Manchmal gelingt er, der konstruktive und kreative Umgang mit Wut und Frust. Manchmal nicht.
Der Anlass war ein geringer und irgendwie klassischer. Die perfekte Tochter probierte ein Massagegerät von mir aus, und der perfekte Sohn wollte auch. Er entschied sich für die Methode “aus der Hand reissen”, sie wehrte sich, und er schlug seine Fingernägel in ihre Arme. Sie schrie, und ich zog ihn von ihr weg.
So weit so okay. Nun bin ich gerade sehr empfindlich auf jegliche Art von Rücksichtslosigkeit und sagte – einigermassen giftig – zu dem wütenden Sohn, während ich ihn festhielt: “Du hast Papi gesagt, ich würde mich bei Streit immer auf die Seite deiner Schwester stellen. Das stimmt gar nicht! Aber wenn du nicht warten kannst und grob wirst, ja, dann stelle ich mich auf ihre Seite. Da bist du selber schuld!”
Weder konstruktiv noch hilfreich, und entsprechend reagierte der perfekte Sohn. Ich verzichte darauf, unseren Streit in allen Einzelheiten zu schildern, doch schliesslich erreichte er auch von seiner Seite her den destruktiven Höhepunkt. Nämlich als er das “Schemeli” (den Tritthocker), den er in der Hand hielt, um das Massagegerät doch noch zu erobern, nach mir schmiss. Mit der ganzen Kraft, die ein wütender Sechsjähriger aufbringt. Ich schrie, er schrie. Er lief davon, ich prüfte meinen Arm. Ein blauer Fleck (der übrigens rasch wieder verschwand) und ein gehöriger Schreck, sonst alles in Ordnung.
Das war eine Viertelstunde, bevor ich zur Arbeit musste (ja genau – Familiencoaching…) und er zu Nachbars. Es blieb mir also nicht viel anderes übrig, als mich rasch zu beruhigen und ihn in Ruhe zu lassen, damit er sich beruhigen konnte.
Nach ein paar Minuten schlich er in meine Nähe.
“Frieden?”, fragte ich.
“Ja”, nuschelte er.
“Für den Moment ist es gut für mich. Ich möchte aber schon gern wissen, was das für ein Wutmonster war, das da plötzlich aufgetaucht ist. Wir werden später darüber reden.”
Verhaltenes Nicken. Umarmung.
Wir haben noch nicht geredet. Wir haben es gut seither. Grundsätzlich jedenfalls, mit Ausnahmen.
Ich habe beschlossen, mir keine Grundsatzfragen zu stellen und weder meine verbale Gehässigkeit noch den Schemeliwurf zu dramatisieren, sondern einfach einzusehen, dass nicht jeder unserer Konflikte konstruktiv verläuft. Und dass ich weiterhin auch dann blogge, wenn es nicht perfekt gelaufen ist.
P.S. Beim Durchlesen bin ich doch noch auf etwas Grundsätzliches gestossen: Ich werde mich in die Themen gewaltlose Kommunikation und gewaltloser Widerstand einlesen und eindenken.