Weil dieser Artikel von Saba Fazan im Tagesspiegel ganz meine Meinung trifft, zitiere ich ihn hier komplett:
Tatsächlich sind die Parallelen zwischen der iranischen Freiheitsbewegung und der tunesischen Revolution frappierend. Beide Bewegungen sind getragen von einer sehr gebildeten jungen Generation. Bei beiden hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die von einer zunächst einzigen Forderung – in Tunesien Arbeitsplätze, im Iran Wahlfälschung – sich sehr schnell ausweitete zur Forderung nach politischer Freiheit. Besonders bedeutend ist, dass beide Bewegungen sich gegen den Islamismus richten. Im Iran, weil die Islamisten seit Jahrzehnten an der Macht sind, und in Tunesien, weil die politische Zukunft nicht in reaktionären Strukturen liegt, sondern in wirklich demokratischen.
Das hatte die Welt der jungen Generation niemals zugetraut und geradezu naiv unterschätzt, wie säkular beide Zivilgesellschaften orientiert sind. Es gibt freilich einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Freiheitsbewegungen: In Tunesien war sie erfolgreich und im Iran nicht – noch nicht. Gerade die vielen Gemeinsamkeiten stimmen aber hoffnungsvoll für die nahe Zukunft des Iran. Auch in Tunesien brauchte es zwei Jahre von dem Aufstand im Jahr 2008 bis zur erfolgreichen Jasmin-Revolution. In beiden Ländern haben wir eine horizontale Organisation der Proteste ohne klare Führung und Ideologie erlebt. Und beide Bewegungen sind maßgeblich von moderner Kommunikation getragen. Der wesentliche Unterschied für den Regimewechsel in Tunesien ist wohl, dass die Diktatur von Ben Ali autoritär, aber nicht totalitär ausgerichtet war. Der Totalitarismus der Islamischen Republik stellt so ziemlich jede andere gegenwärtige Form der Diktatur in den Schatten – vergleichbar nur mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus.
Es geht für die Machthaber im Iran um die vollständige Kontrolle über jeden Iraner. Allein in den vergangenen zwei Wochen des neuen Jahres sind im Iran mindestens 47 Menschen hingerichtet worden. Die Repression gegen die Zivilgesellschaft ist eben nicht gleichbleibend dramatisch, sondern kontinuierlich schlimmer geworden. Es ist daher bemerkenswert, dass sich trotzdem so zahlreiche junge Iraner von Protesten an den Universitäten nicht abhalten lassen – auch wenn das fast niemand mehr so richtig wahrnehmen möchte.
Es ist bemerkenswert, wenn politische Häftlinge Aufrufe zur Revolution aus ihren dunklen Kerkern senden. Die jungen Iraner betrachten die Ereignisse in Tunesien mit Stolz und ja, auch etwas Neid. Den Tunesiern ist gelungen, wofür die Iraner im Moment wieder die Kraft sammeln. Denn jeder Diktator macht irgendwann einen strategischen Fehler: Ben Ali hat es nach dem Aufstand 2008 nicht für nötig gehalten, die Bedürfnisse seines Volkes zu respektieren, und das iranische Regime hat gerade mit der Aufhebung von staatlichen Subventionen sein eigenes Ende besiegelt. Da können die Regimetreuen ruhig für einen Moment ihrer Einbildung folgen, in Tunesien sei der Export der islamischen Revolution gelungen. In Wahrheit ist es der Beginn einer wahrlich beeindruckenden Demokratisierung der Region und weit darüber hinaus.
Es bedeutet etwas, dass eine solch liberale Revolution in einem islamischen Land zu Beginn eines neuen Jahrzehnts gelungen ist. Inspiriert wurde sie offensichtlich von der iranischen Freiheitsbewegung, und sie gibt den freiheitsliebenden Iranern ihren Mut zurück.
Die Autorin ist Publizistin und Beraterin der International Campaign for Human Rights in Iran in Genf und Brüssel.