Liebe Leserinnen und Leser!
Es ist wieder Freitag. Freitags machen wir immer einen Ausflug nach Frankreich. Heute möchte ich Ihnen berichten, wie es zu meiner Leidenschaft für Frankreich kam und Ihnen meinen ganz persönlichen Lieblingsfranzosen vorstellen.
Am 22. Januar 1963 wurde der Elysée-Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland unterzeichnet. Das war der Beginn einer wunderbaren, inzwischen 50 Jahre andauernden Freundschaft, die die ehemaligen “Erbfeinde” Deutschland und Frankreich dauerhaft und eng zusammengebracht sowie Europa einen bis daher nicht gekannten Frieden geschenkt hat.
Im Januar 1963 hat mich dies, zugegeben, nicht sonderlich interessiert oder beeindruckt. Was man mir verzeihen möge. Ich lag, wie man so sagt, schließlich noch mehr oder minder in den Windeln. Meine Passion für Frankreich entflammte durch eine warmherzige und mutige Französischlehrerin, durch die ich nicht nur die französischen Verben deklinieren lernte, sondern mit der wir im Unterricht ebenfalls die Chansons von Edith Piaf schmetterten. Noch heute muss ich, wenn Je ne regrette rien und La vie en rose im (französischen) Radio gespielt wird, immer mitsingen. Die Piaf möge mir verzeihen.
Natürlich habe ich in der Zeit, in der meine ganz persönliche französisch-deutsche Freundschaft andauert, ebenfalls viele Französinnen und Franzosen getroffen, von denen mir einige ans Herz gewachsen sind. Einen ganz bestimmten möchte ich allerdings nicht mehr missen.
Mein Lieblingsfranzose entstammt aus dem südlichsten Zipfel der Bretagne und war in einer sanft geschwungenen Bucht heimisch, an der sich das Wasser bei Ebbe fast bis zum Horizont zurückzieht.
Bucht des Campingplatzes le Moulin de l’Éclis
Wilde Austern und Miesmuscheln wachsen an den die Bucht begrenzenden Felsen. In den Tümpeln, die die Flut zurücklässt, spiegelt sich die Sonne. Wenn diese über der Bucht untergeht, veranstaltet sie ein großartiges Naturspektakel.
Sonnenuntergang an der Bucht des Campingplatzes le Moulin de l’Éclis
Mein Lieblingsfranzose lebte also dort an der Bucht von Assérac mit seiner alleinerziehenden Mutter und einer Schwester, die ihm allerdings überhaupt nicht ähnlich ist. Wir sind uns durch Zufall begegnet, wussten aber vom ersten Augenblick, dass es zwischen uns beiden “gefunkt” hatte. Coup de coeur nennt mein Lieblingsfranzose das. Kein Wunder, dass wir beide uns gleich so nah waren, denn wir haben einiges gemeinsam: Wir teilen die Passion für gutes Essen, mögen die Natur, gehen gern spazieren, sind an französischer Literatur interessiert und schätzen Freundschaften.
Mein Lieblingsfranzose ist außerdem sehr charmant. Das ist in einem Land, in dem die Herren den Damen oft noch galant die Türen aufhalten und man selbst auf der Straße mit Bonjour Madame gegrüßt wird, natürlich nicht unbedingt etwas Besonderes. Doch kein anderer ist ein so galanter Charmeur wie mein Lieblingsfranzose. Er hält mir zwar nicht die Tür auf, beteuert mir aber jeden Tag mehrmals ohne Worte, wie sehr er mich schätzt. Ein Blick in seine grüne Augen genügt, und ich schmelze dahin.
Als der Urlaub zu Ende ging, wussten wir, dass wir uns nicht trennen konnten. So nahm mein Lieblingsfranzose von Mutter und Schwester und der Heimat am Meer Abschied und stieg tapfer in mein Auto. Obwohl er noch nicht viel Erfahrungen mit Autofahren hatte, verhielt er sich über die vielen hundert Kilometer, die er auf dem Weg in sein neues Leben zurücklegen musste, sehr diszipliniert. Kein Wort des Klagens kam über seine Lippen.
Jetzt sind wir hoffentlich für viele Jahre hier, in den grünen Hügeln des Odenwaldes, vereint. Wo mein Lieblingsfranzose Émile viele neue Freunde gefunden hat und die deutsch-französische Freundschaft auf seine ganze eigene Weise lebt.
Heute sagt mein Lieblingsfranzose, was die Piaf einst sang: Non, je ne regrette rien!
Émile mitten im Regenwald?
Monsieur Émile aime la lecture
Und, wie steht es mit Ihnen, lieber Leserinnen und Leser? Was lieben Sie an Frankreich? Und gibt es vielleicht auch einen Franzosen oder eine Französin, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
À bientôt. Bis bald. Ihre.
Heike Kügler-Anger