Der Versuch, den Sinn des Lebens zu retten. Lebens-Lagen #36: 13. Mai

Der österreichische Philosoph Ferdinand Ebner (1882 – 1931), der Zeit seines Lebens von Depressionen geplagt war, versuchte mit seinem Tagebuch den Sinn des Lebens zu retten. Am 8. Februar 1917 notierte er dazu:

“In unserem Leben haben wir unser Leben, aber auch die Welt mit der ihr innewohnenden “Tendenz zum Chaos”. Ein Tagebuch führen ist immer der Versuch, in diesem Chaos zu gestalten. Der Versuch, den Sinn des Lebens zu retten. Denn in dieser Tendenz zum Chaos droht der Sinn des Lebens in jedem Augenblicke verloren zu gehen.”1

Ebner, der in seinen Schriften scharf kritisierte und dafür scharf kritisiert wurde, arbeitete als Lehrer an der Volksschule. Seine Arbeitszeit war bisweilen unterbrochen von Aufenthalten in Sanatorien aufgrund seiner schwächelnden Gesundheit und Depressionen. Erschöpfung, Resignation, “Existenzverlorenheit” (wiederum 8.2.1917) sind Themen, die ihn oftmals beschäftigten. Eine eindrückliche Stelle findet sich etwa auch am 13. Mai 1917, wo es heisst:

“Das Beste an dem Leben, das ich gegenwärtig lebe, wäre noch immer das Entsetzen darüber und das Entsetzen über mich selbst. Aber auch dazu fühle ich mich zu sehr erschöpft. Wohin wird mich diese fürchterliche Abstumpfung meines geistigen Lebens führen, die ich in ihrer Fürchterlichkeit zwar deutlich genug erkenne, aber, genau genommen, nicht fühle?” 1

Weil für untauglich erklärt, musste Ebner im Ersten Weltkrieg keinen Dienst leisten. Stattdessen war er von 1915 bis zum Kriegsende als sogenannter “Brotkartenverteiler” für die Mehlversorgung seiner Gemeinde zuständig. Nach dem Krieg arbeitete er weiterhin als Lehrer, musste 1923 widerwillig die Leitung der Volksschule Gablitz übernehmen und verfiel in eine erneute Depression, die im März und Mai 1923 zu zwei Selbstmordversuchen führte. 2 Ebner starb schliesslich am 17. Oktober 1931 an Tuberkulose. Er hinterliess seine Frau Maria Mizera und seinen Sohn Walther (*1924).

(Was die Texte betrifft, so ist neben Tagebüchern und sonstigen Aufzeichnungen, natürlich sein philosophisches Hauptwerk erhalten: “Das Wort und die geistigen Realitäten: Pneumatologische Fragmente”. Grundannahme der Ebner’schen Philosophie ist, dass menschliches Bewusstsein nicht isoliert existiert, sondern sich das menschliche Ich immer auf ein Du bezieht (welches letzten Endes Gott ist).)


1. Aus: Ferdinand Ebner. Tagebuch 1917. Hg. v. M. Flatscher/R. Hörmann. Münster: LIT 2011.
2. Ausführliche Biographie und Bibliographie unter: http://www.ebner-gesellschaft.org/ueber-ebner

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