Detroit: Become Human

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

Detroit: Become Human

7Adventure

Game-Designer David Cage ist zurück und möchte einmal mehr seine Entdeckungen über die unergründeten Möglichkeiten des Mediums Videospiel mit uns teilen. Projekte aus dem Hause Quantic Dream befinden sich ja meist so lange in Arbeit, dass sich zwischenzeitlich die wahrlich innovativen Entwicklungen der interaktiven Fiktion meistens ganz woanders abzeichnen – aber neugierig ist man ja doch. Drei Protagonisten gilt es nun in Detroit: Become Human durch eine Welt zu begleiten, in der Androiden fester Bestandteil des Alltags sind. Bedeutet: Drei Handlungsstränge, die gegen Ende immer mehr miteinander verschmelzen und den Spieler in die Rolle eines Regisseurs versetzen, der bestimmt, welche Richtung dem Plot am besten zu Gesicht steht.

Highlight dabei: Die Buddy-Cop Dynamik zwischen Ermittlungsandroiden Connor und Hank (letzterer überzeugend gespielt von Clancy Brown). Das sterile Verhalten des Androiden blüht im Kontrast zum zynischen Alkoholiker geradezu auf und bildet mit zahlreichen subtilen Interaktionen mit Sicherheit das einzig authentische emotionale Grundgerüst des Spiels. Auch das Gameplay ist in diesen Sequenzen am besten aufgehoben: Der Spieler untersucht Tatorte, verhört Zeugen oder löst interessante Denkaufgaben.

Die beiden anderen Protagonisten teilen dieses Glück leider nicht: Der Plot von Marcus, der eine Bewegung von Androiden anführt, die für Gleichberechtigung kämpft, ist gezeichnet von einer beinahe Klamauk-haften Tollpatschigkeit, die zu keinem Zeitpunkt irgendeine emotionale Verbindung zum Thema aufkommen lässt. Da werden Parallelen gezogen zur amerikanischen Rassendiskriminierung oder zum Holocaust, ohne dass sich das Spiel überhaupt die Mühe macht die Frage zu beantworten, ob diese Androiden überhaupt mehr sind als programmierte Maschinen. Auch der Fokus auf Action und Geschicklichkeit in späteren Passagen ist ein reines Ärgernis, das den Schwächen des Genres ausgeliefert bleibt.

Nicht viel besser ergeht es Kara, die mit einem Kind auf der Flucht die ausgefalleneren Szenarien durchläuft. Man durchstreift gruselige Villen oder verlassene Themenparks und ist dabei meistens vor irgendeinem Plot-Device auf der Flucht. Das Problem hierbei ist die Glaubwürdigkeit des Kindes, das von einer Ungereimtheit in die andere stolpert, emotional völlig stumpf bleibt und somit durch jeden Auftritt die Glaubwürdigkeit der Handlung in Frage stellt. Neben diesen Stärken und Schwächen gibt es aber vor allem ein Alleinstellungsmerkmal das Detroit auszeichnet: Entscheidungen haben wie in vielleicht keinem anderen interaktiven Film zuvor weitreichende Konsequenzen.

Es gibt praktisch niemanden, der mit einer „Plot-Rüstung“ gewappnet ist und so prägt das Ableben eines Charakters die Handlung bis zur letzten Konsequenz. Es existieren unzählige parallele Szenarien abseits des Weges den ein Spieler eingeschlagen hat und obwohl es wenig Sinn macht, diese später zu erkunden (da jeder Weg einer gewissen Grundideologie folgt und somit psychologisch gesehen einen konsitenten Strang bildet), kann man auf jeden Fall mit dem Gefühl an das Spiel herantreten, dass jede Entscheidung weitreichende Konsequenzen haben wird. Das ist vermutlich die einzige wirkliche Errungenschaft des Titels, denn nur ein praktisch unendliches Budget erlaubt es so viele Handlungsstränge mit dem notwendigen Detailgrad zu versehen.

In der Praxis ergibt sich dadurch natürlich das Problem, dass sich die interessantesten Handlungsstränge unter Umständen nie gezeigt haben. Herausragend ist aber auch die Präsentation, die mit facettenreichen Designs mit wirklich guten Filmproduktionen mithalten kann. Visuell sind die Elemente des Spiels ein absolutes Highlight, an dem man sich kaum satt sehen kann und auch die Audio-Seite der Produktion glänzt mit Perfektion.

Am Ende bleibt also das einzig große Hindernis einer David Cage-Produktion: David Cage selbst. Seine  fehlgeleiteten groben Züge werden von den Besten der Industrie ausgefüllt, wodurch sich der beinahe absurde Kontrast erklärt, mit dem das Spiel von brillanter Perfektion zu unerträglichem Dilettantismus wechselt. Ein Ereignis, über das sich ein Diskurs lohnt, ist Detroit: Become Human aber allemal.

Plattform: PS4 (Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 25.05.2018, Link zur Homepage

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Autor

Florian Kraner

Aufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis. Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.