfende Heinz Neuhaus, der blonde Tiger Walter Neusel, und der lange Gerhard Zech (alle im Schwergewicht). Dies sind nur die, die mir spontan einfielen und mir bei einem kurzen Blick in eine Liste ins Auge sprangen.
Und welche amtierenden Deutschen Meister nach Version BDB fallen mir ein? Nur zwei: Andreas Sidon (46 Kämpfe, 35 Siege, 29 durch KO, 10 Niederlagen, 5 durch KO), der Deutsche Meister und Yakup Saglam (27 Kämpfe, 27 Siege, 24 durch KO), der Internationale Deutsche Meister im Schwergewicht. Andreas Sidon wollte dann der BDB aber den Titel aberkennen und die Lizenz entziehen, woraufhin er den Verband verklagte und noch immer 256.999,59 Euro an entgangenen Börsen fordert.
Aber es gibt noch mehr Deutsche Meister: Muzaffer Tosun (International Deutsche Meister im Leichtgewicht), Mohammed Lassoued alias Maurice Weber (Deutscher Meister im Junior-Mittelgewicht), Roman Aramian (Internationale Deutsche Meister im Supermittelgewicht) und Aleksy Kuziemski (Internationale Deutsche Meister im Halbschwergewicht). Im Fliegengewicht, Bantamgewicht, Superbantamgewicht, Federgewicht, Superfedergewicht, Junior-Weltergewicht, Weltergewicht, Mittelgewicht und Cruisergewicht gibt es überhaupt keine Deutschen Meister mehr. Von den 28 Deutsche Meister Titeln sind nur 6 vergeben. Deutlicher kann man die Bedeutung des Titels Deutscher Meister gar nicht illustrieren.
Wir leben nicht in Zeiten, in denen das Wünschen hilft, aber ich wünsche mir trotzdem einen deutschen Boxverband, der kleine und große Veranstalter gleichermaßen vertritt, dessen Ranglisten die Leistungen der Boxer wiedergeben, bei dem sich die Gebühren für Sanktionierungen und Veranstaltungen nach der Größe der Veranstaltung und der Größe des Veranstalters richten, der sich selbst auch an das eigene Regelwerk hält, bei dem jedes Mitglied nur eine Stimme hat, das Stimmrecht bei Wahlen nicht gekauft, übertragen und verschenkt werden kann. Ich wünsche einen Verband, der respektvoll mit seinen Mitgliedern umgeht, der keine rassistischen Entgleisungen duldet und der Ringärzte, Ring- und Punktrichter heranzieht, die verantwortungsbewusst und unvoreingenommen ihre Aufgabe erfüllen.
© Uwe Betker