Der Verzicht auf Vergangenheit

Bauhaus_Aschaffenburg_Sebastian-Hartlaub

von Sebastian Hartlaub (Eigenes Werk)

Designgeschichte und der Verzicht auf Vergangenheit

Hier veröffentlichen wir eine Stellungnahme der Gesellschaft für Designgeschichte zur Situation der Designgeschichte an deutschen Hochschulen – auch aus der eigenen Erfahrung, dass im Zuge von Bologna und anderen Maßnahmen der Effizienzsteigerung im Studium Fächer wie Designgeschichte und Theorie meistens die ersten sind, die eingestellt werden. Wo Geschichte nicht gelehrt wird, fehlt der Nachwuchs in Forschung und Lehre der nächsten Generation. Alarmierende Geschichtsvergessenheit.
[Die Redaktion]


Das universitäre Fach der Designgeschichte ist in Deutschland vom Aussterben bedroht. Die ehemalige C4-Professur für Geschichte und Theorie des Design an der Bauhaus-Universität Weimar ist seit 2011 vakant. An der Kunsthochschule Saarbrücken hat Prof. Dr. Rolf Sachsse, Professur für Designgeschichte, bereits das Pensionsalter erreicht. An der renommierten Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle werden – neben der Designtheorie – fachübergreifende Seminare zu Design- und Architekturgeschichte angeboten. Der Trend, Designgeschichte mit Architekturgeschichte, Kunstgeschichte und anderen kulturhistorischen Fächern zu verbinden, mag Geld einsparen, hilft aber keiner der Einzeldisziplinen, schon gar nicht in der Forschung, die fachliche Spezialkompetenz erfordert. Das bringt Wissensnachteile nicht alleine für die praktischen Studiengänge mit sich, es erschwert zudem die postgraduale wissenschaftliche Weiterbildung etwa zum Ph.D. in diesem Fach. An den ehemaligen Fachhochschulen sieht es nicht besser aus.

Anfang 2014 wurde Prof. Dr. Gerda Breuer, 18 Jahre lang Professorin für Kunst- und Designgeschichte an der Bergischen Universität Wuppertal, in den Ruhestand verabschiedet. Ihre Professur wird nicht wieder besetzt, vielmehr soll ihr Lehrgebiet zukünftig von anderen Professuren übernommen werden. Jedoch sind die wissenschaftlichen Professuren im Fachbereich “Design und Kunst” in Wuppertal auf Kunstgeschichte und Mediendidaktik ausgerichtet, da ist interdisziplinär für das Design wenig zu holen. Wie sollen die zukünftigen Industrie- und Kommunikationsdesigner die Geschichte ihrer eigenen Disziplin kennen lernen? Die Auseinandersetzungen um Sachlichkeit und Funktionalismus, um Moderne und Postmoderne im Design – alles vergangen, alles vergessen? Und wo sonst soll Forschung zur Designgeschichte betrieben werden, wenn nicht an den Hochschulen?

Einige Hochschulen besitzen hochwertige Designsammlungen, die von der jeweiligen Professur für Designgeschichte in der Lehre eingesetzt, für Forschung und Publikationen ausgewertet werden. In Weimar wurde die Designsammlung von Horst Michel – bis Ende der 1960er Jahre Professor für Formgestaltung in Weimar und Vertreter der Guten Form in der DDR – nach dem Ausscheiden des zuständigen Professors für Designgeschichte in das „Archiv der Moderne“ der Bauhaus-Universität überführt und dort archiviert. Was aber geschieht mit den ca. 5000 Objekten in der Designsammlung der Wuppertaler Universität, die bisher von der dortigen Professur für Designgeschichte betreut wurde und die ein früherer Rektor der Universität als Beitrag zur Stadtkultur in Wuppertal gesehen hatte? Die Universität will die Sammlung Anfang 2015 der Öffentlichkeit vorstellen und für die Exponate ein „digitales Managementsystem“ entwickeln. Aber wer soll das machen, wenn die zuständige Professur nicht mehr existiert?

An den Hochschulen und Kunsthochschulen, die Design als Studienfach anbieten, kann man ohne gravierende Ausbildungs- und Erinnerungsverluste auf eine Professur für Designgeschichte nicht verzichten, in der die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit – mit dem Deutschen Werkbund, dem Bauhaus und der Hochschule in Ulm – Bezugspunkte für die Gegenwart vermittelt.

Dagegen ist das Fach Designgeschichte in den angelsächsischen Ländern an vielen Universitäten vertreten. Dort wird etwa auch die Geschichte des Designs in der DDR wesentlich stärker thematisiert, während bei uns die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit im Design immer noch von den Nachwehen des Kalten Krieges beherrscht wird. Designgeschichte ist ebenso gesellschaftlich verankert wie das Design, aber ohne eigene Wissenschaftskompetenz gerät sie zum schiefen Annex anderer Kulturwissenschaften.

Gesellschaft für Designgeschichte e.V., März 2014 Vorstand: Prof. Dr. Siegfried Gronert, Dr. Wolfgang Schepers, Prof. Dr. Petra Eisele Die Gesellschaft für Designgeschichte e. V.

(GfDg) wurde 2008 gegründet und verfolgt das Ziel, die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Designs zu intensivieren sowie historische Forschung und Praxis miteinander zu vernetzen. Die Themen der bisherigen Jahrestagungen der GfDg: Deutsche Dinge. Design im doppelten Deutschland von 1949 bis 1989 (2009 in Hannover); Neo- Funktionalismus (2010 in Frankfurt/Main); Das Eigene und das Fremde: Transkulturelles Design (2011 in Weimar); Schrift / Macht / Welten. Typografie und Macht (2012 in Mainz); Design sammeln (2013 in Berlin). Die nächste Jahrestagung der GfDg wird am 23. und 24. Mai 2014 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg stattfinden: Social Design: Geschichte, Praxis, Perspektiven. www.gfdg.org


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