Schlecht gewählt ist bereits der Titel, der sich wohl auf die Ereignisse in Lienz – Austria – beziehen soll. Hier war das Hauptquartier derjenigen Kosaken, die einst an der Seite der Deutschen Wehrmacht gegen Stalin kämpften, nun aber – nach der deutschen Niederlage – hofften, überleben zu können.
In Lienz wurde nicht mehr geritten – Hier war deren Quartier.
Vorübergehend.
Bis die Briten sich anschickten, diese Kosaken an Stalin auszuliefern. Was folgte war Dramatik pur: Mütter sprangen mit ihren Kindern in die hochwasserführende und eiskalte Drau. Männer erschossen oder erhängten sich. Diese Ereignisse gingen als “Tragödie an der Drau“ in die Geschichte ein,
“Todesritt” ist bestimmt die falsche Vokabel. Die letzten Kosakenpferde grasten die Wiesen leer während deren Reiter in Unsicherheit warteten. Und enttäuscht wurden – so mutig kann man heutzutage ruhig sein, dies zu behaupten – die Briten wurden zu Handlangern eines Massenmörders.
Aber die Briten sind heute die Guten, also lenkt man das Thema etwas um, nach Osten, auf die “verzweifelte Flucht”:
“Der Archäologe Professor Harald Stadler von der Universität Innsbruck ist zusammen mit dem 78-jährigen Alexander Pevnev auf über 2000 Meter gestiegen, um die Relikte einer verzweifelter Flucht zu finden: Pferdeknochen und einen Wehrmachtsknopf.”
Peinlicher Begleittext. Und Flucht? – Die war lange zuvor.
Was in Lienz geschah war Abtransport zum Massenmord.
Um die weitere Sendezeit aufzufüllen, bleibt man ahnungslos beim Thema “Kosaken”.
Alle Kosaken sind gleich, glaubt man wohl im ZDF und ballert Masepa und Kalnischewski in die selbe Sendung, obwohl allein zwischen dem Leben dieser beiden Hetmanns nahezu 200 Jahre Weltgeschichte stehen. So gerät eine Doku zur eierlegenden Wollmilchsau.
Andererseits ist eine ZDF-Doku immer hübsch anzusehen. Die Titelmusik ist stets dramatisch, man sieht irgendwelche Leute buddeln oder tauchen und einer der Forscher sagt etwas in die Kamera, dazu eine Stimme aus dem Off. Im Duktus der BILD werden die Headlines geliefert – “Todesritt der Kosaken” – Wahnsinn!
Offenbar sollen auch Unterschichten an die Dokus gelockt werden, Programm braucht Quote.
Zur Klarstellung: Kosak (Abstammung “Qazaqtar”) bedeutet “freier Krieger”. Im Sinne von “Mensch ohne Obrigkeit”. Er ist derjenige, der stark genug ist, nichts abgeben zu müssen. Weshalb es auch in Raum und Zeit ethnische Unterschiede geben muss, denn an der Wolga wird man wohl mit einer Bandura nichts anzufangen wissen.
Das Spannende am Rande:
(1) Kosaken waren zunächst zu Wasser beweglicher als zu Land, sie waren Flussmenschen, was logisch ist, denn die meisten Menschen, die aus Leibeigenschaft türmten, siedelten sich an den damals noch fischreichen Gewässern an. Bei Chortyzja fand man die Überreste einer Werft, man hätte Gelegenheit zu beweisen, Geschichtsschreibung zu korrigieren, zu ergänzen – aber das Wirklichwichtige wird im ZDF nur am Rande erwähnt.
(2) Wenig weiß man in Deutschland über Hetmann Kalnischewski, der im Alter von 85 Jahren unter Katerina der Großen zu 25 Jahren Verbannung verurteilt war, DIESE ZEIT ÜBERLEBTE und den Rest seines weiteren Lebens – im Alter von 113 Jahren – als Mönch im Solowetzki-Kloster beendete.
(3) Apropos Solowetzki-Kloster, abgebildet auf der 500-Rubel-Banknote der Russischen Föderation, bekannt durch den Roman “Archipel Gulag” wurde gleich nach dem Aufstand der Bolschewiki in ein Arbeitslager umgewandelt.
Es wer weder das größte noch das schlimmste, doch es war das erste, und es war jener Ort, an dem das Gulag-System entwickelt und getestet wurde. Hier wurde errechnet, wie viele Kalorien ein Sträfling täglich braucht und wie viele Wächter pro hundert Häftlinge nötig sind. Über sämtliche Vorgänge wurde mit wissenschaftlicher Akribie Buch geführt, und – hätten Sie das gewusst? – 1934 besuchten Spezialisten aus Deutschland das Lager, um zu lernen. Ausgestattet mit sowjetischer Erfahrung, konnten schließlich auch in Deutschland hübsche Konzentrationslager entstehen…
Huch – Nun geht es mir doch tatsächlich so, wie dem Autor der ZDF-Doku: Ich fange tatsächlich an, mich zu verzetteln. Es sind einfach zu viele Themen in einer Doku.