Der „Würger“ von Aibling

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Nein, dies ist kein Beitrag über den Kuraufenthalt der Krimi-Ikone Edgar Wallace im ältesten Moorbad Bayerns. Vielmehr besinne ich mich einmal mehr auf die bekannteste Sehenswürdigkeit meiner Heimatstadt Bad Aibling: das Gelände der ehemaligen Abhörstation, auch liebevoll Edward Snowden-Gedächtnisstätte genannt.

Wo heute die berühmt-berüchtigten Radome wie überdimensionale Golfbälle liegen, landete 1926 ein erster Segelflieger auf der grünen Wiese. Die nächsten zehn Jahre eiferte man hier Luftfahrtgrößen wie Otto Lilienthal, den Gebrüdern Wright und Charles Lindbergh nach – bis die Schatten des bevorstehenden Weltenbrandes aufzogen. Ab 1. Oktober 1936 wurden die Sportflieger ausgesperrt: die Luftwaffe übernahm das Regiment. Nach dem Bau großer Hangars, Unterkünfte und Wirtschaftsgebäude (die „Horstsiedlung“, ein dem Areal benachbarter Straßenzug, geht nämlich mitnichten auf den aktuellen bayerischen Landesvater zurück) begann ab April 1937 der militärische Flugbetrieb, vorerst noch auf Doppeldeckern des Fabrikats Heinkel He 51. Es vergingen noch einige Jahre, bis ein wahrer Porsche der Lüfte in Aibling abhob.

Eine erbeutete Focke-Wulf Fw 190 im Imperial War Museum in London. Die einsitzige Standardversion. Für Schulflüge gab es eine zweisitzige Trainer-Variante. Das Heckfahrwerk mit Spornrad erforderte vom Piloten eine gewisse Geschicklichkeit bei der Landung.

Denn die Focke-Wulf Fw 190, der neue Shootingstar am europäischen Himmel, war nicht nur wendig wie ein Sportwagen. Wie die Klassiker aus Zuffenhausen wurde auch sie von einem luftgekühlten Motor angetrieben: dem Sternmotor 801 der Bayerischen Motoren Werke. Das Jagdflugzeug mit dem Beinamen „Würger“ kam als Nebenbuhlerin der älteren Messerschmitt Bf 109 erstmals 1942 in nennenswerten Stückzahlen zum Einsatz und mauserte sich zum zweiten Standardjäger der Luftwaffe. Angeblich ersann Focke-Wulf-Chefingenieur Kurt Tank den Spitznamen höchstpersönlich. Allerdings weniger mit martialischen Hintergedanken, als vielmehr inspiriert von einer gleichnamigen kleinen Raubvogelart.

Pferd vs. Vogel

Wie zweieinhalb Jahrzehnte später der „Urenkel“ Starfighter krankte auch die Fw 190 am unklaren Einsatzkonzept. Für Angriffe auf die schweren alliierten Bomberverbände musste die Panzerung verstärkt werden, was wiederum einen größeren – und schwereren – Motor erforderte. Zusatzgewicht, das sich im Dogfight – dem tödlichen Tanz in der Luft, Jäger gegen Jäger – unvorteilhaft auswirkte und den Beinamen, übernommen von einem flinken, kleinen Vogel, Lügen strafte. Trotz einiger Modifikationen bis Kriegsende überflügelte die amerikanische P51 „Mustang“ den „Würger“. Zu unser aller Glück, wenn auch zum persönlichen Pech der Piloten. Denn eine deutsche Luftüberlegenheit hätte die Welt einem Szenario à la The man in the high castle einen Schritt näher gebracht.

Das Hauptaugenmerk des Fliegerhorst Bad Aibling lag auf Ausbildung und Schulung. Erst ab dem 19. Juli ’44 kam es in Aibling und Umgebung immer wieder zu unangenehmen Überraschungsbesuchen der US Air Force. Am 29. Oktober gab es bei einem Luftangriff auf den Fliegerhorst sieben Tote in der benachbarten Ortschaft Heufeld. Der angebliche Absturz einer Fw 190 nach einem Luftkampf nahe Aibling ist historisch aber nicht verbürgt. Am 1. Mai ’45, eine Woche vor der Kapitulation des „tausendjährigen“ Reiches, war zumindest der Spuk aus der Luft vorbei: die 7. US Armee rückte in Bad Aibling ein. Auch der Fliegerhorst wurde kampflos eingenommen – die Besatzung war sprichwörtlich ausgeflogen, allerdings ohne fliegendes Gerät.

Einige Focke-Wulf Fw 190 auf dem Fliegerhorst Bad Aibling im Mai 1945. Dutzende Maschinen verschiedener Muster wurden zur Beute der Amerikaner. Es mangelte an Piloten und Treibstoff. Doch selbst wenn beides im Überfluss vorhanden gewesen wäre: ...wohin hätten die Piloten fliehen sollen?

Die Amerikaner machten das weitläufige Gelände bei Kriegsende zu einem Lager für Kriegsgefangene, Displaced Persons und Waisen. Unter den 100.000 Insassen waren auch zwei Männer, die später Geschichte schreiben sollten.


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