Der Wulff-Nachruf: Ein deutscher Staatsmann

Der Wulff-Nachruf: Ein deutscher StaatsmannVergangen. Vergessen. vergeben. Christian Wulff, der Mann, der anderthalb Jahre lang als Bundespräsident amtierte, ist Geschichte, sein Nachfolger bereits dabei, Nation mit dem Amt zuversöhnen, obwohl er noch nicht einmal offiziell inthronisiert worden ist. Von Wulff aber, der die Nation neuneinhalb wunderbare Wochen lang besser unterhalten hat als alle seine Vorgänger, kommen immer noch Neuigkeiten. Neuigkeiten, die zeigen, dass der schnäppchenversessene Dauerkurzurlauber vielleicht daoch genau der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen ist.

Nein, nicht weil mit Wulff ein Mann ganz oben an der Staatsspitze stand, der den deutschen Geist des "Geiz ist geil" nicht nur predigte, sondern konsequent vorlebte. Sondern weil Wulff offenbar auch deutsche Staatspolitik ganz privat lebte, wie der "Spiegel" in einer neuen Rezension der Affäre aufdeckt. Im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, das die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Wulff führt, habe der sich gegen den Verdacht, Urlaube als Geschenke vom Medienunternehmer Groenewold angenommen zu haben, mit dem Hinweis gewehrt, die von Groenewold vorgestreckten Auslagen für zwei Sylt-Abstecher habe er mit Hilfe von Bargeldgeschenken der Mutter seiner Frau zurückgezahlt.

Einmal habe die seiner Frau 1000 Euro in bar, ein weiteres Mal 2500 Euro geschenkt. Zuvor hatte Wulff global behauptet, er habe Groenewold in bar ausgezahlt, die Staatsanwaltschaft hatte jedoch auf seinen Konten keine Abhebungen in ausreichender Höhe feststellen können.

"Eine neue Lüge ist wie ein neues Leben", hatte PPQ zur Einleitung der finalen Phase der Wulff-Klamotte getitelt. heute aber ist klar: Wulff hätte nicht häme, sondern Mitleid verdient gehabt. Rettungslos verstrickt in seine selbsterdachten Erklärmuster, kämpfte der Karrierepolitiker, das weiß man heute, nicht nur um seinen Ruf und seinen Posten, nein, er kämpfte auch ums finanzielle Üebrleben.

Eine Parallele zum Vaterland. Das baute seinen Schuldenberg seit dem Tag, an dem Gerhard Schröder knallharte Sparpolitik verkündete, von 1.2 Billionen Euro auf 2.1 Billionen Euro aus, obwohl die Steuereinnahmen in derselben Zeit von 440 Milliarden jährlich auf 555 Milliarden jährlich anstiegen.
Auch Wulff hatte stets gut dotierte Posten, seit 1986 sogar. Er war Ratsherr, Beigeordneter, Landestagsabgeordneter und Ministerpräsident, nebenbei Partner einer Rechtsanwaltskanzlei und CDU-Fraktionschef. Ein Vierteljahrhundert verfügte Christian Wullf über Einkommen, die wenigstens doppelt so hoch waren wie das deutsche Durchschnittsgehalt. Allein in seiner Zeit als Ministerpräsident erhielt er rund 16.000 Euro monatlich - insgesamt wenigstens 1,4 Millionen Euro.

Dennoch stand der damals 49-Jährige, von dem teure Hobbys oder extravagante Vorlieben bis heute nicht bekannt geworden wären, im Sommer 2008 vor dem finanziellen Nichts wie Deutschlands Finanzminister. Wulffs Konto war mit mehr als 10.000 Euro in den Miesen, der Staat lag bei einem Verschuldungsgrad von 83 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ohne zu borgen, die Steuerquote hochzufahren, Geschenke anzunehmen und immer neue Steuern und Abgaben einzuführen ging es nicht mehr.
Der Altbundespräsident mit dem Jungsgesicht ist so gesehen ein überaus passender Repräsentant der Demokratie, der er den Plänen der Kanzlerin zufolge ein Gesicht geben sollte. Kann nicht mit Geld umgehen. Wirtschaftet beharrlich im roten Bereich. Bestellt Häuser und Autos, die er nicht bezahlen kann. Leistet sich Reisen, für die der Kontostand nicht reicht. Nein, kein Gauck wird der Seele des Staates so nahekommen können.


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