Leider ist der SNB zu kompliziert für ein solches Unterfangen - und zudem unglaubwürdig. Immer wieder lässt sich zeigen, dass er selbst tut, was er den anderen vorwirft, z. B. eine "Entscheidung" trifft, d. h. "die Festlegung, (...) eine grundsätzliche Wahrheit zu verkünden" (s.o.), und dabei von seinem "Charisma" abhängt, das in diesem Fall etwa Laruelle oder Althusser heißt. Klammheimlich werden Begriffe entscheidend anders übersetzt, aus anicca wird "Verschwinden" statt "Vergänglichkeit" oder "Unbeständigkeit", und es gibt unverrückbare Prämissen wie diese: "Die kognitive Entscheidung des Buddhismus besteht aus demPostulat der raumzeitlichen Wechselhaftigkeit (samsara) als bedingt Gegebenem und aus demjenigen der Kontingenz (paticcasamuppada) als dessen bedingender Tatsache." (Bitte ggf. für eine Kritik hier im Blog nach Y-Buddhismus googeln).Dies sind die erklärten Ziele des SNB:"1) Aufdecken der syntaktischen Struktur des Buddhismus (die vom Buddhismus selbst nicht gesehen wird); 2) Untersuchung der Bedeutung und Tauglichkeit buddhistischer Sätze; 3) Prüfung aller zeitgenössischen Formen des Buddhismus in Bezug auf ihre Tendenz zum ideologischen Exzess."Alle diese Aussagen gelten nur für einen Teilbereich des Buddhismus. Sowohl in der buddhistischen Akademie sowie in Blogs wie diesem hier als auch in praktischer Schulung (etwa mit Koan) werden z. B. syntaktische Strukturen reflektiert und die Bedeutung von Dogmen oder "buddhistischen Sätzen" in Frage gestellt. Das ist ein wesentliches Charakteristikum des Zen. Und ich tue das auch mit der Syntax und den "Sätzen" der Y-Buddhisten und ihrem "ideologischen Exzess". Hierzu hatte ich zunächst Matthias geschrieben, dass sich die führenden Y- oder Nicht-Buddhisten freiwillig weiter an den Buddhismus binden, und zwar überwiegend durch die Meditation oder speziell das Vipassana. Im Einzelfall ist das für die Gegenwart nicht immer nachweisbar, da sich die Y-Strategen verständlicherweise ein wenig bedeckter halten, was ihre Meditationspraxis angeht, als andere. Hier meine Ergebnisse:a) Glen Wallis auf der Seite seiner Meditationsgruppe:
"We sit in stillness, silence, and attentiveness. Attentive to what? Wallace Stevens has an answer: For the listener, who listens in the sitting, And, nothing himself, beholds Nothing that is not there and the nothing that is."Diese Sprache ist uns geläufig. Bei Chih-i heißt das schon im 6. Jh.: "Da gibt es keinen Wissenden, keinen Sprecher. Wenn es kein Wissen und kein Sprechen gibt, ist es weder existent noch nicht-existent. Man ist weder Wissender noch Nicht-Wissender. Abgesehen von diesen Extremen verweilt einer da, wo es nichts zu verweilen gibt ... im stillen Reich der Wirklichkeit."Wesentlicher Bestandteil der Vipassana-Meditation ist die Schulung der Achtsamkeit (attentiveness), die Parallele ist sofort deutlich.
Um es zu pointieren - eine gänzlich andere Meditation könnte etwa so aussehen: "Wir meditieren in der Bewegung, im Lärm und in der Zerstreutheit, indem wir dem Gedankenchaos freien Lauf lassen."
Weiter O-Ton Wallis: "My first practice was vipassana [insight meditation]. Later, I practiced with the Soka Gakkai, which provided the tight discipline and structure that I needed at that time. After that, I practiced with both Soto Zen and traditional Theravada communities in Berlin ..."
Es folgt dann das übliche biographische Durcheinander, das von Dogen über Seung Sahn bis Dzogchen reicht. Wallis ist aber seiner Vorliebe fürs Dhammapada treu geblieben, das er übersetzt hat.
"Plötzlich entsteht in euch ein starker Wille, ihr greift die Tasche mit euren Schalen und wandert an tausend verschiedene Orte. Ich frage euch: Was fehlt euch? Alle Menschen haben die Buddha-Natur, doch ihr würdet sie selbst dann nicht erkennen, wenn sie direkt vor euren Augen wäre." (Yün-men)
b) Tom Pepper: Verlinkt sich auf seiner Facebook-Seite mit der "Buddhist Faith Fellowship of Connecticut", die dem Shin-Buddhismus zugehört, sowie einer marxistischen Gruppe in Großbritannien, die meint, ein guter Buddhist sei ein guter Marxist. Dem Wallis-Blog entnahm ich, dass Pepper ebenfalls vom Vipassana kommt: "My original understanding of Vipassana meditation", "and we can begin, also in 'sati' meditation, to examine the causes and the effects of this particular construction of conventional self", "Vipassana as I’ve encountered it over the last couple of years" etc. c) Der von Steingass gern zitierte Philosophie-Professor Thomas Metzinger meditiert täglich und forderte: "Die Mindestausstattung [bei der Erziehung von Kindern] sollte aus zwei Meditationstechniken bestehen."
d) Sam Harris (den ich hier zu den "Nicht-Buddhisten" zähle, ohne ihn mit den "Spekulativen" in einen Topf zu werfen, später mehr zu ihm): "For beginners, I always recommend a technique called vipassana."
Wie sich der Buddhismus selbst von zum Non-Buddhismus macht, das soll zum Schluss noch einmal Chih-i (538-597) ausdrücken: "Sieht einer Buddha, dann sieht er ihn nicht als Buddha an; es gibt da keinen Buddha, der Buddha wäre, und es gibt auch kein Buddha-Wissen, um ihn zu verstehen."
[Foto: Keller/Blick auf Bangkoks Zentrum; bitte anklicken zum Vergrößern]