6 Uhr aufstehen (nicht weils sein muss, sondern weil ich eh nicht mehr schlafen kann und die Gockelhähne heute einen besonders guten Tag haben), duschen (es gibt hier nur kalt und eiskalt, je nach Tagesverfassung) und Frühstücken (Toast mit Marmelade und Tee). Um halb acht wird mich Rosa Estela abholen, die hat nicht weit, wohnt ja direkt gegenüber. Man warnt mich schon mal vor, von wegen Willkommensfeier und so. Gleich zwei, weil ja schließlich beide Gruppen Kinder mich kennenlernen wollen.
Nach einer sehr gemütlichen – weil Rosa jeden kennt, den wir treffen – halben Stunde zu Fuß, kommen wir im Projekt an. Soweit so unspektakulär. Auch die erste Stunde verläuft eher ruhig, weil beinahe Normalbetrieb herrscht. Im Computerraum wird Super Mario und Mario Kart gezockt, im Nachhilferaum sitzen ein paar bei den Hausübungen, Zeichnen fällt aus, weil in einer Stunde sowieso nicht viel passiert.
Um 9 startet die Willkommensfeier, alle setzen sich vor die Bühne, wo schon zwei riesige Lautsprecher stehen und auf Inbetriebnahme warten. Es wird erklärt, was eigentlich los ist, wer ich bin, woher ich komme und wie lange ich bleibe, dann wird Musik aufgedreht und getanzt. Vier Mädels tanzen einen traditionellen Tanz. Auf Takt und Choreographie ist hier bitte nicht zu achten, die Geste alleine zählt. Und es macht ihnen Spaß sich so aufzudonnern und im Rampenlicht zu stehen.
Die Sitzordnung ist dem Schatten, nicht der Willkür unterworfen
Anschließend wird etwas gequält nach Mitspielern für die Reise nach Jerusalem gesucht. Da lassen sich die Kids überraschenderweise schon ein bisschen bitten. Ich muss natürlich mitspielen, werde aber nur Zweiter. Dann ersucht man mich ein paar Worte zu sagen, ob meiner spanischen Sprachlosigkeit kommt es aber nur zu ein paar peinlichen Schweigesekunden.
Taktlos wäre, nicht zu klatschen
Anschließend an das Fest kommen die Promotores (die Mitarbeiter des Projekts) zusammen und besprechen dies und jenes. Das Meiste verstehe ich, aber es sind zuviele Tagespunkte um sich irgendetwas zu merken. Etwas ist doch hängen geblieben: Die Müllproblematik wurde angesprochen. Es ist hier nämlich normal, dass man auf den Murals eine gute Umweltpolitik predigt und gleichzeitig Müll verbrennt, auf die Straße schmeißt oder sogar einfach nur fallen lässt. Drum müssen Vorbildwirkung und Mistkübel her.
Nach dem Mittagessen gehts wieder ins Projekt, die zweite Feier steht an. Die Hitze vertreibt uns von der dachlosen Tribüne des Vormittags und obwohl es mehr Kinder zu sein scheinen, wird es nicht so eng wie erwartet. Die „Nachmittagskinder“ sind etwas extrovertierter und tanzen gleich zwei Einlagen als Gruppe, eine traditionelle und eine moderne, die sich aber die Tanzschritte überwiegend beim traditionellen Tanz ausgeborgt und um ein paar Hüftschwünge und -wackler angereichert hat. Dafür fallen das Spiel und die Schweigesekunden aus. Zum Glück.
Heute bin ich leider nicht zum Bildermachen gekommen, kann ja schlecht bei meiner Willkommensfeier hinter der Kamera verschwinden. Aber das nächste Fest kommt bestimmt: Im September kommt eine Deutsche für ein Jahr, soweit ich verstanden habe und im Oktober eine Oberösterreicherin (Angelika, glaube ich) für zwei Monate. Da gibts dann sicher einige Fotos von der Feier. Und ich werde noch schauen, dass ich bis zu meinem Geburtstag jemanden in die Funktionsweise meiner Kamera einweihen kann, da wurde mir schon erzählt, dass zwei Piñatas dran glauben müssen.
Ich bin hier ja berühmt berüchtigt als der ruhige Schläfer. Das rührt daher, dass ich am Tag nach meiner Ankunft am Nachmittag drei Stunden geschlafen habe und bisher in Konversationen eher passiver Teilnehmer bin. Ich denke teilweise schon spanisch und verstehe schon einiges, aber sobald es zum Reden kommt, fällt mir überhaupt nichts mehr ein. Ich habe mir daher die Taktik zurecht gelegt, einfach immer zu bejahen, wenn ich keine direkte Frage höre. Kann natürlich trotzdem sein, dass mein Gegenüber eine Reaktion erwartet …
Hier regnets gerade wieder. Aber es wurde mir versichert, dass das nicht immer so ist. Dezember und Jänner sind Schulferien, aber am Schlimmsten wird es zu Ostern. Mir wurde das ungefähr so erklärt: Im Sommer ist es viel heißer als jetzt. Und zu Ostern ist es viel heißer, heißer als im Sommer. Computer sollen ihre pure Freude an der nicht unbeachtlichen Menge Staub haben, Wiese und Grünzeugs sind eher von der Hitze wenig angetan. Auf jeden Fall freue ich mich schon rieeeesig auf noch heißere Zeiten
Noch was zur Schule in Nicaragua. Oder zumindest in Condega. Es gibt hier schon Hausübungen, die das Internet erfordern. Also, „sucht das“ und „recherchiert dies“, wie es auch bei uns immer öfter vorkommt. Nur dass es hier einfach bei 99% der Kinder kein Internet im Haus gibt. Jetzt sitzen die Kinder in Internetcafés, zahlen sich dumm und dämlich, können damit wegen der fehlenden Erfahrung auch nicht umgehen und sitzen noch länger dort, als eigentlich erforderlich wäre. Das ist fortschrittliche Bildung á la Nicaragua …
Bis dann
PS: Über die Familie, bei der ich wohne gibts hoffentlich morgen mehr zu lesen.