Claus Weselsky drängelte auf der Autobahn und brave Bürger empören sich darüber bei »Bild«. Putin verheimlicht der Welt gerüchteweise seine Mama und die »Zeit« stürzt sich drauf. Wir tun alles, damit unsere zeitgenössischen Teufel vollumfänglich diabolisch aussehen. Lückenlos verdorben und durchtrieben. Jede kleine Episode, jedes Gerücht hilft, um dem Leser die Welt im hübschen Schwarz und Weiß zu halten.
Der Volksglauben ist so eine Sache. Er füllt sich nur schwerlich durch Dogmen, die feine Kirchenleute ersponnen haben in ihren Elfenbeintürmen. Er möchte bereichert werden durch Geschichten und Erzählungen »aus dem Leben«; Geschichten, die leicht im Kopf bleiben und eindeutig einzustufen sind - und das freilich ganz ohne exegetische Befähigung. So war es auch mit allen Teufelsgeschichten, die am Rande des offiziellen Kanons so entstanden. Den Teufel kannte man zu gut. Man wusste, was dieser Lump aus der Unterwelt so an der Waffel hatte und ahnte, dass er überall lauerte. Aber dass der ganze Spaß so richtig lebensnah wird, dazu brauchte man Kommunikation. Wenn nicht mit ihm, dann eben über ihn. Und so bastelte man drumherum Märchen und Sagen. Das machte zum einen Freude, reicherte die Boshaftigkeit des Antichristen mit handfestem Erzählstoff an und verstärkte zum anderen die Furcht der Menschen.
Exakt aus diesem Grund ließen es sich die Herren Theologen auch gefallen, dass das Volk die offizielle Kirchenlinie um Volksfrömmlerisches anreicherte. Und wenn sich Angst besser einstellte, wenn man den Teufel angeblich hier oder dort gesehen hatte, er einem armen Jungen den Arm ausriss, aus dem Mund eines Mädchen herauskrabbelte oder Steine bei einem Kirchenbau verschwinden ließ, um sie drei Straßen weiter an eine Hausecke zu donnern, dann nickte man mit theologischem Kalkül und nahm es eben hin. Solange Horrormärchen kursierten, blieb der Pöbel auf Linie. Und nur darauf kam es letztlich an.
Ja, Menschen brauchen vermutlich das Böse. Es macht die Welt zu einem selektiven Ort und erlöst sie aus der Grauzone und der Monotonie. Das wirklich Böse ist der Topseller jeder Epoche. Man liebt es, weil man es so praktisch hassen kann. Und die Menschen brauchen Geschichten vom Bösen. Nicht nur Adjektive. Sie wollen die Adjektive in einer Story aufgehen sehen, zuhören wie sie sich aktiv austoben. Geschichten von schlechten Taten und von seltsamen Bewandtnisse, die das Böse lebendiger wirken lassen, erhöhten immer schon den Nervenkitzel und polarisierten. Mit einem Feedback, das bestätigt, dass das Böse nicht nur einfach ein festgestellter Zustand ist, sondern eine Wahrheit, die sich wie ein Mosaik zusammensetzen lässt, integriert man das Böse in den Alltag.
Das ist durchaus in Ordnung, weil menschlich. Müssen diese Aufgabe aber heute die Medien übernehmen? Ist Journalismus dieser Tage nur noch das Unterfüttern mit Geschichten, um die Legende am Köcheln zu halten? Heißt journalistische Arbeit heute, das Böse nicht mehr erklären und analysieren zu wollen, sondern es mit kleinen Anekdokten zu untermauern?
Zeitungen geraten in diesen Zeiten, da an jeder Ecke ein Gesellschaftsfeind lauert, zu einer Chronik moderner Volksfrömmigkeit. Der Teufel hat heute natürlich viele Gesichter bekommen. Den Teufel gibt es nicht mehr. Wir sind modern. Arbeitsteilung ist das Stichwort. Und auch die Teufelsarbeit übernehmen viele Schultern. Jedem dieser Teufel will Leben eingehaucht werden. Also kratzen sie sich Stories über Gewerkschaftsbosse zusammen, kleine Anekdoten, die verraten, dass der Teufel im Detail steckt. Rasende Bosse von Kleingewerkschaften auf der Autobahn, das sind dieselben Geschichten wie jene, wonach der Teufel Steine entwendet hatte, um die Vollendung der Kirche zu verhindern. Weniger phantasievoll natürlich. Phantasie war ja der Eintrittspreis in die Mediokratie. Wir helfen uns mit authetischeren Geschichten ab, um das Böse zu porträtieren und fassbarer zu machen. Aber das Prinzip ist dasselbe. Es ist zur Erzählkunst aufgeblasene Unwesentlichkeit, die die gähnende Langeweile eines Teufels ein bisschen spannender machen soll.
Wir haben so viel gelesen. Über Weselsky. Über Putin. Kleinigkeiten aus deren Alltag - ob wahr oder nicht -, die diesen modernen Teufelsgestalten ein diabolisches Leben einhauchten. Wenn wir wüssten, wie normal und alltäglich all diese Teufel doch wohl letztlich sind, wir müssten eine Stufe zurückfahren und die Welt als weitaus komplexer und als reicher an Schattierungen akzeptieren. Und dann würde es verwickelter. Moralische Selektion ist ein schwieriges Geschäft, wenn man abwägen muss. Das wussten auch schon die Theologen damals. Also ließen sie Teuflisches zu. Sie wussten, der Teufel war auch nur einer, der abends seine Füße auf den Strohsack legte und hoffte, dass ihn jemand mochte. Und warum auch nicht?
&button;
Der Volksglauben ist so eine Sache. Er füllt sich nur schwerlich durch Dogmen, die feine Kirchenleute ersponnen haben in ihren Elfenbeintürmen. Er möchte bereichert werden durch Geschichten und Erzählungen »aus dem Leben«; Geschichten, die leicht im Kopf bleiben und eindeutig einzustufen sind - und das freilich ganz ohne exegetische Befähigung. So war es auch mit allen Teufelsgeschichten, die am Rande des offiziellen Kanons so entstanden. Den Teufel kannte man zu gut. Man wusste, was dieser Lump aus der Unterwelt so an der Waffel hatte und ahnte, dass er überall lauerte. Aber dass der ganze Spaß so richtig lebensnah wird, dazu brauchte man Kommunikation. Wenn nicht mit ihm, dann eben über ihn. Und so bastelte man drumherum Märchen und Sagen. Das machte zum einen Freude, reicherte die Boshaftigkeit des Antichristen mit handfestem Erzählstoff an und verstärkte zum anderen die Furcht der Menschen.
Exakt aus diesem Grund ließen es sich die Herren Theologen auch gefallen, dass das Volk die offizielle Kirchenlinie um Volksfrömmlerisches anreicherte. Und wenn sich Angst besser einstellte, wenn man den Teufel angeblich hier oder dort gesehen hatte, er einem armen Jungen den Arm ausriss, aus dem Mund eines Mädchen herauskrabbelte oder Steine bei einem Kirchenbau verschwinden ließ, um sie drei Straßen weiter an eine Hausecke zu donnern, dann nickte man mit theologischem Kalkül und nahm es eben hin. Solange Horrormärchen kursierten, blieb der Pöbel auf Linie. Und nur darauf kam es letztlich an.
Ja, Menschen brauchen vermutlich das Böse. Es macht die Welt zu einem selektiven Ort und erlöst sie aus der Grauzone und der Monotonie. Das wirklich Böse ist der Topseller jeder Epoche. Man liebt es, weil man es so praktisch hassen kann. Und die Menschen brauchen Geschichten vom Bösen. Nicht nur Adjektive. Sie wollen die Adjektive in einer Story aufgehen sehen, zuhören wie sie sich aktiv austoben. Geschichten von schlechten Taten und von seltsamen Bewandtnisse, die das Böse lebendiger wirken lassen, erhöhten immer schon den Nervenkitzel und polarisierten. Mit einem Feedback, das bestätigt, dass das Böse nicht nur einfach ein festgestellter Zustand ist, sondern eine Wahrheit, die sich wie ein Mosaik zusammensetzen lässt, integriert man das Böse in den Alltag.
Das ist durchaus in Ordnung, weil menschlich. Müssen diese Aufgabe aber heute die Medien übernehmen? Ist Journalismus dieser Tage nur noch das Unterfüttern mit Geschichten, um die Legende am Köcheln zu halten? Heißt journalistische Arbeit heute, das Böse nicht mehr erklären und analysieren zu wollen, sondern es mit kleinen Anekdokten zu untermauern?
Zeitungen geraten in diesen Zeiten, da an jeder Ecke ein Gesellschaftsfeind lauert, zu einer Chronik moderner Volksfrömmigkeit. Der Teufel hat heute natürlich viele Gesichter bekommen. Den Teufel gibt es nicht mehr. Wir sind modern. Arbeitsteilung ist das Stichwort. Und auch die Teufelsarbeit übernehmen viele Schultern. Jedem dieser Teufel will Leben eingehaucht werden. Also kratzen sie sich Stories über Gewerkschaftsbosse zusammen, kleine Anekdoten, die verraten, dass der Teufel im Detail steckt. Rasende Bosse von Kleingewerkschaften auf der Autobahn, das sind dieselben Geschichten wie jene, wonach der Teufel Steine entwendet hatte, um die Vollendung der Kirche zu verhindern. Weniger phantasievoll natürlich. Phantasie war ja der Eintrittspreis in die Mediokratie. Wir helfen uns mit authetischeren Geschichten ab, um das Böse zu porträtieren und fassbarer zu machen. Aber das Prinzip ist dasselbe. Es ist zur Erzählkunst aufgeblasene Unwesentlichkeit, die die gähnende Langeweile eines Teufels ein bisschen spannender machen soll.
Wir haben so viel gelesen. Über Weselsky. Über Putin. Kleinigkeiten aus deren Alltag - ob wahr oder nicht -, die diesen modernen Teufelsgestalten ein diabolisches Leben einhauchten. Wenn wir wüssten, wie normal und alltäglich all diese Teufel doch wohl letztlich sind, wir müssten eine Stufe zurückfahren und die Welt als weitaus komplexer und als reicher an Schattierungen akzeptieren. Und dann würde es verwickelter. Moralische Selektion ist ein schwieriges Geschäft, wenn man abwägen muss. Das wussten auch schon die Theologen damals. Also ließen sie Teuflisches zu. Sie wussten, der Teufel war auch nur einer, der abends seine Füße auf den Strohsack legte und hoffte, dass ihn jemand mochte. Und warum auch nicht?
&button;