Dass die Blende die Schärfentiefe beeinflusst und die wichtigste Stellschraube ist, um die Schärfentiefe zu gestalten, ist in der Regel auch fotografischen Einsteigern bald bekannt: Je kleiner der Blendenwert, desto geringer die Schärfentiefe!
Weniger Detailschärfe bei Offenblende
Beginnt man mit lichtstarken Objektiven zu fotografieren und lernt dabei den Reiz des Bokehs bei Aufnahmen mit geringer Schärfentiefe kennen, kann man zunächst kaum genug davon bekommen und fotografiert so viel als möglich mit Offenblende.
Mit zunehmender Praxis lernt man aber, dass die meisten Objektive bei maximaler Blendenöffnung nicht ihre volle Schärfeleistung bringen. Oft sind die Resultate bei Offenblende unschärfer und kontrastärmer, als wenn man ein oder zwei Blendenwerte abblendet – erfahrene Fotografen wissen das.
Kritische Blende
Was hingegen auch Fotografen mit längerer Praxis oft nicht wissen, ist, dass auch am anderen Ende der Blendenreihe die Detailschärfe wieder abnimmt. Der Grund dafür ist die sogenannte Beugungsunschärfe. Was das genau ist, ist mir zu physikalisch und theoretisch, als dass ich hier im Detail darauf eingehen möchte (das PC-Magazin liefert eine ganz gute Erklärung was das ist). In der Praxis ist für den Fotografen nur die Auswirkung relevant: Eben, dass ab einer bestimmten Bendeneinstellung die Detailschärfe abnimmt, und zwar auch tatsächlich nicht sichtbar abnimmt.
Um es plakativ auszudrücken: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass man mit einem Topobjektiv bei einer zu kleinen Blendenöffnung (große Blendenzahl) unschärfere Resultate erzielt, als mit einer billigen Scherbe bei idealer Blendenöffnung. Es handelt sich also nicht nur um ein Thema für eingefleischte Pixelzähler!
Es ist auch durchaus wahrscheinlich, dass die Schärfeleistung bei zu kleiner Blendeneinstellung deutlich schlechter ist als beim Fotografieren mit Offenblende – bei Objektiven mit kleineren Sensoren als Kleinbild ist das sogar ziemlich sicher!
Man geht davon aus, dass eine ideale Blendeneinstellung in der Regel bei Blendenwerten zwischen ƒ5.6 und ƒ8 liegen, Blendeneinstellungen zwischen ƒ11 und ƒ16 markieren akzeptable Werte und ab Blende ƒ22 verlieren Aufnahmen so viel an Detailschärfe, dass die Abbildungsqualität inakzeptabel zu werden beginnt, weshalb man auch oft von kritischer Blende spricht – jedenfalls bei Kleinbildformat!
Sensorformat, Schärfentiefe und Beugungsunschärfe
Weitgehend bekannt ist, dass das Sensorformat den Blickwinkel bei einer bestimmten Brennweite beeinflusst und kleinere Sensoren bei gleicher Brennweite engere Bildausschnitte abbilden. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von Brennweitenverlängerung. Um das Verhältnis der Brennweitenverlängerung im Vergleich zum Quasi-Standard Kleinbildformat (Vollformat) zu berechnen bedarf es des sogenannten Formatfaktors (Crop-Faktor). Soweit, so bekannt.
Weniger bekannt ist, dass der Crop-Faktor auch herangezogen werden kann um die Schärfentiefe im Vergleich zu Kleinbild zu berechnen. So hat z.B. eine Kamera mit APS-C- bzw. DX-Sensor einen Umrechnungsfaktor von ≈1,5; bei gleicher Brennweite, gleicher Blendeneinstellung und gleicher Distanz fällt die Schärfentiefe mit APS-C-/DX-Kameras etwa 1,5 × größer aus als bei Kleinbild; mit einer MFT-Kamera und 2 als Formatfaktor 2× größer.
Derselbe Umrechnungsfaktor muss nun herangezogen werden um akzeptable und kritische Blendenwerte für APS-C/DX und MFT zu berechnen:
- Akzeptable Blendeneinstellungen bei KB: ≈ ƒ11–ƒ16
- Akzeptable Blendeneinstellungen APS-C/DX: ≈ ƒ8–ƒ11
- Akzeptable Blendeneinstellungen MFT: ≈ ƒ5.6–ƒ8
- Kritischer Blendenwert bei KB: ≈ ƒ22
- Kritischer Blendenwert bei APS-C/DX: ≈ ƒ16
- Kritischer Blendenwert bei MFT: ≈ ƒ11
In der Praxis sollte man unter dem kritischen Wert bleiben, das heißt bei KB Blendeneinstellungen kleiner als ƒ16, bei APS-C/DX kleinere als ƒ11 und bei MFT kleinere als ƒ8 eher meiden, Werte von ƒ22, ƒ16 bzw. ƒ11 sind für die drei Sensorformate bei tatsächlichem Bedarf bestenfalls noch akzeptabel, darüber hinaus genügt die Detailschärfe der kritischen Betrachtung eines anspruchsvollen Fotografen keines Falls mehr.
Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die Detailschärfe verschiedener Blendeneinstellungen des M.Zuiko 45mm ƒ1.8 beim Abfotografieren des oberen Test-Charts.
Offenblende ƒ1.8; die Detailschärfe liegt deutlich unterhalb der Maximalschärfe, der Kontrast ist gering
ƒ2.8; 1 1/3 Blenden abgeblendet, die Detailschärfe schon fast auf Maximalleistung, der Kontrast noch etwas reduziert
ƒ4; Detailschärfe und Kontrast erreichen Maximalleistung dieses Objektivs
ƒ5.6; auch bei dieser Blendeneinstellung praktisch maximale Detailschärfe und Kontrast
ƒ8; Schärfe und Kontrast noch immer top
ƒ11; der Kontrast ist noch gut, die Schärfe lässt wie bei MFT zu erwarten nach, ist aber noch akzeptabel
ƒ16; wie zu erwarten sackt die Detailschärfe drastisch ab; selbst bei Offenblende lassen sich feinere Linien unterscheiden als bei dieser Blendeneinstellung
ƒ22; Blende 22 wäre bei MFT-Objektiven an sich völlig verzichtbar, die Detailschäre ist völlig inakzeptabel