Der Zins fehlt nicht!

Der Zins fehlt nicht!

Oft wird unter Geldsystemkritikern auch "vom fehlenden Zins" gesprochen, weshalb es für einige Kreditnehmer im Gesamtsystem unmöglich sei, ihren Darlehensbetrag plus Zinsen zurückzuzahlen und somit der Zahlungsausfall von Schuldnern (und die Vernichtung von Geldvermögen) systembedingt und geradezu vorprogrammiert sei. Aus diesem Grund müsse der fehlende Zins durch wiederholte Neuverschuldung ausgeglichen werden, damit das System nicht in sich zusammenbricht. Ist der fehlende Zins tatsächlich das Problem und welche Rolle spielt das Sparen? Wir werden das im Folgenden untersuchen.
Anhänger der Theorie vom fehlenden Zins (zu denen ich mich früher auch zählte) betrachten in ihrer Argumentation meist einen isolierten Kredit. Man stellt sich ein Geldsystem vor, in dem ein einzelner Teilnehmer eine Kreditsumme von 1.000 € aufnimmt, diese wird endfällig nach einem Jahr zurückgezahlt und mit 5% verzinst. In dieser "Inselbetrachtung" fehlt am Ende der Laufzeit des Kredits tatsächlich der aufzubringende Zins, wie in dieser Grafik rot dargestellt:
Der Zins fehlt nicht!

Auch wenn man das gleiche Beispiel auf acht Teilnehmer ausweitet, die jeweils 1.000 € Kredit gleichzeitig bei der Bank aufnehmen, und dann auch gleichzeitig endfällig nach einem Jahr tilgen, stellt man fest, dass am Ende des betrachteten Zeitraumes der Zins im System fehlt:

Der Zins fehlt nicht!
Gleiches gilt auch für das Gedankenmodell, wenn man Einzelkredite betrachtet, die zeitversetzt, nacheinander liegen. Hier hat man den Effekt, dass sich der fehlende Kreditzins aufaddiert, denn auch in dieser Vorstellung hat kein Kreditnehmer die Chance seinen Kreditzins aufzubringen:
Der Zins fehlt nicht!
Soweit zu den Betrachtungen und Argumenten aus der Theorie vom fehlenden ZinsDer Hauptfehler dieser Betrachtungsweise ist die Inselbetrachtung bzw. die isolierte Betrachtung von einzelnen Krediten in einem Geldsystem. Die Realität in der Welt der Kredite sieht jedoch ganz anders aus. In unserem Geldsystem überlagern sich zigtausende von Krediten die sich unterscheiden in Beginn, Laufzeit und Höhe des Kredites. Diese Überlagerung soll in dem folgenden Bild dargestellt werden:
Der Zins fehlt nicht!

In blau und lila sind die Einzelfälle dargestellt, die die Anhänger der Theorie des fehlenden Zinses als Argumentation nutzen, die weißen Striche stellen jetzt aber weitere Kredite dar, die im Geldsystem durch Banken erzeugt werden und bei Endfälligkeit auch mit Zins zurückgezahlt werden.

Wie bereits oben erwähnt, werden in der Realität die gezahlten Zinsen, die ein Kreditnehmer der Bank zahlt, über das Eigenkapital der Bank wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf gebracht und können dort unter anderem auch dazu benutzt werden, wieder als Zinszahlung an eine Bank bezahlt zu werden. So bezahlt zum Beispiel ein Bankangestellter, der einen Immobilienkredit aufgenommen hat, seine Zinsen aus seinen Lohnzahlungen, die aus dem Eigenkapital der Bank kommen. Diese Lohnzahlungen sind aber nichts anderes als die Zinseinnahmen der Bank. Aber auch ein Dividendenempfänger von Bankaktien kann mit der gezahlten Dividende wieder einen Kredit abzahlen, bzw. die Zinsen dafür bezahlen. Ebenso ein beispielhaftes Bauunternehmen für Bezahlung einer errichteten Bankfiliale.
Diese Rückführung des Zinses wird in der Argumentationmit dem fehlenden Zins übersehen.

Genauer erkennt man den Denkfehler, wenn man sich nicht eine isolierte Kreditvergabe betrachtet, sondern eine Kaskade von Kreditverträgen unterschiedlicher Laufzeiten, die sich überlagern:

Der Zins fehlt nicht!
Nehmen wir uns die angezeigten grünen Kredite heraus und betrachten was mit der Geldmenge und - im Laufe der Kreditnahme - mit den Zinszahlungen passiert, die nun, wie in der Realität üblich, zurückgeführt werden:
Der Zins fehlt nicht!
In hellgrün erkennt man die Geldmenge, die durch die unterschiedlichen Kredite entsteht und vergeht. Nun erkennt man, dass der erste Kreditnehmer seine Kreditzinsen aus dem geschöpften Geld des zweiten Kreditnehmers bedienen kann (dieses Geld hat er durch "Wirtschaften im Wirtschaftsraum" erhalten/verdient, schwarzer Pfeil nach oben). Diese Zinseinnahmen gibt die Bank zum Beispiel als Lohnzahlungen wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf (grauer Pfeil). Nun fehlt dieser Zins nicht mehr im System. Der in rot dargestellte Bereich ist der Zeitraum, in dem der gezahlte Kreditzins im Eigenkapital der Bankbilanz steht, solange bis der Zins zurückgeführt wird.
Auch die hier vorgestellte Betrachtung ist natürlich wieder vereinfacht/isoliert. In Wirklichkeit überlappen sich diese Kreditverträge deutlich enger und zahlreicher. Auch die Rückführung des Zinses über das Eigenkapital der Bank findet in einem ständigen Fluss statt, da die Ausgaben/Ausschüttungen der Bank auch ständig anfallen.
Wir halten fest: Der Kreditzins fehlt nicht, solange der Zins ausgegeben wird. Eine Aufschuldung kann nicht aus fehlenden Kreditzinsen abgeleitet werden. Die Argumentation der Anhänger des fehlenden Zinses basiert auf betrachtete Einzelfälle und ignoriert die Rückführung der Zinsen in das Geldsystem. Die Vorstellung, dass die Bank die Zinsen zurückhält, sodass ein Mangel im Wirtschaftsraum entsteht, der nur durch Neuverschuldung ausgeglichen werden kann, stimmt nicht mit der Realität überein.In unserer Betrachtung haben wir zudem nur endfällige Kredite betrachtet, um die Komplexität nicht noch weiter zu erhöhen und um uns an die Argumentation des fehlenden Zinses anzupassen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der übliche Kredit ein Tilgungskredit ist, bei denen die Zins- und Tilgungszahlungen nicht endfällig, sondern z.B. monatlich aufgebracht werden. Somit reduziert sich auch während der Laufzeit des Kredits die Zinszahlung monatlich durch die Tilgung des Kredits:
Der Zins fehlt nicht!
Wie man dem Tilgungsplan entnehmen kann, reduziert sich die Zinszahlung monatlich bei einem Einzelkredit. Wenn diese Zinszahlung von der Bank direkt in das Geldsystem zurückgeführt wird, dann fehlt am Ende der Laufzeit, selbst in der Einzelbetrachtung eines Kredites von 1.000 € , nur 0,36 € Zinsen!
Das Problem ist das Sparen im Tauschmittel!Der fehlende Zins führt also nichtper sezur Aufschuldung. Wie imallerersten Artikeldieses Blogs erklärt wird, entsteht Geld durch Kreditaufnahme. Die Wirtschaftsteilnehmer, die einen Kredit aufnehmen, geben dieses Geld in der Wirtschaft aus. Zum Beispiel kaufen sie Rohstoffe, um daraus dann ein Produkt zu erzeugen, dass sie weiterverkaufen können. Das erzeugte Kreditgeld befindet sich so nun im Tauschmittelkreislauf und das Geld tauscht andauernd weiter. Es gibt nun 2 Möglichkeiten, wie dieses Geld den Tauschmittelkreislauf verlassen kann.
Die erste Möglichkeit ist für das Geldsystem ideal. In diesem Fall kreist/tauscht das Tauschmittel solange, bis ein Kreditnehmer=Gelderzeuger, der das Geld durch Leistung in der Wirtschaft erhält, damit seinen Kredit zurückzahlt, also tilgt. In diesem Moment wird bei der Bank sein Geld mit seiner Schuld wieder vernichtet. Das Geld hat in seiner Zeit seiner Existenz als Tauschmittel funktioniert und hat der Wirtschaft durch Schaffung von Mehrwert in der Wirtschaft gedient.
Die zweite Möglichkeit, wie Tauschmittel den Wirtschaftskreislauf verlassen können istdas Sparen im Tauschmittel, denn gespartes Geld kauft, solange es gespart ist, nicht mehr in der Wirtschaft ein. Das Geld ist solange es "spart" als Tauschmittelgeparkt. Für Kreditnehmer entsteht nun ein Problem, denn sie haben keine Chance an das Geld zu kommen, das sie zum Tilgen ihrer Kredite so dringend bräuchten. Durch Sparen im Tauschmittel entsteht ein Mangel an freien Tauschmitteln in der Wirtschaft und es kommt normalerweise zu einer Reduzierung der Wirtschaftsleistung. Die Folge: Kreditnehmer gehen pleite, es sei denn, durch einen neuen Kreditnehmer wird wieder neues Geld erzeugt, dass das Geld ersetzt, welches durch das Sparen dem Geldsystem entzogen wurde.
Hierdurch entsteht einNeu-Verschuldungszwangund wenn sich in der Wirtschaft keine Nachschuldner finden lassen, dann springt z.B. der Staat alsLender of last resortein, damit das System aufrecht erhalten werden kann.
FazitSowohl das Sparen von Zinseinkommen als auch das Sparen von Beträgen aus anderen Einkommen führt zur Aufschuldung im Geldsystem und damit zum Anschwellen der Geld- und Geldvermögensbestände. Dient das Tauschmittel also nicht mehr seinem originärem Zweck und wird der Wirtschaft durch Sparen entzogen, dann ist das schädlich. Ob Guthabenzinsen dem Geldsystem schaden oder nicht hängt davon ab, ob der Zinsempfänger diesen Zins weiter spart oder konsumiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Sparer den Zins weiterspart ist natürlich viel größer, weil der damit verbundene Leistungsverzicht (das Sparen) vermögenderen Menschen leichter fällt als ärmeren Zinsempfängern.
Auch wenn es also - wie geschildert - keinen fehlenden Zins gibt, sondern das Sparen zu den beschriebenen Problemen führt, so ist der Zins dennoch nicht "frei von Schuld". Der Zinsanteil in fast jedem Warenpreis ist DER Umverteilungsmechanismus schlecht hin (sieheVideo-Seite), da ca. über 80% der deutschen Bevölkerung "Nettozinsverlierer" sind. Dies bedeutet, dass sie mehr Zinsen zahlen (den Zinsanteil in Warenpreisen), als sie einnehmen (z.B. Guthabenzinsen). Dies ist der implementierte Umverteilungsmechanismus in unserem Geldsystem.

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