Der Zusammenhang zwischen Dick und Arm

 

Dick und arm, wie hängt das wirklich zusammen?

 

Es gibt mal wieder eine neue Studie. Diese besagt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer Bildung häufiger dick werden als Upper-Class-Menschen.

Wer fleißig die junk-Formate der privaten Fernsehsender konsumiert, wird genau diesen Eindruck bekommen. Da tummeln sich in Sendungen Leute mit geringem Sozialstatus meist auf der Couch vor dem Fernseher und essen dabei Snacks. Oder sie quälen sich in Abnehmcamps. Oder sie müssen erst mit drastischen Bildmanipulationsprogrammen aufgeklärt werden, dass ihre Lebensweise ihre Kinder zu dicken und sehr bald kranken und sehr rasch toten Erwachsenen macht.

In einem Artikel zur Studie heißt es:

“Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sagte, in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen müsse endlich ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden: Die besten Vorsorgeuntersuchungen nützten nichts, “wenn die Eltern weiter rauchen, zu viel und falsch essen, zu viel trinken und sich zu wenig bewegen”.

Erstaunlich, dass ein so gebildeter Mann eine so einseitige Ansicht haben kann.

Wenn man das Thema von mehreren Seiten her beleuchtet, ergibt sich tatsächlich eine Korrelation von Sozialstatus und BMI.  Besonders wieder bei Frauen, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass Frauen häufig ihr Aussehen für den sozialen Aufstieg verwenden müssen, egal ob das Partner- oder Jobsuche betrifft.

Nennen wir die (Vor)Urteile beim Namen und drehen sie ein bisschen:

+ Dicke Menschen sind ungebildet: –> sie bleiben also nicht lang genug in unserem Schulsystem.  Wie geht das Schulsystem mit dicken Kindern um? Macht es da wirklich Freude hinzugehen? Kann man sich da mobbingfrei aufs Lernen konzentrieren, wenn man ein dickes Kind ist? Häufig geht es auch über Nachhilfe, die sich die dicken Eltern dicker Kinder nicht immer leisten können, weil sie nicht gut verdienen oder arbeitslos sind und oft ist auch für alleinerziehende Mütter das einfach nicht zu stemmen, wenn sie keinen guten Job haben.

+ Arme Menschen sind dick.  –> Hier wird impliziert, dass Armut direkt mit der “Dummheit” der niederen Schichten zusammenhängt. Anders herum betrachtet ist das Dicksein aber (auch wenn man im Schulsystem lange genug durchgehalten hat, um einen guten Abschluss zu bekommen) ein Klotz am Bein bei der Arbeitssuche. Und ohne guten Job - kein gutes Einkommen. Häufig arbeitet man dann noch nebenher, macht Zweitjobs, besonders wenn Kinder zu erhalten sind. Und dann muss man sich anhören, dass man zu faul sei fürs Fitnessstudio oder für sonstige Aktivitäten wie Radfahren, Schwimmen, Walken usw… Wer nach zwei Jobs, Haushalt, Zeit mit den Kindern noch die Energie und Zeit hat, zwei Stunden Rad zu fahren oder im Schwimmclub aktiv zu werden, der hebe die Hand. Irgendwann ist die Grenze erreicht, was man in einen Tag packen kann, ohne auszubrennen.

Die Lösung? Sicher nicht Belehrungen wie von dem Herrn Ärztepräsident. Sondern vor allem eine Bekämpfung der Armut.  Und eine Politik, die dafür sorgt, dass jeder und jede mit einem Achtstundenjob genug verdient, dass nicht auch noch ein zweiter Job herhalten muss. Schluss mit dem Dickenbashing in den Schulen. Mehr leistbare Nachhilfe für Kinder, deren Eltern aufgrund von Arbeitsüberlastung nicht genug beim Lernen helfen können. Ein Ende der Jobvergabe nach “Schönheitsaugenmaß” bei Frauen. Mehr soziale Gerechtigkeit würde dazu führen, dass sich mehr Menschen zufrieden fühlen, besser schlafen, weniger Stress mitmachen und mehr Zeit für sich haben.  Das muss angegangen werden, statt auf den dicken Menschen herumzuhacken.

Und eines noch. Ja, es gibt diese dicken Menschen, die sich nicht so ernähren, wie sie es gern würden, weil sie es sich nicht leisten können. Eine köstliche Golfetta-Salami kostet nunmal das Doppelte von einer viel fettreicheren Haussalami.  Eiweiß ist ein teurer Nährstoff, ebenso bestes Olivenlöl, frischer Fisch, Biogemüse – und Obst, Steak vom Biorind und so weiter. Auch Brot vom Bäcker ist in den letzten Jahren ebenfalls immer teurer geworden.  Dagegen sind besonders mit vielen Zusätzen, billigen Kohlenhydraten und gehärteten Fetten  in großen Fabriken hergestellte Lebensmittel günstig. Dicken Menschen mit geringem Einkommen vorzuwerfen, dass sie zu dumm sind, zu wissen, dass regionale, naturbelassene, nachhaltig hergestellte Lebensmittel für sich und ihre Umwelt am besten wären, ist einfach eine Frechheit. Statt solcher Statements sollten die Verantwortlichen darauf achten, dass solche Nahrungsmittel leistbarer werden, indem die Menschen, die sie essen wollen, genug verdienen, um sie kaufen zu können.

 


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