Der Zorn des Kirk – Star Wars… äh, Star Trek Into Darkness (Kritik)

Erstellt am 21. Mai 2013 von Yodahome

Vor langer Zeit, in einer w… nee, falsch. Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir erinnern uns an das Jahr 2010, als J.J. Abrams Star Trek wiederbelebte und mittels einer alternativen Zeitlinie und jungen Darstellern die Geschichte um Kirk, Spock und dem berühmtesten Raumschiff der Fernsehgeschichte komplett umschrieb. Wer Synapsenschwund beklagt, möge sich hier (oder auch hier) nochmal meine Meinung zu diesem Film in Erinnerung rufen. Der neue Film ist noch schwieriger zu kritisieren, weil er als Film leider durchaus gut ist. Aber er wiederholt auch viele Fehler des ersten Versuchs, teilweise verschlimmert er sie sogar. Ferner kann man kaum sagen, was so großartig am neuen Film ist, ohne die besten Stellen zu Spoilern, weshalb ich etwas großzügiger mit Spoilerwarnungen sein werde, falls ihr den Film noch nicht gesehen habt. Und damit es noch mehr Spaß macht, seid gewarnt, dass ich einige Links ins Star Trek Wiki Memory Alpha gestreut habe, die Figuren und Schauplätze erklären, und natürlich auch dabei Spoiler beinhalten können. Machen wir es so…

Die Story – böse Spoiler (Stufe 2)

Zum Ende des letzten Filmes hatte Kirk von seinem Mentor Admiral Pike die taufrische Enterprise übernommen, nachdem er und seine glückliche Crew aus Teens und Twens sowas von die Erde gerettet hatten. Yeah! Gerade dieses Schiff will man ihm aber wieder abnehmen, weil er sich nicht an die Regeln (genauer die Oberste Direktive der nicht Nichteinmischung) gehalten hat und das Raumschiff direkt unter der Nase der Eingeborenen von Nibiru geparkt hatte. Übrigens nicht die ersten Aliens, die einem irgendwie bekannt vorkommen. Wie auch immer, die Chefs sind böse und Kirk wird wieder erster Offizier unter Pike. Zeit sich daran zu gewöhnen hat er nicht, denn da wird das wegen eines Terroraktes(!) eilig einberufene Oberkommando unter Vorsitz von RoboCop aka Admiral Marcus (Peter Weller) von einem gewissen Sherlock Hol…, ach nein, John Harrison (nicht sein echter Name) angegriffen und Pike stirbt im zeitgelupten Phaserhagel.
Kirk und Spock planen dem Terroristen, dessen Motivation zu diesem Zeitpunkt völlig unklar ist, zu folgen, der versteckt sich, na, na, wo? Auf Kronos! Also auf zu den Klingonen (oder was Abrams dafür verkaufen will), Marcus stattet Kirk noch mit 72 mysteriösen Torpedos aus, deren Innenleben unklar und hochgeheim ist, weshalb Scotty sie ablehnt und dafür zuhause bleiben muss. Obwohl sie eigentlich Harrison von weitem mit den Torpedos erledigen sollen, schmuggeln sich Kirk und Spock (nebst Dauerfreundin Uhura) auf den Planeten, um ihn festzunehmen, nur um sich dann ein Feuergefecht mit den Klingonen (oder was Abrams dafür verkaufen will, ja, ich sag’s nochmal), aus dem sie von Holm… Harrison gerettet werden. Der kommt dann fast freiwillig mit zurück zur Enterprise, damit die Enthüllungen ihren Lauf nehmen können. Der meuternde Scotty wird kurzerhand gebeten, magische Koordinaten in der Nähe des Jupiter zu untersuchen, Pille und Carol Marcus (Robocops Tochter) nehmen einen der Torpedos auseinander und dann erfahren wir, dass Harrison eigentlich Khan heißt und in den Torpedos seine Crew eingefroren liegt! Genial! An der Stelle war ich froh, dass ich mich nicht vorher über den Film informiert habe. *g*

Der zweite Teil des Films ist dann ein interessantes Hin- und Her zwischen dem blitzgescheiten Überwesen Khan und dem logisch-menschlichen Mischwesen Kirk & Spock. Scotty findet ein für den Kampf ausgelegtes Förderationsschiff, welches Marcus offenbar im Geheimen hat von Khan planen und bauen lassen. Für mich ein Bullshit-Plotpunkt, warum sollte ein Admiral soviel Ressourcen unbemerkt beanspruchen können? Zumal mindestens der Bau ein paar Leute benötigt haben muss. Damit will er einen Krieg gegen die Klingonen anstiften. Mit Khans Hilfe soll das nun verhindert werden, doch der verfolgt natürlich seine eigenen Ziele. Und nachdem kräftig geraumschlachtet wurde und auch der echte Spock noch einen Gastauftritt hatte (wie egozentrisch muss man eigentlich sein, wenn man sein eigenes Ich aus der Zukunft zu Hilfe ruft, wenn man nicht weiter weiß?) liefert der Film, was ich Abrams wirklich hoch anrechne, eines der geilsten wenn nicht das geilste Filmzitat in der Geschichte des Remakes. Dazu später mehr. Die hochemotionale Action-Achterbahnfahrt im letzten Teil des Films kann man nicht beschreiben, dass muss man schon gesehen haben. Unnötig zu sagen, dass am Ende aber alles wieder Buttertoast ist (Schade!) und die Crew auf der überholten Enterprise zur klassischen Titelmelodie der klassischen Serie ihre erste Fünfjahresmission beginnt.
An dieser Stelle möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass ich die vielen logischen Schnitzer in der Story einfach mal überspringe, dafür habe ich am Ende einen anderen Beitrag (The Spoiler FAQ) verlinkt. 

Toller Star Wars Film – mäßige Spoiler (Stufe 1)

Cover via Amazon

Habe ich tatsächlich beim letzten Star Trek Film gesagt. Nach diesem, seinem zweiten Star Trek Film habe ich keine Zweifel, dass J.J. Abrams großartige Star Wars Filme machen wird. Alles was man dafür braucht, hat er bei Into Darkness wieder einmal unter Beweis gestellt. Effekte und Sound sind eh schon von ILM und Skywalker Sound. Er wird sich kaum umgewöhnen müssen. Action, griffige Dialoge, tolle Charaktere gespielt von größtenteils großartigen Schauspieler, verpackt in einer spannenden, abwechslungsreichen Story. Die Offiziersuniformen des Imperiums haben Kirk und Spock auch schon aufgetragen. Alles Bombe.
Und diesmal versucht er zumindest auch Verknüpfungen mit dem echten Star Trek herzustellen, primär natürlich über die zusätzlichen Charaktere, die größtenteils aus Star Trek II – Der Zorn des Khan stammen, dem wohl besten Star Trek Film mit der originalen Crew. Das wirkt zunächst auch viel weniger beliebig, vor allem, wenn man die Bezüge kennt und sieht. Carol Marcus, mit der Kirk in der Original-Zeitlinie eine besondere Beziehung hatte und die das Projekt Genesis aus der Tauf hebt, was gleich vier Star Trek Filme überlebt hat, wird z.B. über Umwege eingeführt, kommt vor, wirkt aber weit weniger als starke, eigenständige Frau als ihr Pendant aus ST II und ist so einfach beliebig.
Das Zittern um scheinbar ausweglose Situationen und die beiden Gegner Kirk und Khan, die sich gegenseitig wie die Wildkatzen belauern, all das hat Abrams – ob absichtlich oder nicht – dem Zorn des Khan bestens nachempfunden, um nicht zu sagen entliehen.

Auf der anderen Seite demontiert er die Sternenflotte und Föderation, zumindest die Idee, dass die Menschheit sich weiterentwickelt hat und eine bessere Welt erschaffen hat. Dazu möchte ich auch auf einen Beitrag von Felicia Day verweisen, die ganz richtig fragt: Wo sind die starken Frauen? Die Frauen, die nicht nur sexy im Bild stehen und gerettet werden wollen. Und nicht nur das, wo ist die Vielfalt der Föderation mit ihren vielen Farben und Völkern? Aliens in Star Trek 12? Das eingeborene Volk auf Nibiru? Die Klingonen (oder was Abrams dafür verkaufen will)? Alle irgendwie unterkomplex und beiläufig. Von der Idee Roddenberrys, das die Menschen in der Zukunft ihre eigenen Unterschiede akzeptieren und darum auch mit anderen Rassen, anderen Kulturen umgehen können, spürt man wenig. Im Fokus stehen gutaussehende, weiße Männer, wenn auch vielleicht mit spitzen Ohren und besonderen Kräften. Es gibt wenig moralische Konflikte und keine Vision einer besseren Welt. Und darum geht es nunmal in Star Trek. Zugegeben, bei Into Darkness vermisst man das erstmal weniger. Aber was unterscheidet Star Trek dann noch von Star Wars?

Kirk, Spock und Khan, das ist ein großartiges Gespann. Und passenderweise ist der junge Kirk noch nicht so abgewichst, diskutiert mit seiner Crew und ist überhaupt scheinbar sehr beeinflussbar, aber genau so siegessicher. Also: Vieles von dem, was Star Trek Into Darkness in meinen Augen gut macht, leiht es sich bei den klassischen Filmen. Folglich finde ich einige neue Erfindungen kritisch, wie die neuen Klingonen, die weder an die edlen Krieger aus TNG und später erinnern, noch an die Sparversion aus der klassischen Serie. Abgesehen davon, dass Sie eine passive Rolle spielen, die auch irgendeine andere Rasse übernehmen könnte. Es gibt immer noch viel Action mit (leider) viel zu viel Lensflare, die Balance gefiel mir aber diesmal besser. Handwerklich kann man eh (wieder) wenig kritisieren, da sind schon tolle Filmemacher am Werk, keine Frage. Außer vielleicht…

3D, naja – nix Spoiler (Stufe 0)

SciFi und 3D, das klingt wie eine tolle Kombination, zumal sowieso die meisten Szenen nicht ohne CGI auskommen dürften. Trotzdem wollte man vor der (offenbar hier nachträglich) durchgeführten Umwandlung schon überlegen, ob es Sinn macht. Und hinterher nochmal probeschauen. Hätte man das gemacht, wären beispielsweise die Dialogszenen aufgefallen, in denen Gesprächspartner angeschnitten vordergründig im Bild sind. In 2D nett, in 3D hat man immer das Gefühl, dass einem jemand auf die Brille gespuckt hat, weil einem so ein unscharfer Punkt im Auge schwebt. In den Brückenszenen (gleichzeitig am Linsenflimmerlastigsten) kommt 3D auch nicht so gut raus, zumal auch die Kamera ja bei Abrams nie still steht. Und insbesondere dann, wenn Kleinteile blitzartig durchs Bild fliegen, sieht man bei 3D erfahrungsgemäß so gut wie nix. Es bleibt dabei, wer einen 3D-Film machen will, muss für 3D inszenieren, man merkt eindeutig, wenn ein Film nachträglich konvertiert wird. Es ist halt nicht dasselbe wie nachträgliche Koloration oder das nochmalige Abmischen für Mehrkanalton.

Die Bedürfnisse Vieler… – Heiße Spoiler (Stufe 10!!)

English: J. J. Abrams at the 2010 Comic Con in San Diego (Photo credit: Wikipedia)

Nachdem die ersten beiden Action-Feuerwerke abgebrannt sind, gibt es den ultimativen Zweikampf zwischen Kirk (+ Spock) und Khan. Dabei wird schnell klar, dass Abrams suggerieren will, dass er bereit ist, jeden ans Messer zu liefern. Und so gibt es die Möglichkeit die komplette Szene aus Zorn des Khan zu zitieren, in der sich Spock opfert, damit das Schiff gerettet werden kann. Die Rollen werden allerdings vertauscht, Kirk geht in die radioaktive Kammer und sorgt dafür, dass das Schiff nicht auf den Planeten aufschlägt (in der Vorlage musste die mächtig kaputte Enterprise Abstand zur USS Reliant gewinnen, weil Khan die Selbstzerstörungssequenz aktiviert hatte). Selbst der Dialog ist nahezu identisch, was ich als nette Verbeugung empfand. So genial wie das auf den ersten Blick wirkt, es zeigt auch, dass kein wirklich neuer Höhepunkt für die Story entwickelt wurde, wenn man mal von der irrigen Verfolgungsjagd in San Francisco absieht. Letztendlich wird auch dieses Zitat verwässert, weil Kirk am Ende des Films durch ein Serums von Khans Blut gerettet wird. Und auch Khan stirbt nicht. Letztendlich wirkt die Umsetzung im Vergleich zum klaren Schnitt in Zorn des Khan, in den eine Auflösung für Die Suche nach Spock nur subtil eingearbeitet wurde, so weniger ambitioniert.

Fazit – kaum Spoiler (Stufe 1)

Es ist ein toller Film. Es wäre noch ein besserer Film, wenn er nicht Star Trek sein wollte. Das habe ich bei Nummer Elf gesagt und es stimmt letztendlich auch hier. Wahrscheinlich um eben dieser Kritik zu begegnen, hat man bei Nummer 12 viel auf Nummer 2 zurückgegriffen. Auch das ist toll, insgesamt ergibt sich aber eine Mischung von vielem und nichts davon ist es so richtig. Mir scheint es, als hätte Abrams sich einschränken müssen, um die womöglich vom Studio geforderten Star Trek Momente einbauen zu können. Aber die Essenz fehlt mir trotzdem. Es geht eben nicht nur darum, dass der Transporter im falschen Moment versagt und die Rothemden zum Tode verurteilt sind, wenn sie eine Sprechrolle haben. Es geht auch nicht um technische Probleme, die gelöst werden müssen. Und es geht auch nicht nur um die Chemie zwischen Kirk und Spock. Die braucht man eigentlich auch nicht wirklich mehr thematisieren, das wurde in 79 Folgen und 6 Filmen zur Genüge getan. Es geht um Ideale, um die Idee einer neuen Menschheit, die den Weltraum erobert, weil Sie sich weiterentwickelt und alte Konflikte hinter sich gelassen hat. Into Darkness zeigt wie Star Trek 11 eine Menschheit, die sich nicht wirklich weiterentwickelt hat. Eine Zukunft, die auch heute spielen könnte, wenn man sich mal die Technologie wegdenkt. Und wo der Maschinenraum kein magisches Leuchten beinhaltet sondern Edelstahlrohre und riesige Bottiche, als wäre der Warpantrieb eine riesige Einspritzpumpe.

To Boldly Go Where No One has gone before. Das hat Abrams sicherlich mißverstanden, denn er liefert einmal mehr Star Trek mit viel Bums aber ohne die Vision ab, die es so erfolgreich besonders gemacht hat. So wird das Erbe Roddenberrys sicher keiner neuen Generation zugänglich gemacht. Es sei denn, man schaut sich danach noch mal den Original Khan an. 

Trailer

Bildquellen

http://spinoff.comicbookresources.com/2013/03/11/enterprise-surfaces-in-poster-for-star-trek-into-darkness/
http://www.g4tv.com/thefeed/blog/post/729578/star-trek-into-darkness-plot-officially-revealed/
http://collider.com/star-trek-into-darkness-clip-posters/
http://www.logenzuschlag.de/2013/03/26/neuer-trailer-zu-star-trek-into-darkness/
http://www.moviepilot.de/movies/star-trek-into-darkness/images/8978311