„Was, wenn niemand mich will?“
New York, 1929: Mit neun Jahren verliert Vivian Daly, Tochter irischer Einwanderer, bei einem Wohnungsbrand ihre gesamte Familie. Gemeinsam mit anderen Waisen wird sie kurzerhand in einen Zug verfrachtet und in den Mittleren Westen geschickt, wo die Kinder auf dem Land ein neues Zuhause finden sollen. Doch es ist eine Reise ins Ungewisse, denn nur die wenigsten von ihnen erwartet ein liebevolles Heim. Und auch Vivian stehen schwere Bewährungsproben bevor … Erst viele Jahrzehnte später eröffnet sich für die inzwischen Einundneunzigjährige in der Begegnung mit der rebellischen Molly die Möglichkeit, das Schweigen über ihr Schicksal zu brechen. (Klappentext)
„Ich glaube an Geister“ … so beginnt der Prolog, in dem die mittlerweile 91- jährige Vivian ein bisschen über sich erzählt. Schon da überkam mich ein leichter Schauer, denn zwischen den Zeilen paaren sich Traurigkeit mit Mut. Eine eigenwillige Mischung, die Vivian bei ihrem Weg geholfen hat.
Zunächst lerne ich sie in 2011 kennen und ihr Humor hat mir von Anfang an gefallen. Sie und Molly trennen so viele Jahre und Vivian gelingt es so nach und nach, Mollys Vertrauen zu gewinnen. In gewisser Weise sind sie Seelenverwandte, beide haben ihre Eltern früh verloren, beide haben Wurzeln, die als Makel ausgelegt werden.
Der Übergang in die Vergangenheit ist perfekt gelöst und in diesen Abschnitten erzählt Vivian von ihrer freudlosen Kindheit.
Zwischen 1854 und 1929 brachten die sogenannten „Orphan Trains“ (Waisenzüge) mehr als zweihunderttausend Kinder in eine ungewisse Zukunft. Vivian ist eines dieser Kinder und sie erzählt stellvertretend für viele ihrer Leidensgenossen über das, was damals passiert ist. Ihre Geschichte beginnt 1929. Da hieß sie noch Niamh und war gerade mit ihrer Familie von Irland nach Amerika übergesiedelt in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung löste sich in nur einer Nacht in Luft auf. Ich musste oft heftig schlucken, diese Kinder wurden fast wie Sklaven behandelt, vorgeführt und „verschachert“. Und es waren so viele …
Die Autorin wechselt immer wieder in die Gegenwart und so erkenne ich immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen der alten Dame Vivian und Molly. Hier erzählt Christina Baker Kline in der 3. Person, in der Vergangenheit lässt sie Vivian in der Ich-Form und im Präsens erzählen. Und so kommt mir ihre Geschichte verdammt nah. Die Gewissheit, dass es sich hier nicht um reine Fiktion handelt, macht das Ganze um so trauriger. Aber gleichzeitig macht die Geschichte auch Mut, denn Vivian lässt sich nicht unterkriegen, arrangiert sich mit ihren jeweiligen Situationen. Und da ich sie ja auch 2011 kennen lerne, weiß ich ja, dass sie ein langes Leben hatte und es ihr nicht schlecht geht.
Christina Baker Kline erzählt sehr einfühlsam und mit einer gesunden Portion Humor. Das macht die traurigen Passagen etwas erträglicher. Ich begleite Vivian bis 1943 und immer wieder gibt es Momente, wo mich mit ihr freue und dann wieder schießen mir die Tränen in die Augen. Es ist ein sehr emotionales Buch und am Ende hatte ich Gänsehaut!
Fazit: Ein sehr bewegendes Buch über Verlust, Mut und Freundschaft!
Die Autorin:
Christina Baker Kline wuchs in England und in den Vereinigten Staaten auf. Sie hat Literatur und Kreatives Schreiben unterrichtet und sich als Buchautorin und Herausgeberin von Anthologien einen Namen gemacht. Ihr Roman “Der Zug der Waisen” war in den USA ein großer Erfolg und hielt sich monatelang an der Spitze der New-York-Times-Bestsellerliste. Mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen lebt die Autorin in Montclair, New Jersey. (Quelle: Verlagsseite)
Der Zug der Waisen ist im Goldmann Verlag erschienen, vielen Dank für mein Rezensionsexemplar!
Webseite von Christina Baker Kline
Meine Rezension bei Amazon und weitere Infos zum Buch findet ihr hier.