Der Wald ist voller Babys

Von Lukas Röthlisberger @Adekagabwa

Samen

Im Spätherbst hat es am Waldrand Hecken mit leuchtend roten Beeren: Pfaffenhütchen und Ebereschen, Schneeball und Heckenkirschen. Beim Blick auf den Boden sieht man Eicheln in riesigen Mengen auch Buchennüsschen, Hasel und Baumnüsse. Es sind alles Babys. Pflanzenbabys.

Was in der Tier- und Menschenwelt als Samen bezeichnet wird, heisst bei den Pflanzen Pollen. Merkwürdig. Und das was bei den Pflanzen die Bezeichnung Samen erhalten hat, ist bereits der Nachwuchs. Vor langer Zeit wurde das sprachlich durcheinandergebracht, als man die Zusammenhänge nicht so kannte. Wie war das nochmals im Aufklärungsunterricht mit den Blumen und Bienen ... kein Wunder, begriff das in der Klasse keiner so richtig.

Zurück zu den Pflanzenbabys - oder Embryos. In den winzigen Samen vom Mohn oder Nachtkerze, in den Sojabohnen und Kressesamen: überall ist der perfekte Bauplan der gesamten Pflanze drin. Das Genom (Erbgut) besteht aus Basenpaaren, welche die Information enthalten. Der Mensch hat 3 Milliarden solcher Basenpaare. Interessanterweise aber hat die Einbeere, die man auch im Herbst sieht, 150 Milliarden solcher Basenpaare. Also hat das Pflänzchen fünfzig mal mehr Informationen über ihren Bauplan als wir Menschen. Und keiner weiss warum.

Hier am Waldrand ist eine gigantische Menge an Information gespeichert. Es ist ein riesiges Potential da - aus den Eicheln eines einzigen Baumes könnte ein ganzer Wald gepflanzt werden (ca 10'000 Eicheln pro Baum). Aber die allermeisten Pflanzenbabys sterben ab, werden gefressen oder verfaulen einfach. Und es spielt keine Rolle.

Denn das Bewusstsein der Pflanze lebt durch die schiere Menge weiter.

Bild Links: Duften / 6cm x 18cm / Acryl / Papier / 2014, Nr. 14-070
Foto rechts: Einbeere (Paris quadrifolia)
Kopfbild: Eicheln und Feuerwanzen im Wald