Deutsche Allianz für Kanonenboot-Politik

Als ich auf der World Socialist Web Site vor einigen Tagen auf den Artikel von Peter Schwarz Deutsche Industrie und Regierung planen Kriege um Rohstoffe stieß, fand ich diesen so interessant, dass ich keine Kosten und Mühen gescheut habe, mir die entsprechende Ausgabe des Handelsblattes selbst zu besorgen.

Es ist wirklich bemerkenswert, wie unverblümt das Wirtschaftsmagazin über “Deutschlands neuen Kurs” berichtet, der in Wirklichkeit durchaus kein neuer Kurs ist – so fühle ich mich keineswegs zufällig an Wilhelm II und seinen Drang nach Weltgeltung erinnert, mit dem er Deutschland unter anderem auch einen Platz an der Sonne, also in den Kolonien, sichern wollte. Drei Punkte werden herausgestellt:

- Regierung macht sichere Versorgung zur Chefsache
- Die Bundeswehr wird auf neue Aufgaben vorbereitet
- Bisherige Abkommen reichen der Wirtschaft nicht aus

Der Leser erfährt in dem mehrere Seiten langen Special, dass die Sicherung der Rohstoffversorgung für die deutsche Industrie der Bundesregierung “ein Herzensanliegen” und Kanzlerin Angela Merkel über die “Zersplitterung der außen- und sicherheitspolitischen Interessen” unzufrieden sei. Deshalb ist es nur logisch, dass die Bundeswehr sich künftig lieber um die “Risken und Bedrohungen” kümmern soll, die sich “aus der Verknappung oder Engpässen bei der Versorgung mit natürlichen Ressourcen und Rohstoffen” ergeben. Das steht ja schließlich auch in den “Verteidigungspolitischen Richtlinien” von 2011. Für die Sicherung von Zugang und Nachschub an Bodenschätzen wird die Marine aufgewertet, auch schnelle Eingreiftruppen und sowie Aufklärungs- und Transportkapazitäten sollen ausgebaut werden. Es ist auch die Anschaffung von zwei Joint Support Ships geplant, die wie schiffsförmige Festungen aussehen und mit Hubschraubern bestückt für eine eindrückliche “Demonstration politischen Willens” sorgen können.

So soll ein Joint-Support-Ship aussehen. Ausschnitt aus dem Handelsblatt vom 18. Februar 2013

So soll ein Joint-Support-Ship aussehen. Ausschnitt aus dem Handelsblatt vom 18. Februar 2013

Wie ist der damalige Bundespräsident Horst Köhler 2010 noch von der Presse verprügelt worden, weil er im Deutschlandradio Kultur folgendes von sich gab: “Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.”

Die Opposition überschlug sich damals noch mit schriller Kritik – dabei hat Köhler doch nur ausgesprochen, was tatsächlich deutsche Politik ist. Wo war die denn Opposition als der BDI vor einem Jahr die Allianz zur Rohstoffsicherung gegründet hat?

Diese Allianz wird von folgenden deutschen Unternehmen finanziert: Aurubis, BASF, Bayer, BMW, Chemetall, Daimler, Evonik Industries, Georgsmarienhütte Holding, Bosch, Stahl-Holding-Saar, ThyssenKrupp und Wacker Chemie. Unentgeltlich unterstützt wird sie von der Boston Consulting Group, Egon Zehnder, Hogan Lovells und PricewaterhouseCoopers. Als offiziellen Zweck gibt der BDI an: „Die Allianz hat den Aufbau von Beteiligungen an Rohstoffprojekten zum Ziel, um die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen zu verbessern.”

Geschäftsführer der Allianz ist der Ex-Eon-Vorstand Dierk Paskert. Paskert fordert „eine strategisch ausgerichtete Außenwirtschafts- und Sicherheitspolitik“, um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen zu gewährleisten. Andernfalls sei der Industriestandort Deutschland und Europa insgesamt in Gefahr.

Bemerkenswert ist, dass Paskert meint, man müsse sich zwar vom „Ziel freier und transparenter Rohstoffmärkte“ lenken lassen, „es wäre aber naiv, dies in naher Zukunft als gegeben anzunehmen“. Die Entwicklung sei „leider genau gegenläufig“. Das wollte ich doch von einem Wirtschaftslobbyisten schon lange mal gehört haben – Märkte sind eben nicht frei und transparent, sondern ein verworrenes Konglomerat verschiedenster Interessen, in denen derjenige gewinnt, der seinen Interessen am nachdrücklichsten Geltung verschafft. Global gesehen sind das derzeit die USA, deshalb haben die ja auch überall Militärbasen, wo es für die heimischen Märkte etwas zu holen gibt. Auf die Präsenz des US-Militärs im persischen Golf, aber auch auf den massiven Ausbau der chinesischen Seestreitkräfte weist dann auch Paskert hin – denn das diene eben auch der reibungslosen Rohstoffversorgung der heimischen Industrie.

Genau deshalb müsse Deutschland „gemeinsam mit unseren Partnern in der EU und Nato noch mehr Verantwortung in Außenwirtschafts- und Sicherheitsfragen übernehmen“. Was das heißt, dürfte klar sein – die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Besser hätte ich auch nicht titeln können. Ausschnitt aus dem Handelsblatt vom 18. Februar 2013

Besser hätte ich auch nicht titeln können. Ausschnitt aus dem Handelsblatt vom 18. Februar 2013



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