Des Teufels Dreisatz

Des Teufels DreisatzBundes-Kartellamtspräsident Andreas Mundt ist von Amt wegen verpflichtet, sich dumm zu stellen. In der großen deutschen Benzinpreisdebatte, mit der sich mangels anderer Themen alle vergnügen, die die bevorstehenden Wahltage im Blick haben, lieferte der Mann, dessen Behörde seit Jahrzehnten vergeblich versucht, Mineralölkonzernen illegale Preisabsprachen nachzuweisen, der Ölindustrie „ein sehr ausgeklügeltes Muster des Abguckens und des Nachmachens“ vor. Kein Absprachen, nichts Illegales, soll das heißen. Das System funktioniere vielmehr so, "dass entweder Shell oder Aral als erste die Preise an der Zapfsäule erhöhen würden, die Konkurrenz ziehe dann innerhalb von wenigen Stunden nach".
Also wie in der Politik, bei der in der alljährlichen österlichen Benzinpreisdiskussionsrunde die Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf die Idee kamen, eine "Benzinpreisbremse" unbekannter Natur
zu fordern, ehe wieder irgendwer auf den durch die Umsatzsteuer mit jeden Cent Preisanstieg steigenden Staatsanteil beim Benzinverkauf und auf die seit Äonen unveränderte Pendlerpauschale hinzuweisen.
Mit Erfolg hat die bescheidene Idee, eine Internetdatenbank für Spritpreise einzurichten und Preiserhöhungen nur noch einmal am Tag zu gestatten, vom Kern der Dinge abgelenkt. Wie zuletzt in der großen Finanzkrisendiskussion sind es nun auch hier wieder die Spekulanten, die die Preise angeblich nach oben treiben. Angebot und Nachfrage, so erklären es Politiker aller Parteien des demokratischen Blocks, sind auf dem Ölmarkt ausgehebelt, Willkür regiert und der arme Autofahrer ist der Dumme.
Zumindest, wenn er glaubt, was ihm Koryphäen wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann erzählen. "Ölmultis tricksen Verbraucher aus" predigt der, seiner Meinung, die der Erwartungshaltung der Bevölkerung entspricht, hat sich mittlerweile auch die gesamte Medienlandschaft angeschlossen. Zu hoch! Zu teuer! Unangemessen!, so schallt es aus den Redaktionen in den öffentlichen Raum.
Der Dreisatz aus Ölpreis, Euro-Dollar-Verhältnis und Tankkosten ist aber auch zu schwer zu begreifen. Wenn man ihn nicht begreifen will. Sonst aber ist es ganz einfach: Steigt der Ölpreis, steigt der Benzinpreis, und das umso mehr, wenn der Euro im Vergleich zum Dollar billiger wird. Wie die Sohle am Schuh klebt der Preis von Benzin am Ölpreis, und das umso mehr, je teurer Öl wird (Grafik oben, Angaben bereits in Euro). Langfristig gesehen ist ein hoher Ölpreis mit hohen Benzinpreis so die sicherste Garantie dafür, dass Tankstellenkunden nicht zu viel bezahlen, denn während der Benzinpreis sinkenden Ölpreisen nicht hinterherzueilen pflegt, lässt er steigende Ölpreise gern auch einmal etwas vorauslaufen.
Der Effekt ist deutlich, alle Jahre wieder: Steigt der Ölpreis, steigt der Benzinpreis mit. Fällt aber Ölpreis, bleibt der Benzinpreis dennoch hoch. Nur mit der Aufregung über den Benzinpreis verhält es sich genau andersherum: Örientiert sich der Benzinpreis am Ölpreis, macht er Schlagzeilen und in den Medien herrscht große Empörung darüber,: Tut er es nicht, schweigt die Politik fein still und kassiert gern, was an zusätzlichen Steuern reinkommt.
Auf der langen Strecke ist das eine natürlich so bedeutungslos wie das andere. Horst Köhler, nicht der schlechteste der vielen Bundespräsidenten der vergangenen Jahre, hatte in der Oster-Benzinpreisdebatte vor zwei Jahren angesichts von Horrorpreisen von 1,46 Euro pro Liter Super gefordert, dass "der Preis von Benzin tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte." Sein Wunsch ist erfüllt worden, der Preis stieg in den 24 Monaten seitdem von 1,46 auf 1,69 Euro, summa summarum um 15 Prozent.
Der Preis für Öl der Nordsee-Sorte Brent kletterte derweil - Überraschung! - von 75 auf 92 Euro. Das sind 22 Prozent.

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