Der diesjährige Turner Preis, einer der renommiertesten Kunstpreise der Welt, geht neue Wege. War er in den vergangenen Jahren häufig getrieben von artifiziellem Spektakel á la Damien Hirst (lebensgroße Kälber im Konservierungsbad, diamantenbesetzte Totenschädel), das allenfalls für die elitären Kunstsammler dieser Welt sinnhaft schien, ist der Preis gerade an eine urbane Revitalisierung in Liverpool verliehen worden. Dort haben sich die letzten Anwohner des Viertels rund um die Granby Street aufgemacht, ihr Quartier mit neuem Leben zu füllen. Die Preisträger, stellvertretend für die Initiative, sind die Londoner Architekten von Assemble, die nach und nach und mit spektakulärem Pragmatismus die hundert Jahre alten Reihenhäuser sanieren und so die stadtplanerischen Visionen des Abrisses und der Luxusvermarktung vereiteln.
"Useful Art" beschreibt das Projekt wohl treffend, aus dem auch ein, für jedermann sinnhaftes Recycling-Label mit eigenem Onlineshop entstanden ist: Der Granby Workshop. Hier gibt's verarbeitete Reste der Sanierung als Designobjekte, quasi Teile des prämierten Artefakts, zu kaufen. Die Kunst rund um die Granby Four Streets dürfte für die Entscheidung der Turner-Jury wohl die Kunst des Mutes zum Neuanfang und zur Gemeinschaft gewesen sein. Das passt besser in die Zeit als Diamanten-Altäre oder eine, in diesem Jahr auch nominierte, Installation von Bauhaus-Stühlen mit Pelzjacken über der Lehne.
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