© Warner Bros. Pictures Germany / Steve Buscemi, Steve Carell und Olivia Wilde in “Der unglaubliche Burt Wonderstone”
Zwei Magier in einer gläsernen Box, weit über dem Erdboden hängend, von schaulustigen und sensationsgeilen Menschen dabei beobachtet, wie sie ihrer klassischen Profession der magischen Künste entsagen und stattdessen sogenannte Straßenkunst praktizieren. In einer neu aufkommenden Schwämme von Filmen („Hugo Cabret“, „The Artist“), die sich dem guten alten Handwerk widmen, Erinnerungsstücke an vergangene, noch nicht ganz so schnelllebige Zeiten, kann dieser Versuch der Aufmerksamkeitserregung nur nach hinten losgehen. Einer der Magier dreht durch, springt in diesem Glaskasten umher, ringt nach Luft, bekommt Platzangst und provoziert durch seine Panikattacke den Absturz. Unten warten schon die Sanitäter: Einer von ihnen John Francis Daley, als Schauspieler in der Paul Feig / Judd Apatow Fernsehserie „Freaks & Geeks“ aufgewachsen, nun seit geraumer Zeit als Drehbuchautor in Hollywood unterwegs. Hier hat er zuletzt schon mit Partner Jonathan M. Goldstein „Kill the Boss“ abgeliefert, eine Fortsetzung ist ebenso in der Mache wie eine weitere Episode zu „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“. Der besagte Magier, um den es hier geht ist Burt Wonderstone, gespielt von Steve Carell, der einst in „Evan Allmächtig“ die Komödienfackel eines Jim Carrey an sich riss. Hier steht er nun im Direktduell gegen „Bruce Allmächtig“ mit Carrey als Extrem-Straßenmagier mit Hang zur Selbstverstümmelung.
Steve Carell erhält im Magier-Krieg gegen Jim Carreys Modern-Magier Steve Gray Unterstützung durch Steve Buscemi, der den Freund seit Kindheitstagen mimt, der nun als Anton Marvelton an der Seite des Zauberkünstler-Superstars steht. Im Duo halten sie große Shows in Las Vegas ab, verdienen sich eine goldene Nase. Mit den Jahren hat sich dabei das Ego von Burt Wonderstone allerdings in ähnliche Höhen begeben wie der Bombast und die aufwendigen Illusionen, die von den beiden Magiern in ihrer Bühnenshow betrieben werden. Von der „magischen Freundschaft“, wie ihre Performance genannt wird, ist nur noch auf der Bühne etwas zu sehen, hinter den Kulissen kriselt es gewaltig. Burt sieht sich selbst als den Star an, Anton nur als Anhängsel zu seinen grandiosen Fähigkeiten. Als dann eben auch noch besagter Steve Gray ihnen den Rang abläuft, droht die gesamte Karriere von Burt und Anton den Bach hinunter zu gehen. Um gegen Gray anzukommen braucht Burt Wonderstone nicht nur die Hilfe seines Freundes Anton, sondern muss sich auch mit der Bühnenassistentin Jane (Olivia Wilde) und seinem Kindheitsidol Rance Holloway (Alan Arkin) verbünden, damit er die Welt mit der Leidenschaft wahrer Magie verzaubern kann.
Jim Carrey als Gegenspieler zu wählen war schon eine gewagte Entscheidung. Bruce Allmächtig, der Mann der in die Rolle Gottes schlüpfen durfte gegen Evan Allmächtig, im Hauptfilm nur mit einer kleinen Gastrolle versehen, in der Fortsetzung dann zu einem modernen Noah mutierend. Es scheint, als würde sich Steve Carell nur im Schatten Carreys bewegen, der immer schon ein starker Performer war, der sich mit einem gewissen Mimikspiel auf seine Komik verlassen konnte. Carrey war schon immer stark darin, sich selbst Charaktere einzuverleiben. Er war Ace Ventura, der tierische Detektiv, er war der bisher einzige Riddler der modernen Batman-Filmgeschichte (in Joel Schumachers „Batman Forever“ aus 1995), er war der von den Fernsehkameras rund um die Uhr beobachtete Truman Burbank in „Die Truman Show“ oder der giftgrüne Weihnachtsmuffel in „Der Grinch“. Carrey nimmt sich Rollen an, die in Erinnerung bleiben. Dem hat Carell nicht mehr entgegen zu setzen als seinen Michael Scott, bis 2011 in der US-Fernsehversion von „The Office“ zu sehen. Nicht dass er keine großen Rollen gehabt hätte, er hat sie nur weitaus weniger geprägt als sein Komiker-Kollege. So nun auch in „Der unglaubliche Burt Wonderstone“, dessen Filmtitel zwar auf Carells Old-School-Magier verweist, dann aber doch wieder aus Jim Carreys Extrem-Zauberkünstler die interessantere Figur macht.
Jim Carrey
Dessen letzte erwähnenswerte Rolle liegt nun auch schon einige Jahre zurück („Lemony Snicket – Rätelhafte Ereignisse“ in 2004), seither hat sich Carrey in eher mittelmäßigen Familienkomödien, Fernsehserien oder Kurzfilmen gezeigt. Nun scheint er wieder zu alter Form gefunden zu haben, nicht nur in „Burt Wonderstone“, sondern demnächst dann auch in der Fortsetzung zu „Kick-Ass“. Man mag noch nicht absehen ob es der zweite Frühling für den Darsteller wird, immerhin greift er hier aber auf sein altes Repertoire gekonnt zurück. Sein Steve Gray ist als Abbild der modernen Schaulust konzipiert. In bester Fernsehunterhaltung überzeugt er den Zuschauer von heute mit möglichst spektakulären, abartigen, brutalen und extravaganten Dingen. Er schneidet sich die Haut auf um eine Spielkarte daraus hervorzuzaubern, er schläft auf glühenden Kohlen und weist dabei auf das nach Barbecue riechende eigene Fleisch seines Körpers hin, er bohrt sich mit einer Bohrmaschine ein Loch in den Schädel. Das ist dann sein Grand Finale, mit dem er einen hochdotierten Vertrag in einem neu entstehenden Luxus Casino in Las Vegas gewinnen möchte. Sensationslust, der Kampf ums Publikum und das dahinter steckende Geld. Das ist die Kritik an der Moderne. Ihr wird die leidenschaftliche Nostalgie entgegen gesetzt, die aber auch erst noch von Steve Carells Burt Wonderstone wiederentdeckt werden muss.
So großartig die Auftritte von Jim Carrey dann sein mögen, so rar sind sie auch gesät. Immerhin ist es Carell der hier den Weg des leidenden Helden beschreiten muss. Anfangs ein arrogantes, selbstverliebtes, egomanisches Arschloch, wird er in einer recht geradlinig erzählten Handlung zum geläuterten Mann, besser noch: zum Kind gemacht. Denn das ist es, was der Film eingangs zeigt. Wenn im Jahre 1982 der kleine Burt seinen ersten Zauberkasten geschenkt bekommt und damit auch das faszinierende Leuchten in den Augen. Eine Begeisterung, die oftmals über die Jahre hinweg verloren geht. Diese kindliche Sicht auf die Dinge, diese ursprüngliche Leidenschaft schlägt auch hier in Routine um. Das große Vorbild Rance Holloway (ein wenig an Rip Torns Patches O’Houlihan aus „Dodgeball“ erinnernd) gibt zu, ebenfalls an dieser Alltäglichkeit zerbrochen zu sein. Er findet sich in einem Altersheim für Showgrößen wieder, wo er von Burt Wonderstone ebenso wiederentdeckt wird wie dieser ausgerechnet hier, unter den ausrangierten Menschen, die sich jedoch wieder auf das wesentliche im Leben konzentrieren können, seine Kindheit wiederfindet.
Olivia Wilde
Bei solch einem straight-forward erzählten Strang darf natürlich auch die Romanze nicht fehlen, die in Steve Carell und Olivia Wilde ein etwas ungleiches Paar findet. Man fühlt sich unweigerlich an „The Beauty & the Nerd“ erinnert. Kaum möchte man Olivia Wildes Jane abkaufen, dass sie als kleines Magie begeistertes Mädchen eine schwere Kindheit hatte, keine Freunde finden konnte. Denn ganz gleich ob „Tron: Legacy“ oder „Cowboys & Aliens“, ganz gleich ob großes Blockbusterkino oder kleinere Produktion à la „Wie ausgewechselt“ (an der Seite von Chris Pine) oder „Cold Blood“ (mit Eric Bana), Olivia Wilde ist die bessere Megan Fox, kann schauspielern und sieht dabei in jedem ihrer Auftritte auch noch gut aus. Dementsprechend muss man froh darüber sein, dass „Burt Wonderstone“-Regisseur Don Scardino die Romanze flach gehalten hat. Burt versucht seine Assistentin zu bezirzen, die in dem Widerling jedoch keinen potentiellen Partner erkennt. Wenn er sich dann aber ändert, wandelt sich auch ihre Einstellung zu ihm.
Das wird am Rande erzählt, ist dann aber nicht der Gipfel der Erzählung, der dann doch wieder umschwingt, der Thematik der Magiekunst seinen Respekt zollt. Hier geht es dann um Burt und Anton, wie sie wiedervereint ihren größten nie aufgeführten Trick vollführen, mitsamt einer wunderbar anzusehenden Auflösung während des Abspanns. Und damit verweist Steve Carell dann auch erst einmal Jim Carrey in seine Schranken. Jetzt hat er sich einen Charakter erschaffen: er ist zu dem wundervollen „Der unglaubliche Burt Wonderstone“ geworden.
“Der unglaubliche Burt Wonderstone“