Was tut einer wohl, wenn er hochmütig wird? Dann reckt er sich, hebt Kopf und Schultern und die ganze Gestalt. Alles an ihm spricht: „Ich bin größer als du! Ich bin mehr als du!“ Ist aber jemand demütigen Sinnes, fühlt er sich klein, dann neigt er den Kopf, dann senkt sich seine Gestalt. Er „erniedrigt sich“. Und zwar um so tiefer, je größer ist, der vor ihm steht; je weniger er selbst in seinen eigenen Augen gilt.Wo aber spüren wir deutlicher, wie wenig wir sind, als wenn wir vor Gott stehen? Der große Gott, der gestern war wie heute, und nach hundert und tausend Jahren! Der dies Zimmer erfüllt, und die ganze Stadt, und die weite Welt, und den unermesslichen Sternenhimmel, und alles ist vor ihm wie ein Stäubchen. Der heilige Gott, rein, gerecht und von unendlicher Hoheit … Wie ist der groß? … Und ich so klein! So klein, daß ich mich mit ihm überhaupt nicht vergleichen kann; daß ich ein Garnichts bin vor ihm! Da kommt es einem ganz von selbst, daß man vor ihm nicht stolz dastehen darf. Man „wird klein“; man möchte seine Gestalt niedriger machen, damit sie nicht so anmaßend dastehe - und sieh, schon ist die Hälfte ihrer Höhe geopfert: Der Mensch kniet. Und ist´s seinem Herzen noch nicht genug, so mag er sich beugen dazu. Und die gesenkte Gestalt spricht: „Du bist der große Gott, ich aber bin ein Nichts!“ Wenn du die Knie beugst, laß es kein hastiges, leeres Geschäft sein. Gib ihm eine Seele! Die Seele des Kniend aber ist, daß auch inwendig das Herz sich in tiefer Ehrfurcht vor Gott neige. Wenn du in die Kirche kommst oder hinausgehst oder am Altare vorbeigehst, knie nieder, tief, langsam und dein ganzes Herz mit, und dabei soll es sprechen: „Mein großer Gott …!“ Das ist dann Demut, und ist Wahrheit, und jedesmal wird es deiner Seele gut tun.
(Von heiligen Zeichen; Romano Guardini 1927)