Zwischen dem 31. Oktober und 2. November wird in vielen Ländern der Welt mit recht unterschiedlichen Feier- und Gedenktagen den Verstorbenen gedacht. Wobei die meisten dieser Anlässe einen Bezug zu Allerheiligen (1. November) und Allerseelen (2. November) aufweisen. Eine der ungewöhnlichsten Variante des Allerseelen-Festes feiert man allerdings in Mexiko, wo die Menschen mit dem sogenannten Día de los Muertos (alternativ auch: Día de Muertos oder Día de los Difuntos), dem Tag der Toten, ihren verstorbenen Angehörigen gedenken. Dieses Fest wurde 2003 von der UNESCO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit erklärt und ist somit Teil des Weltkulturerbes. Grund genug, diesen Anlass mit in die Sammlung der kuriosen Feiertage aus aller Welt aufzunehmen.
Kleiner Tischaltar mit Ofrendas und Skeletten – Kuriose Feiertage – 2. November – Der Tag der Toten – der mexikanische Dia de los Muertos (c) 2016 Sven Giese
Día de Muertos – Ein geheimnisvolles Familienfest auf dem Friedhof
Wer das Glück hat, sich in der Zeit um den 2. November in Mexiko aufzuhalten, dem bietet sich ein zugleich bizarres und faszinierendes Schauspiel. Denn während des Dia de los Muertos ehren die Mexikaner jedes Jahr ihre Verstorbenen mit einem großen Familienfest. Und das auf so ziemlich jedem Friedhof des Landes. Inzwischen wird der Tag der Toten aber auch in vielen US-amerikanischen Städten mit großer mexikanischer Community begangen.
Die Feierlichkeiten erstrecken sich über mehrere Tage und beginnen traditionell am 31. Oktober, um sich bis zum 2. November fortzusetzen. Bekannt sind vor allem die spektakulären Feiern auf der Insel Janitzio im Lago de Pátzcuaro, Tzinzunzan (Michoacán), Villa de Etla (Oaxaca), in Milpa Alta und vor allem in dem ca. 40 Kilometer von Mexiko-Stadt gelegenen Ort Mixquic. Vor allem nach Mixquic strömen jedes Jahr tausende von Besuchern. Aber was ist so besonders an diesem Fest?
Auf den Friedhöfen und in den Wohnungen des Landes werden farbenfrohe Altäre mit Blumen, Girlanden, Kerzen sowie buntem Zuckerwerk geschmückt und die Familien versammeln sich zu einem gemeinsamen fröhlichen Picknick an den Gräbern der verstorbenen Verwandtschaft, um zu Essen, Trinken. Kurzum, der Día de los Muertos ist ein Fest der Freude, welches in Europa allerdings keine Entsprechung hat.
Kuriose Feiertage – 2. November – Dia de los Muertes-2 von DavidGomezChiu (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Die Verbindung von indigener und christlicher Tradition
Grundlage dieses Feiertages ist die von den eingeborenen Völkern Mexikos stammende Vorstellung, dass die Geister der Verstorbenen am Día de los muertos ihre Familien und geliebten Menschen besuchen kommen. Im Rahmen dieser Mythologie stirbt eine Seele nicht, sondern verweilt am jenseitigen Ort des Todes (span. Mictlan) und kehrt jedes Jahr an einem bestimmten Tag auf Besuch ins Diesseits zurück, um dann mit den lebenden Verwandten zu feiern.
Der Tod wurde in diesen Kulturen also nicht als Ende betrachtet, sondern das Leben selbst lediglich als eine Durchgangsstation zwischen verschiedenen Daseinsformen angesehen. Nach dem Kalender der Azteken fiel dieser Tag in den Zeitraum zwischen Ende Juli und Anfang August, wurde aber durch die christlichen Priester der Conquista während des 16. und 17. Jahrhunderts auf das Allerheiligen verschoben (span. Día de Todos Santos).
Die Verschmelzung dieser beiden Traditionen führte dazu, dass die Mexikaner den Tag der Toten während der ersten beiden Tage im November feiern und schließlich zur heutigen Form eines der wichtigsten Feste in Mexiko führte.
La Calavera Catrina – Kuriose Feiertage – 2. November – Der Tag der Toten – der mexikanische Dia de los Muertos (c) 2016 Sven Giese
Die Familie kommt zusammen – tot und lebendig
Die Feierlichkeiten zum Tag der Toten stehen für viele Familien unter dem Motto: Das Beste ist gerade gut genug und dementsprechend nehmen viele auch hohe Kosten auf sich. Obwohl jede Familie diesbezüglich ihre eigene Vorgehensweise hat, ist allen gemeinsam, dass der Tag der Toten sehr ernst genommen wird, denn Schlimmes soll denen widerfahren sein, die ihre Toten nicht gebührend gewürdigt haben.
So werden die Gräber herausgeputzt und Altäre in den Wohnungen – wie eingangs beschrieben – mit Blumen, Kerzen, Girlanden dekoriert. Natürlich glaubt kein Mexikaner, dass die Toten tatsächlich aus ihren Gräbern kommen und es geht beim mexikanischen Toten-Tag auch nicht um eine direkte Kontaktaufnahme im Sinne einer übernatürlichen Erscheinung. Vielmehr steht das Gedenken an die Verstorbenen im Zentrum dieses Feiertages.
Vor diesem Hintergrund sollte man den Feierlichkeiten auch mit angemessenem Respekt begegnen und nicht dem Irrglauben aufsitzen, dass sich beim Día de los Difuntos lediglich um die mexikanische Variante des Halloween-Festes handelt. Zwar sind gerade die jüngeren Generationen inzwischen dazu übergegangen, die Feierlichkeiten mit der US-amerikanischen Halloween zu verbinden, aber es sind eben zwei völlig verschiedene Feste bzw. Anlässe. Insofern gibt es auch nicht wenige Leute, die solche Übertragungen als anmaßend empfinden (siehe dazu auch die Liste weiterführender Links unten).
Totenköpfe, morbide Süßigkeiten und Skelette aus Papier
Neben der Dekoration mit Blumen und Kerzen spielen auch andere Symbole eine große Rolle am Tag der Toten. Viele Händler bieten im Vorfeld der Feierlichkeiten Gerippe und Schädel als Scherenschnitte, aus Plastik und Illustrationen an. So gelangten mexikanische Künstler wie zum Beispiel José Guadalupe Posada mit seinen Skelett-Karikaturen calaveras zu weltweiter Berühmtheit.
In der Zeit rund um den Dia des los Muertos boomt aber vor allem die mexikanische Süßwarenindustrie: In vielen Städten offerieren riesige Märkte alle erdenklichen Gegenstände aus Zucker, die Regale der Supermärkte und Konditoreien füllen sich mit Totenköpfen aus Marzipan oder Zuckerguss, Skeletten und Särgen aus Schokolade sowie dem pan de Muerto, einem Kuchen, der mit Meriengen verziert wird, um ihm einen morbiden Knochenlook zu verpassen. Gerade die Totenköpfe scheinen dabei allgegenwärtig zu sein, sind aber weitaus mehr als bloße Dekoration.
Denn auf die kleinen Zuckergussschädel, die an die Lieben verschenkt werden, wird der eigene Namen geschrieben. Hintergrund ist die Vorstellung, dass auch der Tod der Freundschaft und Liebe nicht anhaben kann, denn sie halten über diesen hinaus. Allerdings vertreten einige Ethnologen inzwischen auch die Auffassung, dass die bunten Totenköpfe lediglich Ausdruck des Versuchs seien, dem Tod seinen Schrecken zu nehmen.
Kuriose Feiertage – 2. November – Dia de los Muertes-3 von Tomascastelazo (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Der Fahrplan zum Día des los Muertos
Obwohl die Nacht zum 2. November den Höhepunkt des Día de los muertos darstellt, beginnen die Vorbereitungen bereits in den letzten Oktober-Tagen und folgen einem sehr genau definierten zeitlichen Ablauf. Inhaltlicher Schwerpunkt auch hier: das Gedenken an verschiedene Gruppen von Verstorbenen, für die jeder Tag seine eigenen Rituale hat. Die folgenden Datumsangaben beziehen sich immer auf die jeweilige Nacht zum genannten Tag.
Erstes Gedenken und Beginn Vorbereitungen: 29. und 30. Oktober
- 29. Oktober: Gedenken der Verstobenen, die durch Mord, Selbstmord oder einen Unfall umgekommen sind. Für ihre Seelen stellt man in Mexiko eine Kerze auf.
- 30. Oktober: Gedenken an diejenigen, die ohne Taufe oder letzten Segen sterben mussten. Auch für ihre Seelen werden im Gedenken Kerzen aufgestellt.
Aufbau der ofrendas am 31. Oktober und Gedenken der Toten ohne Angehörige
Während in vielen anderen Ländern Halloween gefeiert wird, baut man in Mexiko an diesem Datum die sogenannten ofrendas in den Wohnungen und zum Teil auch an öffentlichen Plätzen auf. Diese sind dekorierte Gabentische oder Altäre, auf denen die Seele eines Toten all das wieder findet, was sie schon zu Lebzeiten erfreut hat. Darüber hinaus werden sie mit Fotos der Verstorbenen, Heiligenbildern und Kerzen geschmückt.
Neben den Ofrendas ist auch das Anlegen eines Weges mit gelben Blütenblättern, den für die Jahreszeit typisch intensiv duftenden gelben Ringelblumen Cempasúchil ein typisches Merkmal des Día de los muertos. Begründung: Die Verstorbenen sollen die Farben Gelb und Orange besonders gut erkennen können. Dementsprechend dienen sie als Wegweiser, damit die Toten auch ihre Ofrenda finden können.
In der Nacht zum 31. Oktober gedenkt man aber auch der Seelen, die keine Angehörigen mehr haben. Ihnen zu Ehren wird eine Kerze angezündet.
Día de los Inocentes am 1. November: Ankunft der Seelen und die Rolle der angelitos
Ab dem 1. November kehren die Verstorbenen für zwei Tage zu ihren Familien zurück und dementsprechend müssen bis zu diesem Tag auch die Vorbereitungen an der Grabstätte abgeschlossen sein.
Nach ihrer Ankunft sollen sich die Toten zunächst einmal an der ofrenda von ihrer Reise erholen und stärken. Entsprechend finden sich hier auch neben Kerzen, den Cempasúchil-Blumen und Weihrauch u.a. auch ein Glas Wasser oder Salz. Auf den Straßen herrscht zu diesem Zeitpunkt ein buntes Treiben und man feiert fröhlich den Tag der Toten.
Ausnahme bilden hier die verstorbenen Kinder (span. angelitos – dt. Seelen der Kinder bzw. kleine Engel bzw. Engelchen) und Ungetaufte, die schon am 31. Oktober um 12:00 Uhr eintreffen und lediglich 24 Stunden verweilen. Deshalb nennen die Mexikaner bezeichnen die Mexikaner dieses Datum auch als Día los Inocentes (dt. Tag der Unschuldigen) oder Día de los Angelitos (dt. Tag der kleinen Engel).
Vor allem den Angelitos widmet man während dieses Festes besondere Aufmerksamkeit und baut ihnen einen eigenen Altar mit zusätzlichen ofrendas wie z.B. den Totenköpfen aus Zucker, den Lieblingsspeisen und dem jeweiligen Lieblingsspielzeug.
Kuriose Feiertage – 2. November – Dia de los Muertes-1 von wolves4moe aus La Mesa, USA (Flickr) [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons
Allerseelen auf dem Friedhof – der Abschluss des Día de Muertos
Die Feierlichkeiten enden am Abend des 2. November mit der Verabschiedung der Toten, die in der Regel bei Kerzenschein auf den Friedhöfen stattfindet und im Gegensatz zu den anderen Tagen eine reine Familienangelegenheit ist.
Die Familie kommt am Grab zusammen, um dort gemeinsam zu singen und zu beten. Und obwohl diese Abschiedszeremonie auch eine Wiederholung der Bestattung des Verstorbenen darstellt, finden sich auch hier keine Trauer oder Schmerz wieder. Vielmehr ist ein Abschied auf Zeit, genauer gesagt für ein Jahr. Um Mitternacht ist das Fest dann beendet.
In diesem Sinne: Euch allen einen tollen Día de Muertos oder Allerseelen.
Weitere Informationen zum mexikanischen Tag der Toten
- Der preisgekrönte Animationskurzfilm: Dia de los Muertos auf vimeo.com (englisch)
- Chanel Adams: Why It’s Offensive To Wear A Day Of The Dead Costume For Halloween – auf: inquisitr.com am 2. November 2015 (englisch)
- Google Doodle zum Día de los Muertos 2015 (englisch)
- Deutschprachiger Wikipedia-Eintrag zum Tag der Toten (deutsch)
- Englischsprachiger Wikipedia-Eintrag zum Tag der Toten (englisch)
- Rezept für das pan de muertos (deutsch)