Habe heute "Gekaufte Zeit" von Wolfgang Streeck angefangen zu lesen. Professor Streeck ist geschäftsführender Direktor am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsordnung.
Die ersten Thesen, bzw. Erkenntnisse über die Finanzkrise gibt es schon auf den ersten Metern. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges warben die westlichen Demokratien als soziale Kapitalismen um den Ruf des besseren Systems. Sie lernten, dass derjenige gewählt wird, der das meiste an die meisten verteilt - also den Sozial- und Subventionsstaat ausbaut.
Das Problem dabei ist, dass es bis heute kein Modell gibt, wie man dies auf Dauer solide finanziert. Alle Varianten, die Kosten wegzudrücken sind gescheitert. Jede "Lösung" war ein Jahrzehnt später das neue Problem: Inflation, Steuererhöhungen, Niedrigzinsen, Schulden.
Die Architekten der EU schauen auf die autoritär-kapitalistischen Staaten und sehen, dass es dort Wachstum und hohe Beschäftigung gibt, und von Schuldenproblemen wenig zu hören ist.
Daraus zieht sie den Schluss, dass Europa von dem Prinzip weg muss, gewählt wird, wer die meisten Versprechungen macht. Und die Maßnahme, die dies umsetzt, ist die Verlagerung der Gesetzgebungen und Haushaltshoheiten von den europäischen Nationalstaaten auf die zentralistische EU. Das Parlament hat schon heute keine Gesetzesinitiative und genau das ist es, was den EU-Architekten so gefällt: Das europäische Parlament kann sich zu den Gesetzen der EU-Kommissare eine Meinung bilden und kundtun, aber die Fraktionen können nie mit eigenen Wahlversprechen antreten, weil sie nichts auf den Weg bringen.
Und in der Umsetzung dieser Maßnahme befinden wir uns heute. Europa betritt das postdemokratische Zeitalter.