Homer der Autor der Ilias und Odyssee gilt als erster Dichter des Abendlandes. Über sein Leben ist nichts bekannt. Es ist noch nicht einmal sicher, ob Homer überhaupt gelebt an. Aber es gibt eben diese zwei Werke, die mit seinem Namen verbunden sind und die ein paar hundert Jahre vor der Geburt Christi geschrieben worden sind. Wahrscheinlich hat er, wenn es ihn gab, etwa „in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts und/oder in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. gelebt“.
In der Odyssee stoßen wir im 18. Gesang auf die Beschreibung eines Boxkampfes. In ihm kämpfen Odysseus und der Bettler Iros gegeneinander. Odysseus, der nach dem trojanischen Krieg 10 Jahre lang auf einer Irrfahrt war, kommt unerkannt, als Bettler verkleidet, nach Ithaka zurück. Er kommt zu seinem Königshof, wo er viele Fürsten seine Frau Penelope bedrängen sieht. Dort trifft er dann auf Iros, einen Bettler, der in ihm einen Konkurrenten als Bettler am Hofe sieht und ihn vertreiben will.
Antinoos, einer derjenigen, der Penelope heiraten will, fungiert als Promoter. Er lobt auch die Börse aus, nämlich einen Ziegenmagen, voll Blut und Fett, der schon auf dem Grill liegt und die Garantie, dass der Sieger in Zukunft der einzige ist, der im Saal betteln darf. Den übrigen Freiern gefällt dies und sie feuern die beiden Boxer an. Iros gilt, aufgrund seiner überlegenen Körpergröße, als Favorit. Das Stare Down geht aber schon mal klar für Odysseus aus, denn Iros zeigt sich beeindruckt, als er Odysseus erstmalig mit gegürtetem Gewand und nicht in einfacher Kampfkleidung sieht.
Der Kampf als solcher ist kurz. Iros hat den ersten Schlag, trifft aber nur die Schulter. Odysseus kontert mit einem Schlag, vermutlich einem Haken aufs Ohr. Dabei zerschlägt er einen Knochen und Blut schießt aus dem Mund von Iros, der zu Boden geht. Sieger durch KO in der ersten Runde: Odysseus.
© Uwe Betker
In der Odyssee von Homer, übersetzt von Johann Heinrich Voß, liest sich die vermutlich erste Beschreibung eines Boxkampfes, im ersten Teil des XVIII. Gesangs, so:
Jetzo kam ein Bettler von Ithaka, welcher die Gassen
Haus bei Haus durchlief, ein weitberüchtigter Vielfraß:
Immer füllt’ er den Bauch mit Essen und Trinken und hatte
Weder Stärke noch Kraft, so groß auch seine Gestalt war.
Dieser hieß Arnaios; denn also nannt ihn die Mutter
Bei der Geburt; allein die Jünglinge nannten ihn Iros,
Weil er gerne mit Botschaft ging, wenn es einer verlangte.
Dieser kam, Odysseus von seinem eigenen Hause
Wegzutreiben; er schalt ihn und sprach die geflügelten Worte:
Geh von der Türe, du Greis, daß man nicht beim Fuße dich schleppe!
Merkst du nicht, wie man rings mit den Augenwimpern mir zuwinkt,
Dich von hinnen zu schleppen? Allein ich scheue mich dennoch.
Auf denn! oder es kommt noch zwischen uns beiden zum Faustkampf!
Zürnend schaute auf ihn und sprach der weise Odysseus:
Elender, hab ich doch nimmer mit Wort oder Tat dich beleidigt!
Auch mißgönn ich’s dir nicht, wieviel dir einer auch schenke.
Und die Schwelle hat Raum für uns beide. Du mußt nicht so neidisch
Sehn bei anderer Milde; du scheinst mir ein irrender Fremdling,
Eben wie ich; der Reichtum kommt von den seligen Göttern.
Aber fordre mich nicht so übermütig zum Faustkampf,
Daß ich nicht zürn und dir, trotz meines Alters, mit Blute
Brust und Lippen besudle! Dann säß ich morgen vermutlich
Noch geruhiger hier; denn schwerlich kehrtest du jemals
Wieder zurück in das Haus des Laertiaden Odysseus!
Und mit zürnendem Blick antwortete Iros, der Bettler:
All ihr Götter, wie rasch der verhungerte Bettler da plappert,
Recht wie ein Heizerweib! Ich möcht es ihm übel gedenken,
Rechts und links ihn zerdreschen und alle Zähn aus dem Maul ihm
Schlagen wie einer Sau, die fremde Saaten verwüstet!
Auf und gürte dich jetzo, damit sie alle des Kampfes
Zeugen sei’n. Wie willst du des Jüngeren Stärke bestehen?
Also zankten sie sich vor der hohen Pforte des Saales,
Auf der geglätteten Schwelle, mit heftig erbitterten Worten.
Ihre Worte vernahm Antinoos’ heilige Stärke,
Und mit herzlicher Lache begann er unter den Freiern:
So was, ihr Lieben, ist uns bisher noch nimmer begegnet!
Welche Freude beschert uns Gott in diesem Palaste!
Jener Fremdling und Iros, die fordern sich jetzo einander
Zum Faustkampfe heraus. Kommt eilig, wir wollen sie hetzen.
Also sprach er, und schnell erhuben sich alle mit Lachen
Und versammelten sich um die schlechtgekleideten Bettler.
Aber Eupeithes’ Sohn Antinoos sprach zur Versammlung:
Höret, was ich euch sage, ihr edelmütigen Freier!
Hier sind Ziegenmagen, mit Fett und Blute gefüllet,
Die wir zum Abendschmaus auf glühende Kohlen geleget.
Wer nun am tapfersten kämpft und seinen Gegner besieget,
Dieser wähle sich selbst die beste der bratenden Würste.
Künftig find er auch immer an unserem Mahle sein Anteil,
Und kein anderer Bettler soll diese Schwelle betreten.
Also sprach er; und allen gefiel Antinoos’ Rede.
Listensinnend begann der erfindungsreiche Odysseus:
Lieben, ich alter Mann, durch so viel Elend entkräftet,
Kann unmöglich die Stärke des jüngeren Mannes bestehen.
Aber mich zwingt der Hunger, die härtesten Schläge zu dulden!
Nun wohlan! Verheißt mir denn alle mit heiligem Eidschwur,
Daß nicht Iros zuliebe mich einer mit nervichter Rechter
Freventlich schlagen will, ihm seinen Sieg zu erleichtern.
Also sprach er, und alle beschwuren, was er verlangte.
Und die heilige Kraft Telemachos’ redete jetzo:
Fremdling, gebeut es dein Herz und deine mutige Seele,
Treib ihn getrost hinweg und fürchte der andern Achaier
Keinen! Wer dich verletzt, der hat mit mehren zu kämpfen!
Dein Beschützer bin ich, und beide verständige Fürsten
Hegen, Antinoos dort und Eurymachos, gleiche Gesinnung.
Seine Rede lobten die übrigen. Aber Odysseus
Gürtete sich um die Scham mit seinen Lumpen und zeigte
Schöne, rüstige Lenden; auch seine nervichten Arme
Wurden entblößt, die Brust und die breite Schulter; Athene
Schmückt’ unsichtbar mit Kraft und Größe den Hirten der Völker.
Aber die Freier alle umstaunten die Wundererscheinung.
Einer wendete sich zu seinem Nachbarn und sagte:
Iros, der arme Iros, bereitet sich wahrlich ein Unglück!
Welche fleischichte Lende der Greis aus den Lumpen hervorstreckt!
Also sprachen die Freier, und Iros ward übel zumute.
Aber es gürteten ihn mit Gewalt die Diener und führten
Ihn, wie er zitterte, fort, und sein Fleisch umbebte die Glieder.
Und Antinoos schalt ihn und sprach mit drohender Stimme:
Wärst du doch tot, Großprahler, ja wärst du nimmer geboren,
Da du vor diesem so bebst und so entsetzlich dich anstellst
Vor dem alten Manne, den mancherlei Elend geschwächt hat!
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet:
Schlägt dich dieser zu Boden und geht als Sieger vom Kampfplatz,
Siehe, dann send ich dich gleich im schwarzen Schiffe zum König
Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menschengeschlechtes,
Daß er dir Nas und Ohren mit grausamem Erze verstümmle
Und die entrissene Scham den Hunden gebe zu fressen!
Sprach’s; da zitterte jener noch stärker an Händen und Füßen.
Aber sie führten ihn hin, und beide erhoben die Fäuste.
Nun ratschlagte bei sich der herrliche Dulder Odysseus,
Ob er ihn schlüge, daß gleich auf der Stelle sein Leben entflöhe,
Oder mit sanftem Schlage nur bloß auf den Boden ihn streckte.
Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste:
Sanft zu schlagen, um nicht den Achaiern Verdacht zu erwecken.
Iros schlug mit der Faust die rechte Schulter Odysseus’,
Dieser ihm unter das Ohr an den Hals, daß der Kiefer des Bettlers
Knirschend zerbrach und purpurnes Blut dem Rachen entstürzte.
Schreiend fiel er zu Boden, ihm klappten die Zahn’, und die Füße
Zappelten stäubend im Sand. Da erhuben die mutigen Freier
Jauchzend die Händ’ und lachten sich atemlos. Aber Odysseus
Zog ihn beim Fuß aus der Tür und schleppt’ ihn über den Vorhof
Durch die Pforte der Halle; da lehnt’ er ihn mit dem Rücken
Gegen die Mauer des Hofs und gab ihm den Stab in die Rechte;
Und er redet’ ihn an und sprach die geflügelten Worte:
Sitze nun ruhig hier und scheuche die Hund’ und die Schweine!
Hüte dich ferner, den Armen und Fremdlingen hier zu befehlen,
Elender Mensch, damit dir kein größeres Übel begegne!