Deutsche Telekom: Nur noch ein Netz für alle Anbieter?


Zugegeben, die Überschrift ist provozierend, aber der Trend ist klar: Der künftige Netzausbau scheint für einen Anbieter alleine nicht mehr “bezahlbar” zu sein. Die Datenmengen explodieren, aber die Kunden sind nur sehr bedingt oder absolut gar nicht bereit, wesentlich mehr als vorher für ihre Kommunikation zu bezahlen.

Hochleistungsrechner von T-Systems

Ohne Netz und Technik geht nichts (Foto Deutsche Telekom)

Die Folgen sind spürbar: In den USA hat die Deutsche Telekom kürzlich ihr Problemkind T-Mobile USA für schlappe 39.000.000.000 US$ (ca. 28.000.000.000 €) an den Marktführer AT&T verkauft. Zwar verwenden die beiden bisherigen Konkurrenten teilweise unterschiedliche Funktechnik, aber für die Zukunft könnten die vorhandenen Frequenzenlizenzen sinnvoll miteinander kombiniert und besser ausgenutzt werden, sofern die Gerätehersteller dafür passende Multinorm-Multiband Geräte ins Programm aufnehmen.

In Europa sind Meldungen aufgetaucht, wonach Deutsche Telekom und France Telecom ernsthaft darüber nachdenken, ihre Netze zusammenzulegen, wo immer das geht. Aus den internationalen Märkten hört man bereits ähnliche Überlegungen, etwa bei der künftigen LTE-Technologie. Am Ende könnte eine reine Netzbetreibergesellschaft entstehen, die ein Netz aufbaut und dann (hoffentlich diskriminierungsfrei) an alle Mitbewerber untervermietet.

Damit fällt natürlich ein wesentliches Verkaufsargument weg: Die Netzverfügbarkeit und deren Qualität. Wir erinnern uns: Bis heute wählen viele Kunden ihren Anbieter schlicht nach dessen Netzausbau. Wenn Netz A in Kleinkleckersdorf geht und Netz B geht dort nicht, ist doch klar, welches Netz der Kunde wählt. Das kann im Idealfall dazu führen, daß Netz B ganz schnell sein Netz weiter ausbaut, um auch dort Kunden zu gewinnen, das nennt man Wettbewerb.

Dieses Unterscheidungsmerkmal würde künftig wegfallen. Am Ende bliebe also nur noch der Minuten- oder Datenpaketpreis übrig, oder das “kostenlose” Handy oder Gutscheine, Bonuspunkte oder was auch immer, die Angebote werden immer ähnlicher und verwechselbarer. Der Preisdruck durch “virtuelle Netzanbieter”, die übers Internetprotokoll eigene Dienste aufsetzen und dem Kunden gar nicht mehr verraten, welches Funknetz sie verwenden, kommt dazu. Nachhaltig wäre anders.

Ok. Aus frequenz- und umweltökonomischer Sicht macht so ein gemeinsames Netz schon eher Sinn. Wo bisher bis zu 4 Antennenstandorte (für jeden Anbieter eine) auf den Dächern sich drängen, wären es künftig (theoeretisch) nur noch eine, wenn aber dieser Standort ausfällt, wären künftig alle Anbieter betroffen. Bislang kann es gut sein, daß ein Netzbetreiber ein paar Ecken weiter seinen eigenen Standort betreibt, der von einer Störung bei der Konkurrenz nicht betroffen ist.

Für strahlungssensible Bürgerinitiativen könnte ein Standort für alle eher tolerabel sein. Viele argumentieren heute, daß wir doch schon genügend Sender hätten, wenn ein dritter oder vierter Anbieter sein Netz verdichten will.

Im übrigen glauben viele Mobilfunkkunden, daß ein Netz “einfach da” ist, oder noch drastischer, daß alle Netze gleich gut oder gleich schlecht seien, weswegen sie nur nach dem Preis schielen.

Die Folge: Netz und Technik wird bei den meisten Anbietern nur noch als lästiger Kostenfaktor gesehen, nur ohne Netz und Technik (und das fachkundige Personal, das sein Netz selbst bis ins Detail kennt) geht nun einmal gar nichts. Das muß man den Kostenrechnern und Aktienakrobaten immer und immer wieder klar machen. Das könnte man sogar in Euro und Cent ausrechnen, wenn man die Sache ganzheitlich betrachtet.

Ob am Ende der Mega-Deal in den USA am Ende wirklich zustande kommt, wird man in einem Jahr wissen. Noch könnten die Kartellbehörden ein “No go” verkünden, bei AT&T gibt man sich aber siegesgewiss. Nicht alle in den USA sind glücklich, insbesondere Kunden haben Angst, daß es am Ende nur noch ein Duopol (AT&T gegen Verizon) geben könnte, was sicherlich nicht zu so stark sinkenden Preisen führen würde, wie sich das mancher Kunde dort wünscht.

Bei Kundenservice und Netzqualität gilt AT&T teilweise als “gruselig”, wir Europäer leben da offenbar in einer heilen Welt, zumindestens noch… Im Internet haben sich die Gegner der Fusion schon auf Facebook versammelt und tauschen dort ihre Argumente aus.

Der dänische Marktforscher und Hohepriester der Mobilfunkdiscounter-Strategie John Strand wirft der Deutschen Telekom vor, “versagt” zu haben, dabei hätte sie durchaus das Know-How aus Europa verwenden können, um T-Mobile in USA zum Laufen zu bringen, etwa mit der von Simyo & Co. bekannten “Challenger”-Strategie. Was John Strand dabei vielleicht übersehen hat, daß T-Mobile USA immer eine eigene Welt war, die mit der europäischen Sichtweise wenig anfangen konnte und wollte und die USA schon rein flächenmäßig um einiges größer als Europa ist. Eine vernünftige US-Netzabdeckung hätte – murmelt man – rund 8.000.000.000 Euro kosten sollen und wäre dann immer noch nicht so gut wie hierzulande gewesen. Hinzukommt, daß T-Mobile das iPhone in den USA nicht anbieten kann, weil sie teilweise abweichende Frequenzbänder verwenden, die das aktuelle iPhone weder in der GSM/UMTS- noch der CDMA-Variante ausreichend beherrscht.

Der Traum vom Telekommunikationsweltreich eines Ron Sommer war zu seiner Zeit durchaus nachvollziehbar, aber die Zeiten haben sich geändert. Die Börse hat den Verkauf mit einem Kursanstieg der Telekom-Aktie “belohnt”. Mal sehen, in welche neuen Projekte und Produkte die Telekom ihre Einahmen investieren wird.

Eins bleibt sicher: Ein wesentlicher Faktor der kommenden Gigabit-Gesellschaft wird eine echte (und keine marketingmäßig geglaubte) flächendeckende Netzabdeckung und Qualität sein!

Schlagwörter: AT&T, Deutsche Telekom, Flächendeckung, iPhone, Netzausbau, Netzqualität, Randall Stephenson, René Obermann, Ron Sommer, T-Mobile, T-Mobile USA


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