DESIGNLITERATUR: DIE ERFINDUNG DER KREATIVITÄT

Von Designkritik @designkritik

Die Erfindung der Kreativität:
Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung

Andreas Reckwitz
408 Seiten
Suhrkamp Verlag 2012
16,00 €

“Be creative!” In der Gegenwartsgesellschaft haben sich die Anforderung und der Wunsch, kreativ zu sein und schöpferisch Neues hervorzubringen, in ungewöhnlichem Maße verbreitet. Was ehemals subkulturellen Künstlerzirkeln vorbehalten war, ist zu einem allgemeingültigen kulturellen Modell, ja zu einem Imperativ geworden. Auch die Disziplin der Designer  sieht sich zwischen Phänomenen der Überidealisierung und gleichzeitiger Vereinnahmung durch die breite Masse – jeder ein Designer, Design überall.

Der Kultursoziologe Andreas Reckwitz untersucht, wie im Laufe des 20. Jahrhunderts das Ideal der Kreativität forciert worden ist: in der Kunst der Avantgarde und Postmoderne, den “creative industries” und der Innovationsökonomie, in der Psychologie der Kreativität und des Selbstwachstums sowie in der medialen Darstellung des kreativen Stars und der Stadtplanung der “creative cities”. Es zeigt sich, daß wir in Zeiten eines ebenso radikalen wie restriktiven Prozesses gesellschaftlicher Ästhetisierung leben.

Der Autor beschreibt seine eigene Haltung gegenüber diesen Prozessen als “Faszination und Distanz” – denn einerseits zeigt die gegenwärtige Entwicklung, wie viel frühere Forderungen nach Entfaltung und Kreativität bereits umgesetzt worden sind, andererseits bleibt ein bitterer Beigeschmack an der normativen Kraft des Kreativen und der kommerziellen Vereinnahmung von Kreativität.

Das Buch ist für DesignerInnen eine unerlässliche Grundlage zur Diskussion zeitgenössischer Befindlichkeiten und bietet auch einen Überblick über Phänomene der Kritik am künstlerisch-kreativen Imperativ. Obwohl Andreas Reckwitz sehr wohl im soziologischen Jargon schreibt, ist das Buch doch gut lesbar. Unser Tip!

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