Lieber Blog!
Nach einigen Monaten Pause melde ich mich wieder zurück. Warum? Nun… zum einen, weil ein neuer Beitrag schon längst überfällig ist und zum anderen weil ich gerade festgestellt habe, wie unterschiedlich die ursprüngliche Intention und die tatsächliche Wirkung einer Werbekampagne sein können. Dies führt unweigerlich zu der Frage, was der Ansatzpunkt bei der Beurteilung einer kritischen Werbung durch den Werberat bzw. durch die Rechtsprechung sein kann.
Wirkt ein Werbebild auf den Betrachter geschmacklos oder anstößig, klingeln bei uns Weltverbesserern und Moralaposteln sämtliche Alarmglocken. Wir erheben den Zeigefinger in unserem Freundeskreis und regen uns darüber auf, wie stillos doch manche Unternehmen zum Werbepinsel greifen, nur um Aufmerksamkeit zu erregen. Die ganz hartgesottenen schreiben eine Beschwerdemail an den Werberat (…das kann man übrigens hier machen). Konkurrenten und nach dem UKlaG anspruchsberechtigte Verbände öffnen vorsichtshalber schon einmal die “abmahnung_vorlage.doc”. Und das ist zunächst auch gut so. Die bei uns existierenden Instrumente zur Werbekontrolle funktionieren allesamt einwandfrei.
Als das werbende Unternehmen die ganze Aufregung mitbekommt, versteht es aber die Welt nicht mehr. Die Idee dahinter war doch eine ganz andere. Die hirnlose Zombie-Armee der Adressaten begreift einfach nicht, worum es wirklich geht. So geschehen im Falle einer Anzeige des Modehauses Breuninger:
OH. MEIN. GOTT. Alice Schwarzer bläht sich auf, läuft rot an und explodiert. Drei gut gekleidete und gutaussehende Männer im Paternoster-Aufzug, dazwischen eine grimmig glotzende Putzfrau. Und schon beginnt das Geschrei. PATRIARCHAT! FRAUENBILD! DISKRIMINIERUNG! VERACHTUNG! SCHUBLADENDENKEN!
Doch tatsächlich ist es ganz anders! Der Sprecher des Unternehmens äußert sich gegenüber Spiegel Online wie folgt:
“Die Putzfrau sei in Stuttgart – wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat – ein lokales Symbol, stehe für die schwäbische Kehrwoche. Die aktuelle Kampagne für Bürokleidung wolle den Paternoster-Aufzug als einen Ort zeigen, an dem sich alle treffen – vom Firmenchef bis eben zur Putzfrau. Man zeige hier Models neben Personen, die keinen direkten Bezug zu Mode haben. Auf einem anderen Foto ist statt der Putzfrau ein Astronaut zu sehen.” (» Hier geht’s zum Artikel)
Und schon ist die Luft raus. Naja, okay… Wenn das so gemeint ist… Hmm… Vielleicht doch etwas überreagiert.
Doch was ist die Konsequenz daraus? Wie beurteilt man als Lauterkeitswächter oder “Lauterkeitsrichter” solche Werbebilder? Ist eine Werbeanzeige einzeln oder im Gesamtkontext der ganzen Kampagne zu betrachten? Ist lediglich die Wirkung der Bilder auf den Durchschnittsadressaten oder auch die subjektive Intention des werbenden Unternehmens in die Bewertung einzubeziehen? Reicht vielleicht eine beschwichtigende Pressemitteilung samt Erklärung zu der Idee hinter einer Werbung aus, um die Wogen zu glätten?
Ich weiß es nicht. Man wird wohl – wie so oft – zum Schweizer Taschenmesser greifen müssen, der “Gesamtwürdigung” aller Umstände. Der Rechtssicherheit ist damit leider kaum geholfen. Zielführender wären wohl konkrete und verbindliche Kriterien, anhand derer man eine Werbung beurteilt. Ich bleibe dran. Update folgt.
Alex Goldberg
Berlin, Freitag der 13.