Deutsche Bahn: Prestigeprojekte statt Personenverkehr (für Ossis)

Von Modesty

Am Wochenende brachte die Berliner Zeitung einen interessanten Artikel über den Zustand der Bahnstrecken nach Osten. Als erfahrener Bahnfahrer weiß ich: Der ist auf den meisten Strecken sehr schlecht.

Auf vielen Strecken sind die Züge heutzutage langsamer als vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Strecke Berlin-Breslau ist sogar wieder auf den Stand von 1881 – damals wie heute brauchen die Züge knapp sechs Stunden für die 350 Kilometer lange Stecke. In den 30er Jahren schaffte der Fliegende Schlesier die Verbindung in zweieinhalb Stunden. Der Grund für die lange Fahrzeit: Hinter Cottbus sind 50 Kilometer Bahnstrecke bis zur polnischen Grenzen nicht elektrifiziert – dafür hat die Bahn angeblich kein Geld. Deshalb muss zwei Mal die Lok gewechselt werden – dabei ist auf polnischer Seite die Trasse bis Breslau komplett elektrifiziert und saniert worden. Auch zwischen Berlin und Stettin gibt es eine Lücke von 30 Kilometern, die nur Dieselloks befahren können.

Reisen mit der Bahn: Zu Zeiten der Dampflokomotiven ging vieles schneller.

Schon eigenartig, dass ein vernünftiger Ausbau hier nicht möglich sein soll, weil ein paar Millionen fehlen, wo für Prestigeprojekte wie den Berliner Hauptbahnhof oder Stuttgart 21 Milliardenbeträge vorhanden sind. Als weiteres Beispiel wird die Strecke Berlin-Tallinn über Warschau, Vilnius und Riga genannt. Vor dem Krieg schafften Dampflokomotiven die 1700 Kilometer in 27 Stunden. Heute brauchen die Züge 35 bis 40 Stunden.

Doch man muss gar nicht so weit in den Osten wollen: Man muss nur mal versuchen, einen Ausflug nach Rheinsberg zu unternehmen. Da kann man während der Fahrt in Ruhe Gänseblümchen pflücken. Auch nach Usedom sind Reisende von Berlin aus vier Stunden unterwegs. Immerhin ist der Berliner Senat dafür, die traditionelle Bahnverbindung in die ehemaligen Kaiserbäder auf der Ostsee-Insel wieder aufbauen. Das würde die Fahrtzeit um die Hälfte verkürzen. Allerdings ist der Wirtschaftsminister Peter Ramsauer von der bayrischen CSU skeptisch, ob sich das lohnt, obwohl Studien die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes belegen, das mit 140 Millionen Euro im Vergleich zu den anderen Bahnprojekten der vergangenen Jahre geradezu ein Schnäppchen ist. Denn nicht nur Urlauber würden von der Strecke profitieren, sondern auch der Güterverkehr in den Osten. Aber Investitionen in den Güterverkehr auf der Schiene ist ja ohnehin out.