Der Zionismus - seine Theorien, Aussichten und Wirkungen (Teil 9)
Der Zionismus - seine Theorien, Aussichten und Wirkungen (Teil 9)
IV. DIE WIRKUNGEN DES ZIONISMUS
f) Zionismus und jüdisches Leben
Das Endziel des Zionismus ist eine gefährliche Utopie, wohingegen die Bewegung, die Agitation, die Verhetzung, das wichtigste darstellt. Die Einsichtigen unter den Zionisten wissen natürlich, daß die Zukunftshoffnungen unerfüllbar sind, ja viele von ihnen haben vor ihnen eine geheime Angst, weil ihnen doch davor bangt, das kostbare, ewige Besitztum, die jüdische Religion, zu zerschmettern. Da nun die Agitation, die Bewegung, eine so überragende Rolle spielt, hat der Zionismus in dem verhältnismäßig kurzer Zeitraum seines Bestehens die unangenehmsten und bedauerlichsten Wirkungen für das jüdische Leben der Gegenwart gehabt.
Es ist schon kurz erwähnt worden, daß er in den jüdischen Massen Rußlands Hoffnungen erweckt hat, die nicht zu realisieren sind, und daß im Augenblick, da die Unmöglichkeit sich erweist, als Reaktion eine unaussprechliche Entmutigung eintreten wird, die aber die ernstesten Folgen für den Bestand des Judentums haben muß. Wenn es gelingt, auch nur einem erheblichen Teil der russischen Jugend einzureden, daß Judentum nicht Religion sondern Nation ist, so hat er dort das Judentum zerstört. Denn es kann keinen Zweifel unterliegen, daß unsere Zeit des Rassenstandpunktes vorübergehen wird und daß ein Zeitalter einst folgen muß, indem man über Menschenwert und Kultur vernünftiger denkt.
Was dann? Wenn den Massen der Sinn für die Religion fehlt und das nationale Ideal praktisch sich als unausführbar, theoretisch als wertlos erwiesen hat? Dann löst sich das Judentum logischerweise auf, und dieses Zukunftsbild erweist zugleich, daß der Zionismus, so sehr er mit seinem angeblich positiven Judentum prunkt, doch im Grunde nichts ist, was unabhängig wäre von den Strömungen der Welt.
Eine weitere praktische Folge des Zionismus ist, daß er viel jüdische Arbeit einfach verhindert. Der Nichteingeweihte geht von dem falschen Standpunkte aus, daß hinter dem großen Geschrei etwas stecke, und die Laue und Zagen lauen sich in ein behagliches Philisterbewußtsein ein, in den Gedanken, daß ja der Zionismus arbeite! Zudem hat natürlich der Gedanke, daß „Wohltätigkeitsjudentum“ ein überwundener Standpunkt sei, daß es sogar der Seele des jüdischen Volkes schaden müsse, wenigstens bei denen recht angenehme Gefühle ausgelöst, die nicht gerne geben und zum Geben gezwungen werden müssen. Wenn sie auch wenig spenden für das „einzig wahre und unverfälscht echte Zukunftsjudentum“ , so beginnen sie inzwischen wenigstens insofern gesinnungstüchtig zu sein, als sie allmählich in der Opferwilligkeit für Aufgaben der Wohltätigkeit nachlassen. Die Tatsache daß die Anhänger des Zionismus gewiß persönlich opferfähig und -willig sind, kann diesen Schaden nicht aufwiegen. Dazu ist ihre Zahl zu gering, und das Geld kommt nicht Zwecken zu Gute, die für das Wohlergehen des Judentums irgendwie Bedeutung haben.
Schädlich hat der Zionismus auch insofern gewirkt, als in jüdische Gemeinden und Vereine eine kurzsichtige politische Kampfesweise mit all ihren Schäden und Mängeln getragen worden ist. Religiöse Angelegenheiten – und alle Dinge, die jüdische Gemeinschaften beschäftigen, stehen in engerer oder loserer Verbindung mit der Religion – besitzen eine gewisse Erhabenheit und dürfen nicht mit den selben Mitteln behandelt werden wie etwa wirtschaftliche Fragen. Religion und Politik sind Gegensätze und müssen Gegensätze bleiben!
Der Zionismus hat naturgemäß religiöse Streitfragen zu politischen Zänkereien herabgewürdigt, er hat alle Mittel der Politik, Intrigen, Lügen und Hetzereien in seinem Waffenarsenal mitgebracht, und der Mittelpunkt des Judentums ist für ihn nicht die Synagoge, sondern die rauchende und Bier trinkende Radauvolksversammlung, deren geistige Argumente je nach Gegend das Niederschreien des Gegners oder der Maßkrug sind, die für ernste Fragen weder Interesse noch Urteil hat, sondern dem zujubelt, der mit möglichster Lungenkraft, mit möglichst witziger Form, in möglichst vielen glatten Phrasen möglichst viel Gift verspritzen kann! Fügt man noch hinzu, daß, wie bei der wirklichen Staatspolitik, auch der Zionismus so manchem nur das Mittel ist, um sich Namen und Berühmtheit zu schaffen, so hat man die Hauptzüge der Verflachung und Verrohung beisammen, die unter dem Einfluß dieser Bewegung das jüdische Leben in Deutschland angenommen hat.
Eine solche Bewegung, der die Partei über alles, das Judentum nichts ist, die politisch und nur politisch sein will, muß sich im jüdischen Leben als Element der Zwietracht und Zersetzung bewähren. Nicht nur, daß ihre eigene positive Arbeit gering und wertlos ist, war den Zionisten auch das emsige, erfolgreiche Schaffen anderer jüdischer Kreise stets ein Dorn im Auge, und eifrig suchen sie zu zerstören, was zerstört werden kann. Den Deutsch-Israelitischen Gemeindebund, eine ungemein segensreich wirkende Organisation, haben sie beinahe gesprengt; sie haben den Willen bekundet, Tausenden von deutschen Juden die Mittel zur religiösen Belehrung und Erhebung zu entziehen, weil der Gemeindebund nicht zulassen wollte, daß seine Tagungen Gelegenheiten wurden, an denen sich jüngere, strebsame Zionisten im Halten demagogischer Agitationsreden übten. Der Gemeindebund wurde in seinen Grundvesten erschüttert, weil der Zionismus keine deutschfühlende und starke, positiv arbeitende Organisation verträgt. Ein anderes Beispiel ist die „Alliance israélite universelle“. Der blühende Zweig dieser Organisation ist auf’s schwerste gefährdet worden durch die Quertreibereien und Wühlereien der Zionisten, und dort wie überall wird es erst dann gelingen, etwas Brauchbares zu schaffen, wenn man sie und ihren Einfluß energisch hinausgeschafft.
Die größte Gefahr droht von Seiten des Zionismus der Jugend, die in ihrem Kraftbewußtsein weniger ihrem Verstande als ihrem Gefühle folgt, sich leicht von hohlen Phrasen berauschen läßt und immer zu Extremen neigt. Wir wollen und sollen unsere Jugend zunächst zu Juden erziehen, und falls sie sich durchaus Parteien anschließen wollen, so bleibe das einem reiferen Alter überlassen. Der Zionismus will es anders, ihm ist das Judentum nichts, die Partei alles, und er drängt sich an die Jugend früh heran, in einem Alter, da wir anderen es für vornehmer und nützlicher halten, nur zu erziehen, nur eine allgemeine, jüdische Grundlage zu geben. Der Zionismus füttert unreife Tertianer und Sekundaner mit verhetzenden und demagogischen Phrasen, nicht nur, für die Partei einzufangen, sondern um sie gegen alle Autoritäten aufsässig zu machen, die einen jungen Menschen vorbildlich sein müssen. Er erfüllt die Knaben mit Verachtung gegen alles Deutsche, das er sie als etwas Fremdes und Aufgezwungenes betrachten lehrt: er schürt den Haß gegen die jüdische Religion und dessen Vertreter, den Religionslehrer, weil dieser doch einen religiösen Standpunkt vertritt und Kraft seines Amtes und deren Aufgaben die Schüler in demselben Sinne beeinflussen muß. Es ist nicht zu verwundern, wenn Teile der jüdischen Jugend mit Scheuklappen vor den Augen durch das Leben gehen, wenn sie nichts sehen wie ihre nationaljüdische Partei und für allgemein jüdische Auffassungen weder Lust noch Interesse noch Verständnis haben! So ist es nicht erstaunlich, wenn jüdische junge Leute ohne Autoritätsgefühl heranwachsen, wenn sie später überhaupt nicht fähig sind, sich mit einem Ganzen als arbeitendes Glied einzuordnen, wenn sie statt Selbstbewußtsein nur arrogante hohle Anmaßung besitzen, die den jüdischen Namen verächtlich macht, das Judentum schädigt.
Ja, der Zionismus züchtet in seinen Anhängern eine geradezu erstaunliche Unbescheidenheit und Anmaßung. Der Nationaljude glaubt der einzige, aufrechte, wahre Jude zu sein. Was ein nichtzionistischer Jude sagt oder tut, ist ihm in milderen Fälle Unsinn, meist aber glatt Verrat. So scheut er sich auch gar nicht, auch nichtjüdischen Kreisen gegenüber seine gegensätzliche Stellung zu den anderen Teilen des Judentums so stark zu betonen, daß man wohl sagen kann, er rufe die Hilfe der Andersgläubigen gegen seine eigenen Brüder zu Hilfe, und daß er bei inneren Streitigkeiten je gegen seine jüdische Gegner aufzuhetzen sucht, dürfte der Verlauf der jüngsten Aussprache im „Kunstwart“ jedem gezeigt haben, der es sehen will. Der Zionismus ist, wie er sich auch drehen und wenden wolle, das Element, das die inneren Gegensätze im Judentum eifrig verschärft und vertieft, das die verbindenden Momente nicht gelten lassen will.
Braucht man nach alle diesen Dingen noch auf die Mittel hinzuweisen, mit denen der Zionismus seine Kämpfe führt? Es entspricht nur seinem Wesen, wenn er, wie jede Nummer einer zionistischen Zeitung es beweist, so sich im Streite benimmt, wie er es bei seinem großen Vorbild, dem Antisemitismus, gelernt hat. Nie kämpft er sachlich, sondern stets persönlich. Seine stärkste Argumente sind Beschimpfung des Gegners, Verdächtigung seiner Motive, das Aufwühlen seiner intimsten Verhältnisse, und wenn alles nicht zieht, muß Einschüchterung und Drohung die Wucht sachlicher Gründe ersetzen. Jeder Kampf beweist aufs neue, daß der Zionismus darum eine ernste Gefahr darstellt, weil er statt nach altjüdischer Art mit der ritterliche Waffe des Geistes zu kämpfen, sich lieber einer anderen, weit wirksameren, bedient: des Terrorismus!
Teil 8
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