Über das Glück, das nur bedingt mit der ökonomischen Lage korreliert.
Ich stand in diesem spanischen Laden herum und blätterte aus Belustigung in einer dieser deutschen Postillen umher, die sie hier verkauften. Schrecklicher Schund. Mir stach jedoch die »Zahl der Woche« ins Auge: »50 Prozent der Deutschen sind so zufrieden wie nie zuvor«. Aha. Eine aktuelle Studie des »Institut der deutschen Wirtschaft« soll das ergeben haben. »Algo más, Señor?«, fragte der Verkäufer. Ich blickte auf, legte die Zeitung weg, sagte »No, gracias, eso es todo« und zahlte. Brot und Serrano-Schinken, das sollte reichen, ich brauchte nicht mehr.
Die Situation in Spanien ist mies, kam mir in den Sinn, als ich aus dem Laden trat. Überall verkaufen sie jetzt Wohnungen zu Schleuderpreisen. Und das in bester Lage. Ganz bewusst habe ich die Gespräche mit einigen Spaniern auf »la crisis« gelenkt. Viele verdienen weitaus weniger als vorher, Urlaub ist für sie beispielsweise ein ferner Luxus aus vergangenen Tagen. Und in der Zeitung las ich parallel, dass jeder zweite Jugendliche dort ohne Ausbildung oder Arbeit sei. Die Tochter meiner Cousine zum Beispiel hüpft von Arbeitsgelegenheit zu Arbeitsgelegenheit. Sie hält sich so über Wasser, wie man das im Deutschen so schön bildlich sagt. Und das in einer wirtschaftlich eher gesunden Region. Gleichwohl habe ich viele Menschen getroffen, die nicht zu Tode betrübt wirkten. Ja, ich sah durchaus viele glückliche Spanier. Zufriedenheit. Wohlbehagen.
Alles halb so schlimm? Nein, das will ich damit nicht sagen. Armut ist noch lange kein Segen. Aber was heißt es schon, wenn man jetzt liest, dass irgendein Volk glücklich sei? Eigentlich gar nichts! Schon gar nicht, wenn es von Monat zu Monat immer glücklicher wird, so wie es in Deutschland der Fall ist. Hier arbeiten Anstalten zur Glücksvermessung täglich daran, dass ein solches Resultat herauskommt. Was aber Wirtschaft und Glücksempfinden miteinander zu tun haben, erschließt sich nicht wirklich. Mag auch die Ökonomie die Basis sein, wenn eine dieser Anstalten klingelt und fragt, wie glücklich man sei, dann denkt man erstmal an das private Glück, das kurzfristig gedacht ja völlig ohne die wirtschaftlichen Zusammenhänge auskommt. Man betrachtet sein Leben und sortiert danach sein Glücksempfinden.
»Zuhause im Glück« heißt ja dann auch eine Sendung auf irgendeinem Privatsender. Ein Titel, der blendend in unsere Zeit passt. Sie feilen alle am gesellschaftlichen Unglück, machen den Arbeitsmarkt zu einem Hort von Unzufriedenheit, aber im eigenen Zuhause kann das Glück noch herumlungern. Schön beschränkt auf die eigenen Zimmer, in der Gemütlichkeit der Privatheit, schafft man sich ein Plätzchen der Behaglichkeit. Ja, dieser Serientitel hat einen geradezu biedermeierlichen Touch.
Passend dazu die Empfehlung, die unter der »Zahl der Woche« in jener Postille stand: »Sind Sie eher unzufrieden? Schreiben Sie täglich drei Dinge auf, die Sie erfreut haben. So entdecken Sie das Glück der kleinen Dinge wieder neu.« Hm, wenn man diesen Ratschlag befolgt, dann kann selbst dem größten Unglück noch etwas abgewonnen werden. So notiert sich der bettlägrige Krebspatient, dass er heute zwei Minuten länger beim Toilettengang ausgehalten hat. Welch Freude! Und übrigens, der Joghurt war heute im Sonderangebot! Was für ein Glückstag! Ach Unglück, selbst du kannst ein Glücksfall sein!
Nach diesem fast schon esoterischen Prinzip arbeiten aber dann auch all diese Institute, die das Glück vermessen und es dann irgendwie mit der guten (Wirtschafts-)Politik in Verbindung bringen wollen. Die fragen bei Leuten an, die eben noch den Ratschlag mit den Notizen des Glücks kleiner Dinge beherzigt haben, die also aufgeschrieben haben: »Heute satter und unbeschwerlicher Schiss. Hämorrhoiden geben Frieden.« Und die so beseelt dann sagen: »Klar, ich bin zufrieden, manchmal auch richtig glücklich.« Und dann schieben die Glücksmesser es flugs der Merkel und ihrer Politik in die Schuhe. Dass es dem problemlosen Stuhlgang zuzuschreiben ist, ahnt ja keiner. Darauf kommt es ja auch nicht an.
Insofern können all diese Spanier, die mir begegnet sind, auch einfach nur so glücklich gewirkt haben, weil sie gut geschissen haben. Dass sie aber deshalb gleich auf die Folgen der Austeritätspolitik, mit der sie es zu tun haben, scheißen, muss man nicht annehmen. Glück und Ökonomie sind halt zwei Begriffe, die man nicht einfach so zusammenbringen kann. Wetten, dass es auch in Nordkorea glückliche Menschen gibt! Und Kubaner leiden Mangel an vielen Gütern, werden aber älter als Deutsche und scheinen immer zufrieden zu sein. Wie kommt das? Ich bin mir sicher, wenn man einen Insassen von Guantánamo fragte, wie er sich heute fühle, dann würde man an manchen Tage hören: »Heute bin ich glücklich, meine Peiniger haben mich unbehelligt gelassen. Kein niederknien, kein erzwungenes Spuken auf den Koran und es gab sogar schweinefleischfreies Essen.« Und wenn an einem Tage viele solcher Insassen nicht gefoltert wurden, könnte man als Schlagzeile formulieren: »Immer mehr Guantánamo-Insassen so glücklich wie nie!«
Glück ist ein Momentaufnahme und kein ökonomischer Faktor. Man kann in der Hölle für Momente glücklich sein und im Himmel durchgehend unglücklich. Ich bin es leid, ständig von Studien zu lesen, die des Deutschen Glück erwähnen und es den jeweils amtierenden Regierungen in die Schuhe schieben. Gestern meldete das Radio wieder so eine Glücksbotschaft. Wenn man dauernd wiederholen muss, dass man glücklich ist, dann stimmt da was nicht. Ich kannte da mal so ein redseliges Dummchen, das hat ungefragt der halben Welt regelmäßig berichtet, wie glücklich es mit ihrem Gatten ist. Am Schluss ist die Frau zu einem anderen geflüchtet und hat ihn sitzen lassen. Kundgetanes Glück bedeutet gar nichts.
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Ich stand in diesem spanischen Laden herum und blätterte aus Belustigung in einer dieser deutschen Postillen umher, die sie hier verkauften. Schrecklicher Schund. Mir stach jedoch die »Zahl der Woche« ins Auge: »50 Prozent der Deutschen sind so zufrieden wie nie zuvor«. Aha. Eine aktuelle Studie des »Institut der deutschen Wirtschaft« soll das ergeben haben. »Algo más, Señor?«, fragte der Verkäufer. Ich blickte auf, legte die Zeitung weg, sagte »No, gracias, eso es todo« und zahlte. Brot und Serrano-Schinken, das sollte reichen, ich brauchte nicht mehr.
Die Situation in Spanien ist mies, kam mir in den Sinn, als ich aus dem Laden trat. Überall verkaufen sie jetzt Wohnungen zu Schleuderpreisen. Und das in bester Lage. Ganz bewusst habe ich die Gespräche mit einigen Spaniern auf »la crisis« gelenkt. Viele verdienen weitaus weniger als vorher, Urlaub ist für sie beispielsweise ein ferner Luxus aus vergangenen Tagen. Und in der Zeitung las ich parallel, dass jeder zweite Jugendliche dort ohne Ausbildung oder Arbeit sei. Die Tochter meiner Cousine zum Beispiel hüpft von Arbeitsgelegenheit zu Arbeitsgelegenheit. Sie hält sich so über Wasser, wie man das im Deutschen so schön bildlich sagt. Und das in einer wirtschaftlich eher gesunden Region. Gleichwohl habe ich viele Menschen getroffen, die nicht zu Tode betrübt wirkten. Ja, ich sah durchaus viele glückliche Spanier. Zufriedenheit. Wohlbehagen.
Alles halb so schlimm? Nein, das will ich damit nicht sagen. Armut ist noch lange kein Segen. Aber was heißt es schon, wenn man jetzt liest, dass irgendein Volk glücklich sei? Eigentlich gar nichts! Schon gar nicht, wenn es von Monat zu Monat immer glücklicher wird, so wie es in Deutschland der Fall ist. Hier arbeiten Anstalten zur Glücksvermessung täglich daran, dass ein solches Resultat herauskommt. Was aber Wirtschaft und Glücksempfinden miteinander zu tun haben, erschließt sich nicht wirklich. Mag auch die Ökonomie die Basis sein, wenn eine dieser Anstalten klingelt und fragt, wie glücklich man sei, dann denkt man erstmal an das private Glück, das kurzfristig gedacht ja völlig ohne die wirtschaftlichen Zusammenhänge auskommt. Man betrachtet sein Leben und sortiert danach sein Glücksempfinden.
»Zuhause im Glück« heißt ja dann auch eine Sendung auf irgendeinem Privatsender. Ein Titel, der blendend in unsere Zeit passt. Sie feilen alle am gesellschaftlichen Unglück, machen den Arbeitsmarkt zu einem Hort von Unzufriedenheit, aber im eigenen Zuhause kann das Glück noch herumlungern. Schön beschränkt auf die eigenen Zimmer, in der Gemütlichkeit der Privatheit, schafft man sich ein Plätzchen der Behaglichkeit. Ja, dieser Serientitel hat einen geradezu biedermeierlichen Touch.
Passend dazu die Empfehlung, die unter der »Zahl der Woche« in jener Postille stand: »Sind Sie eher unzufrieden? Schreiben Sie täglich drei Dinge auf, die Sie erfreut haben. So entdecken Sie das Glück der kleinen Dinge wieder neu.« Hm, wenn man diesen Ratschlag befolgt, dann kann selbst dem größten Unglück noch etwas abgewonnen werden. So notiert sich der bettlägrige Krebspatient, dass er heute zwei Minuten länger beim Toilettengang ausgehalten hat. Welch Freude! Und übrigens, der Joghurt war heute im Sonderangebot! Was für ein Glückstag! Ach Unglück, selbst du kannst ein Glücksfall sein!
Nach diesem fast schon esoterischen Prinzip arbeiten aber dann auch all diese Institute, die das Glück vermessen und es dann irgendwie mit der guten (Wirtschafts-)Politik in Verbindung bringen wollen. Die fragen bei Leuten an, die eben noch den Ratschlag mit den Notizen des Glücks kleiner Dinge beherzigt haben, die also aufgeschrieben haben: »Heute satter und unbeschwerlicher Schiss. Hämorrhoiden geben Frieden.« Und die so beseelt dann sagen: »Klar, ich bin zufrieden, manchmal auch richtig glücklich.« Und dann schieben die Glücksmesser es flugs der Merkel und ihrer Politik in die Schuhe. Dass es dem problemlosen Stuhlgang zuzuschreiben ist, ahnt ja keiner. Darauf kommt es ja auch nicht an.
Insofern können all diese Spanier, die mir begegnet sind, auch einfach nur so glücklich gewirkt haben, weil sie gut geschissen haben. Dass sie aber deshalb gleich auf die Folgen der Austeritätspolitik, mit der sie es zu tun haben, scheißen, muss man nicht annehmen. Glück und Ökonomie sind halt zwei Begriffe, die man nicht einfach so zusammenbringen kann. Wetten, dass es auch in Nordkorea glückliche Menschen gibt! Und Kubaner leiden Mangel an vielen Gütern, werden aber älter als Deutsche und scheinen immer zufrieden zu sein. Wie kommt das? Ich bin mir sicher, wenn man einen Insassen von Guantánamo fragte, wie er sich heute fühle, dann würde man an manchen Tage hören: »Heute bin ich glücklich, meine Peiniger haben mich unbehelligt gelassen. Kein niederknien, kein erzwungenes Spuken auf den Koran und es gab sogar schweinefleischfreies Essen.« Und wenn an einem Tage viele solcher Insassen nicht gefoltert wurden, könnte man als Schlagzeile formulieren: »Immer mehr Guantánamo-Insassen so glücklich wie nie!«
Glück ist ein Momentaufnahme und kein ökonomischer Faktor. Man kann in der Hölle für Momente glücklich sein und im Himmel durchgehend unglücklich. Ich bin es leid, ständig von Studien zu lesen, die des Deutschen Glück erwähnen und es den jeweils amtierenden Regierungen in die Schuhe schieben. Gestern meldete das Radio wieder so eine Glücksbotschaft. Wenn man dauernd wiederholen muss, dass man glücklich ist, dann stimmt da was nicht. Ich kannte da mal so ein redseliges Dummchen, das hat ungefragt der halben Welt regelmäßig berichtet, wie glücklich es mit ihrem Gatten ist. Am Schluss ist die Frau zu einem anderen geflüchtet und hat ihn sitzen lassen. Kundgetanes Glück bedeutet gar nichts.
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